Bis ganz nach vorn dauert’s noch lange
Die besten deutschen Eisschnellläufer wollen beim Heimweltcup in Berlin weitere »Lichtpunkte« setzen
Der neue Eisschnelllauf-Bundestrainer Jan van Veen sieht sich nicht als Heilsbringer, sondern eher als realistischen Analytiker. Er hofft, dass auch kleine Neuerungen künftig viel bewegen werden. Eisschnelllaufen war einst eine deutsche Paradedisziplin im Wintersport. Inzwischen hat es sich zum Sorgenkind entwickelt. Die Athleten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) waren bei Olympia 2014 medaillenlos geblieben. Mit Sportdirektor Robert Bartko wollte die DESG die Stellschrauben danach wieder auf Erfolg ausrichten. Nachdem dann auch bei den Weltmeisterschaften 2016 keine Medaille errungen wurde, kam mit Jan van Veen ein neuer Bundestrainer hinzu. Beide sehen sich auf wohltuende Weise nicht als Heilsbringer, sondern als nüchterne und realistische Analytiker.
Das wurde bei der Auftaktveranstaltung zum an diesem Freitag startenden Weltcup in Berlin deutlich. Van Veen, dessen entspannt wirkenden Aussagen ein Faible für hintersinniges Understatement erkennen ließen, brachte in einem einzigen Satz Bilanz und Ausblick auf einen Nenner, wofür andere lange Impulsreferate benötigen: »Wir haben lange Zeit ge- braucht, um unten anzukommen. Entsprechend wird es auch lange dauern, um wieder nach vorn zu laufen.«
Immerhin, so der Trainer, habe es im ersten Weltcupblock der Saison erfreuliche »Lichtpunkte« gegeben, die eine Basis gelegt hätten, auf der es aufzubauen gelte. Damit es »wirklich hell« wird, brauche es allerdings mehr davon. Das Niveau müsse nicht nur gehalten, sondern verbessert werden. Van Veen spricht nach wie vor »riesige Baustellen« an. Es gebe also »keinerlei Anlass für Jubelstürme«. Was hinter den Besten käme, sei in Quantität und Klasse nicht ausreichend. »Der große Blick nach vorn« sei aber auch nicht auf dieses Jahr gerichtet, er verlange viel Geduld.
Der Weltcup in Berlin, der ein volles Programm von Sprints, Mittel- und Langstreckenrennen bei Frauen und Männern bietet, sei trotzdem neben der Einzelstrecken-WM in Astana und dem Weltcupfinale in Heerenveen der Saisonhöhepunkt für die deutsche Elite. Die erste Saisonhälfte, die van Veen auf die Frage, ob er denn Fortschritte gesehen hätte mit der Gegenfrage »Sie nicht?« resümierte, wurde von den Athleten jedenfalls als Motivation für Kommendes bezeichnet. Die Stimmung im Team sei ausgesprochen gut, hört man.
Die Berliner Rennen gehen die 13 deutschen Athleten vor Ort durch- weg mit Vorfreude, Hoffnung auf tolle Zeiten und das Versprechen guter Form an. Nicht nur einmal fielen die Worte »Spaß« und »Lust«, »alle hängen sich voll rein«. Unisono bekannten die Schlittschuhsprinter: »Wir wollen hier eine Schippe draufsetzen.«
Der Chemnitzer Sprinter Nico Ihle, mit 31 Jahren mittlerweile Stammgast in Berlin, lobte das bevorstehende Event schon mal im Voraus: »Berlin ist immer was Besonderes und Werbung für unsere Sportart. Ich habe gute Erinnerungen an meine Starts und bin daher sehr motiviert. Es gibt auch im Eisschnelllaufen so etwas wie einen Heimvorteil. Den haben wir hier.«
Wozu die gute Stimmung im Fortgang der Saison noch führen kann, darauf will sich Bundestrainer van Veen nicht festlegen lassen. »Wir wollen gute Ergebnisse mit Bestzeiten zum Jahreshöhepunkt. Eine bestimmte Zahl von Medaillen ist nicht entscheidend dafür, ob man zufrieden oder enttäuscht sein darf.« Die Mannschaft arbeite hart, um nach vorne zu laufen. Das, was er bisher verändert habe, solle man auch »nicht zu groß machen. Es sind kleine Nuancen, die manchmal viel bewegen. Man ist hier vorher auch nicht rückwärts gelaufen, und jetzt ist alles völlig anders.«