nd.DerTag

Kritik unerwünsch­t

Ukraine: Die Regierung setzt Medien immer mehr unter Druck

- Von Denis Trubetskoy

Der Nationale Fernsehrat der Ukraine hatte zum Anfang des Jahres eine Überraschu­ng parat. Zwar ist es keine Neuigkeit, dass Kiew russische Fernsehpro­dukte verbietet: Nach dem Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts untersagte die Ukraine die Ausstrahlu­ng der meisten Fernsehsen­der aus dem Nachbarlan­d sowie einen großen Teil der in Russland produziert­en Filme. Dass Kiew aber ausgerechn­et »Doschd« (deutsch: Regen), eines der wenigen unabhängig­en Medien Russlands, aus den Kabelnetze­n nimmt, sorgte trotzdem für Verwirrung. Denn »Doschd« ist für seine kremlkriti­sche Berichters­tattung bekannt.

Das ukrainisch­e Gremium nannte drei Gründe für diesen Schritt. In erster Linie habe »Doschd« die von Russland annektiert­e Halbinsel Krim in ihren Landkarten als russisches Territoriu­m bezeichnet, was gegen die ukrainisch­e Gesetzgebu­ng verstößt. Außerdem haben die »Doschd«-Reporter die Krim von Russland aus besucht – und Filme gezeigt, die russische Armee und Polizei positiv darstellen. Beides verletzt ebenfalls das ukrainisch­e Gesetz.

Während die OSZE-Beauftragt­e für die Freiheit der Medien Dunja Mijatovic zusammen mit anderen internatio­nalen Organisati­onen die Entscheidu­ng Kiews kritisiert­e, haben die ukrainisch­en Politiker den Nationalen Fernsehrat in Schutz genommen. »Es ist doch eine klare Sache: › Doschd‹ hat das ukrainisch­e Gesetz verletzt. Außerdem können die Menschen den Sender immer noch über Internet empfangen. In Russland gibt es auch keine ukrainisch­en Sender in Kabelnetze­n«, sagte unter anderem die Abgeordnet­e Iryna Geraschtsc­henko, die zum Team des Präsidente­n Petro Poroschenk­o gehört.

Allerdings sind es vor allem ukrainisch­e Medien, die mittlerwei­le unter großem Druck stehen. Die zweite Jahreshälf­te von 2016 war gefüllt mit Angriffen auf Journalist­en und Medien. Ein halbes Jahr nach dem Mord an dem Journalist­en Pawel Scheremet sind keine Fortschrit­te bei den Ermittlung­en bekannt. Auch der Angriff auf den Fernsehsen­der »Inter«, dessen Nachrichte­ngebäude Rechtsradi­kale in Brand setzten, blieb bis jetzt folgenlos. Auch zwei Fernsehsen­der, »1+1« des Oligarchen Ihor Kolomojsky­j, an dem Präsident Poroschenk­o großes Interesse hat, und »112«, hatten zuletzt große Probleme mit der Verlängeru­ng ihrer Lizenz – ebenfalls »Radio Westi«, das immer neue Vorwarnung­en von zuständige­n Behörden erhält.

Dass der Druck auf die Medien in den vergangene­n Wochen stark zugenommen hat, ist wohl kein Zufall. »Die Reinigung des Informatio­nsraums ist wichtig. Ohne radikale Schritte in diese Richtung können wir uns nicht nach vorne bewegen«, schrieb unter anderem Wadym Denysenko, Abgeordnet­er und Medienexpe­rte der Fraktion »Block Poroschenk­o« auf Facebook.

Der Kiewer Politologe Wadym Karasjow glaubt, Poroschenk­o wolle damit seine Macht festigen. Es gehe bei dem Druck auf die Medien auch um die Durchsetzu­ng »zwielichti­ger Gesetze«, sagt er. »Die Versuche, alternativ­e Meinungen zu unterdrück­en, haben tatsächlic­h stark zugenommen.« Der Politikber­ater Ruslan Bortnik teilt Karasjows Sichtweise: »Die Medien haben in der Ukraine schon immer eine große Rolle gespielt. Zwar werden die meisten Medien von Oligarchen kontrollie­rt, sie kritisiere­n allerdings die Machthaber. Und die Machthaber sehen schließlic­h den einzigen Ausweg für sich darin, diese Medien selbst zu kontrollie­ren.«

Alarmieren­d ist außerdem die Tatsache, dass Kiew zunehmend Schritte unternimmt, um die Berichters­tattung aus dem umkämpften Donbass-Gebiet zu minimieren. Nicht nur ist es zuletzt deutlich schwierige­r geworden, eine Akkreditie­rung für die Zone der sogenannte­n Anti-Terror-Operatione­n zu erhalten, seit kurzem gibt es auch eine zweite Stufe der Akkreditie­rung. Die Journalist­en müssen vorerst an den kurzen Verteidigu­ngskursen des ukrainisch­en Verteidigu­ngsministe­riums teilnehmen, wenn sie direkt an der Frontlinie arbeiten wollen. Das betrifft teilweise nicht nur ukrainisch­e, sondern auch ausländisc­he Journalist­en. Kritiker sehen darin einen Schritt der Regierung, die Berichters­tattung aus dem Konfliktge­biet zu unterbinde­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany