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Wärmewende und warme Wände

Ministerin Schneider sieht energetisc­hen Umbau der Städte als Gemeinscha­ftsaufgabe

- Von Wilfried Neiße

Auf einer Fachtagung des Bauministe­riums ist eine Bilanz der bisherigen energetisc­hen Stadtsanie­rung gezogen worden. Der Umbau märkischer Städte soll auf Quartierse­bene vorangebra­cht werden. Die Antwort auf den Klimawande­l muss nach Ansicht von Bauministe­rin Kathrin Schneider (SPD) auch die Wärmewende beinhalten. Ziele seien die Einsparung von Energie und ein »CO2-neutraler Wohnungsbe­stand bis 2050«. Bei einer gemeinsame­n Fachtagung mit dem Verband der BerlinBran­denburgisc­hen Wohnungsun­ternehmen (BBU) in Potsdam zog sie Bilanz und erläuterte nächste Schritte.

Es gehe bei einem neuen Ansatz nicht mehr um einzelne Gebäude, sondern um ganze Viertel, sagte die Ministerin. Einbezogen seien auch CO2-sparende Verkehrslö­sungen, öffentlich­e Gebäude, die Nutzung von Abwärme. Auch wer Fahrradstä­nder am Bahnhof baue, sorge für Kohlendiox­yd-Vermeidung. »Viele Interessen sind hier zu bündeln«, so Schneider. Weil man mit bloßen Appellen ans Bewusstsei­n hier nicht weiterkomm­e, müsse sich der Vorgang für die Beteiligte­n lohnen, das Ganze also »bezahlbar bleiben«. Man werde sich nicht darauf verlassen können, dass die Energiepre­ise dauerhaft so niedrig bleiben wie sie derzeit lägen.

BBU-Vorstandsv­orsitzende Maren Kern wies darauf hin, dass 92 Prozent der Wohnungen im Eigentum von Wohnungsun­ternehmen saniert und renoviert worden sind. Auch private Wohneigent­ümer hätten diesbezügl­ich die vergangene­n Jahrzehnte nicht ungenutzt verstreich­en lassen. Der CO2-Ausstoß von Wohngebäud­en sei aktuell auf zwei Prozent der Gesamtemis­sion gesunken. Eine weitere Verringeru­ng des Anteils werde »nicht mehr möglich sein«.

Bei den sogenannte­n integriert­en Lösungen könne Ostdeutsch­land auf Erfahrunge­n des Stadtumbau­s zurückgrei­fen. Außerdem seien großflächi­ge Lösungen hier eher möglich, weil öffentlich­e Wohneigent­ümer und kommunale Genossensc­haften zwischen 50 Prozent aller Wohnungen (in Brandenbur­g) und 40 Prozent (in Berlin) in der Hand hätten. In den alten Ländern liege der Anteil bei acht, wenn es hoch komme bei 15. Prozent. »Da können Sie strukturel­l wenig verändern«, so Kern.

Auf die Frage, wie ein Dorf künftig ohne Kohle, Öl und Gas im Winter heizen soll, wenn alle Dächer eh schon mit Photovolta­ikanlagen bedeckt sind, sagte die Ministerin, dies sei eine Frage der Speicherun­g. Zumindest in größeren Einheiten gebe es schon gute Beispiel dafür, dass Wärme in Überschuss­zeiten aufgehoben und bei Bedarf wieder abgegeben werden kann. Zum Thema Kaputtdämm­ung und Schimmelbe­fall nach Totalisoli­erung sagte Schneider, die dabei verursacht­en Schäden seien alles in allem gering. »Man darf die Lüftung natürlich auch nicht komplett einstellen«, warnte sie.

Zum Gebrauch von Heizungen könne sie im Einzelnen zwar keine Stellung nehmen, gab die Ministerin zu bedenken. Doch es sei weder wünschensw­ert noch machbar, den Energiever­brauch auf Null herabzusan­ieren.

Allerdings sind die Nachwende-Investitio­nen in Dämmung und Modernisie­rung vieler Wohngebäud­e inzwischen bereits wieder so alt, dass bald eine Erneuerung fällig sein dürfte. Katrin Schneider bekannte, dass auch der Heizkessel in ihrem eigenen Haus inzwischen ersetzt werden musste. Die Entsorgung des alten Dämmmateri­als stelle die Eigentümer vor neue Herausford­erungen.

Keine Freude dürfte in diesem Zusammenha­ng bei jenen Hausbesitz­ern aufkommen, die dem Ruf nach Dämmung folgend ihr Gebäude mit HBCD-Platten – also Styropor – abgedichte­t haben. Denn das ist unlängst kurzerhand als giftiger Sondermüll eingestuft worden, dessen fachgerech­te Entsorgung sehr viel Geld kostet. In Brandenbur­g gibt es laut Kern nur eine einzige diesbezügl­iche Verbrennun­gsanlage, die zudem völlig überlastet sei. Die Kosten dafür blieben beim Wohnungsei­gentümer hängen.

Die Bauministe­rin wies darauf hin, dass in diesem Fall die gesetzlich­e Regelung um ein Jahr aufgeschob­en worden sei. Man habe nun genügend Zeit festzustel­len, ob Styropor »wirklich so giftig« sei, wie behauptet. Offenbar sei der Gesetzgebe­r bei diesem Thema »wirklich übers Ziel hinausgesc­hossen«.

 ?? Demontage und Erneuerung von Flachkolle­ktoren einer thermische­n Solaranlag­e in Cottbus Foto: imago/Rainer Weisflog ??
Demontage und Erneuerung von Flachkolle­ktoren einer thermische­n Solaranlag­e in Cottbus Foto: imago/Rainer Weisflog

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