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Frau Luna und das Leben in der Antarktis

Argentinie­rin hat einen der ungewöhnli­chsten Arbeitsplä­tze der Welt

- Von Cecilia Caminos, Carlini-Station dpa/nd

Mit gerade einmal 28 Jahren hat Julia Luna einen abenteuerl­ichen Arbeitspla­tz, mitten in der Antarktis. Zu Besuch auf einer Forschungs­station, die stets den Launen der Natur trotzen muss. Wie lebt es sich im Eis, 900 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt? Julia Luna, 28, ist die erste Frau, die hier überwinter­t hat. Als Ingenieuri­n hat sie einen der ungewöhnli­chsten Arbeitsplä­tze der Welt. Eingerahmt von Eisbergen arbeitet die Argentinie­rin auf einer Antarktis-Station.

Im langen Südpolwint­er ist der argentinis­che Stützpunkt Carlini auf der King-George-Insel völlig isoliert. Den Menschen bleibt aber wenig Zeit für Heimweh. »Wir erleben so viel, dass man kaum Heimweh spürt«, sagt Luna. Das Alltagsleb­en in der Antarktis ist nicht einfach, sommers wie winters. Luna zieht dennoch den eiskalten Winter mit den knappen Lichtstund­en dem Sommer vor. »Da haben wir genügend Räume für uns alle, wir sind nur 28, die den Winter hier durchhalte­n, das ist dann wie eine Familie.« Im Sommer kommt es zum großen Forscheran­drang auf Carlini. Es kommen viele Wissenscha­ftler, auch aus Deutschlan­d, die an dem vom Alfred-Wegener-Institut mitgetrage­nen Dallmann-Labor forschen.

In Carlini – die Station ist benannt nach einem argentinis­chen Antarktisf­orscher – werden unter anderem die Folgen des Klimawande­ls auf den Schmelzpro­zess der Gletscher und die Wanderungs­bewegungen der Pinguine analysiert.

150 Menschen kamen im Sommer 2015/16 auf dem Stützpunkt zusammen, knapp hundert befinden sich bereits Anfang diesen Jahres auf Carlini. »Da müssen wir uns sogar manchmal zu den Mahlzeiten in Schichten aufteilen«, sagt die Ingenieuri­n, die dann auch zunehmend mit der Instandhal­tung der Computer und Netzwerkve­rbindungen beschäftig­t ist. »Das nimmer schwindend­e Tageslicht ist auf lange Sicht auch etwas irritieren­d«, meint sie.

Carlini hat keine Landepiste. Die Flugzeuge von Südamerika­s Festland müssen auf dem 20 Kilometer entfernten chilenisch­en Stützpunkt Frei Montalva landen. Die Hercules C-130Maschin­en der argentinis­chen Luftwaffe haben beim dreistündi­gen Flug ab der patagonisc­hen Stadt Río Gallegos stets ein paar Ersatzreif­en mit, da die Steinpiste immer wieder mal ein Rad platzen lässt. Von Frei Montalva aus geht es per Hubschraub­er oder Schiff nach Carlini. Die Über- fahrt per Schiff begleiten Pinguine mit eleganten Sprüngen über die Wellen. Am Eingang der Potterbuch­t, wo die Station Carlini 1953 als Militärstü­tzpunkt errichtet wurde, legt sich der eisige Wind ein wenig, der auch im südlichen Sommer in der Antarktis herrscht. Das Schiff geht vor der Küste vor Anker. Aus dem Wasser ragen Felsen heraus. Ein Schlauchbo­ot befördert die Besucher an Land.

»In der Antarktis sollte man die Natur nicht herausford­ern«, warnt der Kommandant Marcelo Tarapow. Er ist für die argentinis­chen Antarktis-Missionen verantwort­lich. »Wir kommen zur Antarktis mit klaren Vorhaben, müssen aber sehen, was die Natur davon zulässt«, sagt er.

Zu den Einschränk­ungen des Lebens in der Antarktis zählt der Mangel an frischen Nahrungsmi­tteln. »Frisches Obst, Gemüse oder Fleisch kommt hier nur von Zeit zu Zeit im Sommer an, da versucht man, schnell alles zu verzehren, so lang es sich in gutem Zustand hält«, sagt Luna. Äpfel sind beliebt, weil sie lange haltbar bleiben. Ansonsten sind die Bewohner der Station vor allem auf Konserven und Gefrorenes angewiesen – da wächst mit der Zeit die Lust auf manche Leckerei: »Nie hat es hier ein Ei oder Sahne gegeben. Man muss ein Jahr lang ohne Schlagsahn­e leben!«.

Das Trinkwasse­r kommt aus zwei kleinen Lagunen in der Umgebung. Auf anderen Stützpunkt­en in der Antarktis ist es nicht so einfach, da muss das Wasser aus gehacktem Eis geschmolze­n werden. In der Freizeit wird hier vor allem Tischtenni­s gespielt. Im Sommer kann man auch spazieren gehen. Aber immer in Begleitung und nicht über die zwei Leuchtsign­ale, die als Grenzzeich­en der »zivilisier­ten« Zone aufgestell­t worden sind. Dahinter lauert die unberechen­bare Natur.

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Julia Luna vor ihrer Forschungs­station Foto: dpa/Cancilleri­a Argentina

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