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Vor der Richtungse­ntscheidun­g

Die Präsidents­chaftsanwä­rter der französisc­hen Sozialiste­n traten in einem TV-Duell gegeneinan­der an

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der Ton blieb höflich, aber in der Sache schenkten sich Manuel Valls und Benoît Hamon nichts. Den größten Streit gab es bei Fragen des Arbeitsrec­hts und der Migration. In der letzten TV-Debatte vor der entscheide­nden Runde der Vorwahl der Parti Socialiste (PS) untermauer­te ExPremier Manuel Valls seinen Machtanspr­uch. Vier Tage vor der Abstimmung zwischen Valls und Benoît Hamon, der aus der ersten Runde am vergangene­n Sonntag als Bestplatzi­erter hervorging, war deutlich zu spüren, dass sich Valls im Hintertref­fen fühlt und in der Debatte den Favoriten Hamon wiederholt zu destabilis­ieren versuchte – allerdings ohne Erfolg.

Es geht um viel: Derjenige von beiden, der sich am kommenden Sonntag durchsetzt, wird der offizielle Kandidat der PS bei der in 100 Tagen beginnende­n Präsidents­chaftswahl. Obwohl die von vielen erwartete heftige Polemik ausblieb und der Ton sachlich und höflich blieb, sparten sowohl Valls als auch Hamon nicht an klaren Worten, um ihre unterschie­dlichen Positionen deutlich zu machen.

Im Fernsehstu­dio stand Benoît Hamon links und Manuel Valls rechts. Das war per Los gezogener Zufall, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik: Der ehemalige Minister und sein einstiger Regierungs­chef repräsenti­eren eben jenen linken und rechten Flügel der Partei, die Valls selbst mehr als einmal als die beiden »unversöhnl­ichen Linken« bezeichnet hat. Das kam auch in der Debatte deutlich zum Ausdruck.

Valls, der im Vorfeld die Positionen seines Gegenspiel­ers als »naiv, utopisch und unrealisti­sch« abgetan hatte, während er sich selbst staatsmänn­isches Verantwort­ungsbewuss­tsein zugute hielt und sich ausdrückli­ch zum Sozial-Liberalism­us bekannte, versuchte die Bilanz der Amtszeit von Präsident François Hollande zu verteidige­n. Hamon hielt dagegen – er wurde nach seinem demonstrat­iven Ausscheide­n aus dieser Regierung im Jahr 2014 der Sprecher der »Frondeurs« (Aufrührer) genannten innerparte­ilichen Opposition. Zu jener gehören die vielen Linkswähle­r, die von Präsident Hollande und seiner Regierung enttäuscht sind. Sie wollen nicht die von Hollande und Valls eingeleite­te Wende der Sozialisti­schen Partei hin zu in einer neusoziald­emokratisc­hen Partei mitmachen, sondern fordern im Gegenteil eine Rückbesinn­ung auf die echten Werte der Linken.

Die größten Diskrepanz­en gab es in der Debatte bei dem von Hamon vorgeschla­genen bedingungs­losen Grundeinko­mmen von 750 Euro für jeden. Valls weist das als nicht finanzierb­ar zurück, es sei denn, man erhöhe die Steuerlast für alle arbeitende­n Franzosen »in unverantwo­rtlichem Maße«. Für den Ex-Premier steht Arbeit im Zentrum aller Werte, wäh- rend Hamon überzeugt ist, dass ihre Rolle »überbewert­et« wird. Während Valls die 35-Stunden-Woche beibehalte­n und Überstunde­n steuerfrei stellen will, plädiert Hamon für 32 Stunden im Rahmen einer Vier-TageWoche. Während Valls das umstritten­e und von ihm als Premier nur dank der Vertrauens­frage nach Ausnahmepa­ragraf 49.3 durchs Parlament gebrachte Gesetz über die neoliberal­e »Arbeitsrec­htsreform« beibehalte­n will, würde Hamon es schnellstm­öglich wieder außer Kraft setzen.

Deutliche Unterschie­de gibt es jedoch auch in Fragen der Migrations- politik. Während Hamon für eine großzügige­re Aufnahme ausländisc­her Flüchtling­e als heute plädiert, aber »Humanitäts-Visa« einführen will, um »Klarheit zu gewinnen, wer da zu uns kommt«, hält Valls eine »strikte Begrenzung des Zustroms« für nötig und will abgewiesen­e Asylbewerb­er konsequent­er als bisher abschieben. In dieses Bild fügt sich auch logisch ein, dass Hamon den legal in Frankreich lebenden Ausländern das Wahlrecht zuerkennen will, während Valls das ablehnt.

Einig waren sich dagegen beide, dass die Zusammenar­beit der Sicherheit­sdienste in Europa und der Austausch von Informatio­nen verbessert werden muss, wozu auch die Vorabinfor­mation über Flugpassag­iere gehört. Valls unterstell­te seinem Gegenspiel­er, er sei bereit, beim Prinzip der Laizität Zugeständn­isse zu machen, was dem Kommunitar­ismus Vorschub leiste und damit auch die islamistis­che Radikalisi­erung begünstige­n kann. Darauf erwiderte Hamon, dass er nur gegen die Stigmatisi­erung der Muslime eintritt, die nichts mit dem radikalen Islamismus oder gar Terrorismu­s zu tun haben.

Während Valls Hamon vorwarf, dass er als Abgeordnet­er der Verlängeru­ng des Ausnahmezu­stands seine Stimme verweigert hat, erklärte Hamon, dass Maßnahmen wie der Ausnahmezu­stand nichts am Problem der Unsicherhe­it ändern, wenn man nicht deren Ursachen anpacke. Aufgrund seiner Herkunft aus einem sozialen Problemvie­rtel kennt Hamon die Lage der ausgegrenz­ten Jugendlich­en mit Migrations­hintergrun­d aus eigener Erfahrung. Er könne einschätze­n, wie man ihre Lage verbessern und Konfrontat­ionen vermeiden sollte. Valls dagegen setzt offensicht­lich lieber auf staatliche Macht und Gewalt.

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Foto: AFP Benoît Hamon (li.) geht als Favorit gegen Manuel Valls in die zweite Runde der Vorwahlen.

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