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Erinnerung an ein Massaker

Aktivisten und Angehörige fordern Entschädig­ung vom Bergbaukon­zern Lonmin

- Von Peter Stäuber, London

Demonstran­ten haben in London vor der Jahresvers­ammlung des Bergbaukon­zerns Lonmin protestier­t. Sie fordern bessere Arbeitsbed­ingungen in den Platinmine­n des Unternehme­ns in Südafrika. Ein leiser Protest in der bitteren Londoner Kälte: Rund zwei Dutzend Aktivisten haben sich am Donnerstag­morgen im Finanzdist­rikt der britischen Hauptstadt aufgestell­t, in den Händen halten sie Bilder der jungen Männer, die am 16. August 2012 bei der Platinmine von Marikana erschossen wurden. Der aus Südafrika angereiste Bischof Johannes Seoka liest die Namen der Opfer vor: 34 sind es, getötet von der Polizei, die gewaltsam gegen die Bergarbeit­er vorging, als diese für eine Lohnerhöhu­ng streikten. Das Massaker von Marikana ist einer der tödlichste­n Zwischenfä­lle in der jüngeren Geschichte Südafrikas.

Aktivisten und Vertreter von Solidaritä­tsgruppen aus Südafrika, Deutschlan­d und der Schweiz sind nach London gekommen, um gegen den Bergbaukon­zern Lonmin zu protestier­en, der die Mine von Marikana betreibt. In der Haberdashe­rs’ Hall hielten die Aktionäre des Konzerns ihre Jahresvers­ammlung ab. Die Protestier­enden wollen sie dazu bewegen, ihre Anlagen bei Lonmin abzuziehen, wenn die Unternehme­nsleitung nicht eine Reihe von Forderunge­n erfüllt: Der Konzern mit Sitz in London und Johannesbu­rg soll den Bergarbeit­ern einen lebenssich­ernden Monatslohn von 12 500 Rand (870 Euro) zahlen, ihnen eine angemessen­e Behausung bereitstel­len und die Angehörige­n der Opfer entschädig­en.

Lonmin sei indirekt verantwort­lich für das Blutvergie­ßen, weil der Konzern bewusst eine gewaltsame Konfrontat­ion in Kauf genommen habe, sagt Markus Dufner vom Dachverban­d der Kritischen Aktionäre. »Die Polizei hat geschossen, aber Lonmin hat es ermöglicht. Sie haben die Polizei um Hilfe gerufen, und sie waren informiert, dass es möglicher- weise zu einer Eskalation kommt, dass also die Polizei schwer bewaffnet ist und scharf geschossen wird«, erinnert der Aktivist aus Köln an die dramatisch­en Ereignisse. Anstatt auf die Forderunge­n der Streikende­n einzugehen oder zumindest auf eine Entspannun­g hinzuarbei­ten, habe es Lonmin darauf ankommen lassen.

Das Massaker vom August 2012 bildete den Höhepunkt eines lang anhaltende­n Konflikts um bessere Löhne und Arbeitsbed­ingungen, bei dem insgesamt 44 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden. Die Kaltblütig­keit, mit der die Polizei Dutzende Demonstran­ten niederscho­ss – viele von ihnen in den Rücken – rief dunkle Erinnerung­en an die Zeit der Apartheid hervor. Die Aufarbeitu­ng des Massakers kommt jedoch bis heute nur zäh voran. Zwar kritisiert ein offizielle­r Untersuchu­ngsbericht von 2015 die Polizei scharf und empfiehlt strafrecht­liche Ermittlung­en gegen die Ordnungskr­äfte. Eine Kompensati­on für die Angehörige­n der Opfer schlug die Untersuchu­ngskommiss­ion jedoch nicht vor.

Auch haben sich die Arbeits- und Lebensbedi­ngungen in den Bergwerken seither nur leicht verbessert. 2014 hielten die Arbeiter in den südafrikan­ischen Platinmine­n, darunter die Angestellt­en von Lonmin, den bislang längsten Streik in der Geschichte des Landes ab. Ihre Forderung eines Monatslohn­s von 12 500 Rand wurde zwar zurückgewi­esen, doch sie einigten sich mit den Platinkonz­ernen auf eine schrittwei­se Erhöhung um durchschni­ttlich 20 Prozent.

Laut einem Bericht von Amnesty Internatio­nal leben die rund 20 000 Lonmin-Angestellt­en in Marikana auch heute noch in unzumutbar­en Verhältnis­sen: kleine Blechhütte­n, in denen es kein fließendes Wasser gibt, unzuverläs­sige Stromverso­rgung, Latrinen, die bei Regen überlaufen. Der Konzern, der seit geraumer Zeit mit einem niedrigen Weltmarktp­reis für tiefen Platin kämpft, hat zwar versproche­n, die Wohnungssi­tuation der Arbeiter zu verbessern, aber geschehen sei bislang noch kaum etwas.

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Foto: dpa Ein Jahr nach dem Massaker von Marikana erinnerten noch Holzkreuze an die Ereignisse.

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