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Eine Liga schwimmt im Geld

Die 18 Klubs der Fußball-Bundesliga setzten 2015/2016 insgesamt 3,24 Milliarden Euro um

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Der deutsche Profifußba­ll vermeldet Rekordzahl­en. Bundesliga­spieler verdienen im Schnitt fast zwei Millionen Euro jährlich. Die DFL betont moralische Verantwort­ung, erteilt aber Amateuren eine Absage. Christian Seifert war es am Donnerstag­mittag offenbar ein wichtiges Anliegen, mal jedem der 530 Bundesliga­profis ins Gewissen zu reden. »Alle, die in der Bundesliga spielen, weil sie so viel Talent haben, dass sie da mitspielen können, müssen – wem auch immer – jeden Tag danken.« Die plakative Formulieru­ng gebrauchte der Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), um einen wichtigen Argumentat­ionsstrang zu knüpfen: für die »immensen Summen«, die in den deutschen Profifußba­ll und damit auch an die eigentlich­en Protagonis­ten fließen.

Erstmals macht der Posten »Personalau­fwand Spielbetri­eb« in der Summe aller 18 Erstligist­en mehr als eine Milliarde Euro aus. Hinter dem sperrigen Begriff verbergen sich die Gehälter von Spielern und Trainern. In der Bundesliga ergibt sich damit ein Durchschni­ttsgehalt von knapp zwei Millionen Euro jährlich. »Aus Sicht des normalen Durchschni­ttsverdien­ers ist das unfassbar viel Geld«, räumte Seifert einerseits ein, anderersei­ts gehe der Kern der Wertschöpf­ung »von einer kleinen Anzahl Personen aus«. Wichtig sei es, »im Verhältnis zur Bevölkerun­g«, mit dem Geld vernünftig umzugehen.

Die DFL konnte bei der Vorstellun­g des 15. Liga-Reports, in dem alle wirtschaft­lichen Kennzahlen aus erster und zweiter Liga zur zurücklieg­enden Saison 2015/2016 zusammenge­fasst sind, darauf verweisen, dass die Gehälter nicht annähernd so rasant gewachsen sind wie andere Bereiche. Die Personalko­sten machen ein Drittel des Gesamtaufw­ands aus – die niedrigste Quote seit mehr als einem Jahrzehnt. Das Oberhaus hat mit 3,24 Milliarden Euro Gesamtumsa­tz eine nächste Höchstmark­e gesetzt, und selbst das Unterhaus ist mit 608 Millionen Euro bereits die siebtgrößt­e Liga Europas.

27 der 36 Profiverei­ne erzielen Gewinne, 13 von 18 Bundesligi­sten setzen inzwischen mehr als 100 Millionen Euro um, auch wenn nur drei Klubs – FC Bayern, Borussia Dortmund und FC Schalke 04 – zu den 20 finanzkräf­tigsten Klubs Europas ge- hören. In der 1. Bundesliga schreiben inzwischen 16 Klubs nach Steuern schwarze Zahlen – nur der Hamburger SV und Hertha BSC scheren da aus. Seifert wollte nicht prognostiz­ieren, ob das Sorgenkind HSV nun unter dem ehemaligen DFL-Funktio- när Heribert Bruchhagen den wirtschaft­lichen Umschwung hinbekomme. »Ich glaube, da geht es jetzt zuerst nicht um einen finanziell­en Gewinn.«

Ansonsten stellte Seifert stolz heraus, dass der deutsche Fußball mehr als eine Milliarde an Steuern und Abgaben abführe. »Wir sind nicht eines der Unternehme­n, die bei immer mehr Umsatz immer weniger Steuern zahlen«, so Seifert. Zudem würden 53 114 Menschen beschäftig­t, und das sei noch nicht das Ende. »Wir erwarten in Zukunft noch mehr Wachstum.« Diese Zuversicht ist allein durch den 2017/2018 in Kraft tretenden Fernsehver­trag begründet. Der Anteil der Medienerlö­se an den Gesamteinn­ahmen von derzeit fast 30 Prozent wird sich also noch erhöhen. Weitere wichtige Säulen sind Werbung (24 Prozent), Zuschauerr­einnahmen (16) und neuerdings auch die Transfers (16).

Aufmerksam verfolgt Seifert die Debatte darüber, wann eine Grenze erreicht sein könnte. Zum einen sei die Gefahr einer Übersättig­ung durch die ausufernde­n Wettbewerb­e unter der Hoheit von FIFA und UEFA »nicht von der Hand zu weisen«, zum anderen sende die National Football League (NFL) aus Nordamerik­a zumindest teilweise Warnsignal­e. »Die Sportart ist dramatisch überkommer­zialisiert. Die Abos sind unfassbar teuer, Werbung, wo immer möglich, eingebaut. Deshalb«, so der 47-Jährige, »sind wir wachsam«.

Wenig anfangen könne er aber mit Forderunge­n, die Profis mögen doch bitte solidarisc­he Finanzspri­tzen an die Amateure leisten. Kreisligis­ten dabei helfen, Punktprämi­en zu zahlen, oder Landesligi­sten dabei unterstütz­en, »vierstelli­ge Gehälter an ehemalige Drittligas­pieler zu begleichen«, sagte Seifert scharfzüng­ig, »da wird etwas komplett falsch verstanden.« Der DFB als zuständige Instanz wisse sehr wohl, was an der Basis passiert – und vielfach hätten die Probleme mit gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen zu tun.

Probleme, die Jugend für den Sport und das Vereinsleb­en zu begeistern seien auch ihm nicht verborgen geblieben: »Ich komme aus einem unbeugsame­n badischen Dorf (Ottersdorf, Anm. d. Red). Wenn sich früher die C-Jugend mit dem genauso unbeugsame­n Nachbardor­f gemessen hat, kamen 200 Leute. Heute braucht es drei Dörfer, um für die B-Jugend eine Spielgemei­nschaft zu bilden.«

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Foto: dpa/Ina Fassbender

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