Der Kartoffelschwund
Ernte geht in Deutschland zu einem Drittel verloren
Berlin. Auf dem Weg vom Acker zum Teller geht nach Schätzungen des WWF jährlich ein Drittel der deutschen Kartoffelernte verloren. Verantwortlich für diese Lebensmittelverschwendung seien vor allem die Vorgaben des Handels, der »den Fokus auf die äußere Schönheit« der Knollen lege und ihre Lagerung erschwere, kritisierte der WWF am Donnerstag in Berlin. Die Umweltstiftung forderte den Handel auf, seine Anforderungen an Agrarerzeugnisse anzupassen.
Kartoffeln sollten eiförmig sein, eine bestimmte Farbe und eine makellose Schale haben, beschrieb der WWF die derzeitigen Vorgaben. Zudem würden die Knollen mittlerweile vor dem Verkauf gewaschen, weshalb sie nicht mehr so lange gelagert werden könnten. Auch die Verpackung in Netzen oder Plastikbeuteln verringere die mögliche Lagerzeit. Aufgrund solcher Vorgaben blieben rund 750 000 Tonnen Kartoffeln sofort nach der Ernte »auf der Strecke«, erklärte der WWF. Weitere rund 750 000 Tonnen würden später aussortiert, darunter 50 000 Tonnen aus biologischem Anbau.
Dies sei für die Bauern auch ein ökonomisches Problem, ergänzte der WWF. Kartoffelbauer Carsten Niemann erklärte, es sei gängige Praxis, »dass wir nur für jenen Anteil die vereinbarten Preise erhalten, der auch den oft widersinnigen Qualitätsanforderungen genügt«. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die Erzeuger für bis zu einem Drittel ihrer Ware weniger Geld bekämen – im schlimmsten Fall nichts.
Aus aussortierten Kartoffeln wird demnach »zu Dumpingpreisen« Industriestärke gewonnen. Mancher Erzeuger muss die abgelehnten Knollen auch als Tierfutter verkaufen. Als »letzte und verlustreichste Option« bleibe die energetische Nutzung.
Der WWF kritisierte auch, dass die vom Landwirtschaftsministerium 2015 angekündigte nationale Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen immer noch nicht vorliege. Dem schloss sich die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch, an. Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung seien »überfällig«, Minister Christian Schmidt (CSU) müsse konkrete Minderungsziele mit Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gastronomie vereinbaren. Appelle reichten nicht.