Dawai, dawai, raboti!
Dänische Behörden schleifen freie Tage / Arbeitsdruck und Produktivität als Erfolgsrezept angesehen
Was über Jahre betriebliche Praxis war, wird nun abgeschafft. Dänemarks Beschäftigte müssen an Feiertagen künftig Urlaub nehmen. Über Jahre war es in dänischen Behörden, Institutionen und Privatunternehmen Praxis, dass der 5. Juni, der Verfassungstag des Landes, Heiligabend und Silvester freie Tage waren. Die Beschäftigten mussten keinen Urlaub nehmen oder vorarbeiten, obwohl die genannten keine gesetzlichen Feiertage sind. Diese Praxis war nur selten in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen fixiert. Die freien Tage wurden per Gewohnheit oder auf Kulanz gewährt.
Diese Vergünstigung gerät jedoch zunehmend unter Druck. Im Gefolge der Finanzkrise begannen bereits private Arbeitgeber vor einigen Jahren, die freien Tage abzuschaffen und dafür Urlaubstage anzurechnen. Begründet wurde die Entscheidung in der Regel mit dem Hinweis auf durchschnittlich mehr Arbeitsstunden pro Jahr in den meisten anderen europäischen Ländern. Extra freie Tage, so die Erklärung, bilden einen Wettbewerbsnachteil für dänische Unternehmen. Im Herbst 2016 übernahmen mehrere dänische Ministe- rien und deren nachgeordnete Behörden diese Praxis und schafften die freien Tage mit einem Federstrich ab. Die Begründung: Auch in Verwaltungen müsse mehr gearbeitet werden, um die Steuerzahler zu entlasten. Die Jahresarbeitszeit für privat sowie öffentlich Beschäftigte wird damit erhöht, während die Gehälter gleich bleiben. Die Betroffenen haben keine andere Wahl als sich den Entscheidungen zu fügen, da das gesellschaftliche und Arbeitsleben in Dänemark so geordnet ist, dass am 24. und 31. Dezember die Arbeit größtenteils ruht. Schulen, Kindereinrichtungen und der überwiegende Teil des Einzelhandels bleiben geschlossen. Beim Verfassungstag, dem 5. Juni war das anders. Der war Feiertag und freier Tag. Nun würde er lediglich eine jährliche Erinnerung an ein historisches Ereignis werden, während er in der Praxis zum Arbeitstag wird.
Beschäftigte und Gewerkschaften haben nur wenige Möglichkeiten, dagegen anzugehen und beispielsweise Lohnausgleich zu fordern. Private und öffentliche Arbeitgeber haben sich stets gescheut, Gewohnheitstage in Vereinbarungen zu übernehmen. Die Gewerkschaft der Beschäftigten im öffentlichen Dienst rief die Schlichtungskommission an, um die Entscheidung zurückzurollen. Der Appell wurde abgewiesen mit dem Hinweis auf fehlende schriftliche Vereinbarungen. Nicht alle Arbeitsrechtjuristen pflichten dieser Auffassung bei, denn normalerweise stellt eine über Jahre unangefochtene betriebliche Praxis die Grundlage für ein verbrieftes Recht dar. Der Gewerkschaftsvorsitzende Flemming Vinther forderte die zuständige liberale Ministerin Sophie Løhde auf, über den Tellerrand zu schauen und darauf zu achten, dass die Arbeitsfreude und Motivation der öffentlich Angestellten nicht durch kurzsichtige Interessen nachhaltig herabgesetzt wird.
In den letzten Jahren hat die Diskussion von Arbeitszeit, Produktivität und der Mobilisierung »ungenutzter Arbeitskraft« eine bedeutende Rolle in der politischen Diskussion Dänemarks gespielt. Die daraus ent- standenen Reformen waren darauf gerichtet, Langzeitarbeitslose und Personen mit herabgesetzter Arbeitsfähigkeit wieder auf den Arbeitsmarkt zu zwingen und das Eintreten älterer Arbeitnehmer in Vorruhestandsregelungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern.
Politiker und Arbeitsmarktforscher sind sich uneinig, ob es weitere Möglichkeiten gibt, Arbeitskraftreserven zu erschließen. Deshalb richteten sie ihren Blick verstärkt auf die Erhöhung der Arbeitsproduktivität und besonders auf die Verwaltungen und Dienststellen. Das Mantra insbesondere der bürgerlichen Regierungen der letzten 15 Jahre war es, dass die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf keinen Fall steigen darf – auch auch nicht bei steigender Arbeitslast. Die Erzwingung neuer Arbeitszeitregelungen für Lehrer und Krankenschwestern trotz mehrwöchiger Streiks waren lediglich die augenfälligsten Maßnahmen. Andere, wie die Abschaffung der Kulanztage, verlaufen mehr im Stillen, aber dafür unablässig. Im Gefolge der für sie positiven Entscheidung der Schlichtungskommission kündigten bereits weitere Ministerien an, dass in ihren Bereichen die gewohnten freien Tage ebenfalls abgeschafft werden.
Die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollte auf keinen Fall steigen – auch nicht bei steigender Arbeitslast.