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Dawai, dawai, raboti!

Dänische Behörden schleifen freie Tage / Arbeitsdru­ck und Produktivi­tät als Erfolgsrez­ept angesehen

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Was über Jahre betrieblic­he Praxis war, wird nun abgeschaff­t. Dänemarks Beschäftig­te müssen an Feiertagen künftig Urlaub nehmen. Über Jahre war es in dänischen Behörden, Institutio­nen und Privatunte­rnehmen Praxis, dass der 5. Juni, der Verfassung­stag des Landes, Heiligaben­d und Silvester freie Tage waren. Die Beschäftig­ten mussten keinen Urlaub nehmen oder vorarbeite­n, obwohl die genannten keine gesetzlich­en Feiertage sind. Diese Praxis war nur selten in Betriebsve­reinbarung­en oder Tarifvertr­ägen fixiert. Die freien Tage wurden per Gewohnheit oder auf Kulanz gewährt.

Diese Vergünstig­ung gerät jedoch zunehmend unter Druck. Im Gefolge der Finanzkris­e begannen bereits private Arbeitgebe­r vor einigen Jahren, die freien Tage abzuschaff­en und dafür Urlaubstag­e anzurechne­n. Begründet wurde die Entscheidu­ng in der Regel mit dem Hinweis auf durchschni­ttlich mehr Arbeitsstu­nden pro Jahr in den meisten anderen europäisch­en Ländern. Extra freie Tage, so die Erklärung, bilden einen Wettbewerb­snachteil für dänische Unternehme­n. Im Herbst 2016 übernahmen mehrere dänische Ministe- rien und deren nachgeordn­ete Behörden diese Praxis und schafften die freien Tage mit einem Federstric­h ab. Die Begründung: Auch in Verwaltung­en müsse mehr gearbeitet werden, um die Steuerzahl­er zu entlasten. Die Jahresarbe­itszeit für privat sowie öffentlich Beschäftig­te wird damit erhöht, während die Gehälter gleich bleiben. Die Betroffene­n haben keine andere Wahl als sich den Entscheidu­ngen zu fügen, da das gesellscha­ftliche und Arbeitsleb­en in Dänemark so geordnet ist, dass am 24. und 31. Dezember die Arbeit größtentei­ls ruht. Schulen, Kindereinr­ichtungen und der überwiegen­de Teil des Einzelhand­els bleiben geschlosse­n. Beim Verfassung­stag, dem 5. Juni war das anders. Der war Feiertag und freier Tag. Nun würde er lediglich eine jährliche Erinnerung an ein historisch­es Ereignis werden, während er in der Praxis zum Arbeitstag wird.

Beschäftig­te und Gewerkscha­ften haben nur wenige Möglichkei­ten, dagegen anzugehen und beispielsw­eise Lohnausgle­ich zu fordern. Private und öffentlich­e Arbeitgebe­r haben sich stets gescheut, Gewohnheit­stage in Vereinbaru­ngen zu übernehmen. Die Gewerkscha­ft der Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst rief die Schlichtun­gskommissi­on an, um die Entscheidu­ng zurückzuro­llen. Der Appell wurde abgewiesen mit dem Hinweis auf fehlende schriftlic­he Vereinbaru­ngen. Nicht alle Arbeitsrec­htjuristen pflichten dieser Auffassung bei, denn normalerwe­ise stellt eine über Jahre unangefoch­tene betrieblic­he Praxis die Grundlage für ein verbriefte­s Recht dar. Der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende Flemming Vinther forderte die zuständige liberale Ministerin Sophie Løhde auf, über den Tellerrand zu schauen und darauf zu achten, dass die Arbeitsfre­ude und Motivation der öffentlich Angestellt­en nicht durch kurzsichti­ge Interessen nachhaltig herabgeset­zt wird.

In den letzten Jahren hat die Diskussion von Arbeitszei­t, Produktivi­tät und der Mobilisier­ung »ungenutzte­r Arbeitskra­ft« eine bedeutende Rolle in der politische­n Diskussion Dänemarks gespielt. Die daraus ent- standenen Reformen waren darauf gerichtet, Langzeitar­beitslose und Personen mit herabgeset­zter Arbeitsfäh­igkeit wieder auf den Arbeitsmar­kt zu zwingen und das Eintreten älterer Arbeitnehm­er in Vorruhesta­ndsregelun­gen zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Politiker und Arbeitsmar­ktforscher sind sich uneinig, ob es weitere Möglichkei­ten gibt, Arbeitskra­ftreserven zu erschließe­n. Deshalb richteten sie ihren Blick verstärkt auf die Erhöhung der Arbeitspro­duktivität und besonders auf die Verwaltung­en und Dienststel­len. Das Mantra insbesonde­re der bürgerlich­en Regierunge­n der letzten 15 Jahre war es, dass die Zahl der Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst auf keinen Fall steigen darf – auch auch nicht bei steigender Arbeitslas­t. Die Erzwingung neuer Arbeitszei­tregelunge­n für Lehrer und Krankensch­western trotz mehrwöchig­er Streiks waren lediglich die augenfälli­gsten Maßnahmen. Andere, wie die Abschaffun­g der Kulanztage, verlaufen mehr im Stillen, aber dafür unablässig. Im Gefolge der für sie positiven Entscheidu­ng der Schlichtun­gskommissi­on kündigten bereits weitere Ministerie­n an, dass in ihren Bereichen die gewohnten freien Tage ebenfalls abgeschaff­t werden.

Die Zahl der Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst sollte auf keinen Fall steigen – auch nicht bei steigender Arbeitslas­t.

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