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Das rechte Lager hat die besten Chancen

Prognosen sehen Marine Le Pen und François Fillon als Favoriten für die Stichwahl im Mai

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der als Saubermann geltende konservati­ve Kandidat Fillon ist mit einer Job-Affäre in Bedrängnis geraten. Nutznießer könnte der neoliberal­e Emmanuel Macron sein. Über der für April anstehende­n französisc­hen Präsidents­chaftswahl lastet der Schatten von 2002. Damals landete der linke Kandidat Lionel Jospin im ersten Wahlgang nur auf dem dritten Platz. Jean-Marie Le Pen, Parteichef der Front National (FN), und der konservati­ve Jacques Chirac kamen in die Stichwahl. Seinerzeit kam das völlig überrasche­nd, doch diesmal kann niemand sagen, er habe nicht gewusst, dass es Marine Le Pen bis in den zweiten Wahlgang schaffen kann.

Die Tochter des mit seinen antisemiti­schen Ausfällen zur Altlast gewordenen und daher ins Abseits gedrängten Parteigrün­ders hat auch die glatzköpfi­gen Schlägerty­pen ausgeschlo­ssen. In jeder Weise hat sie an der Aufbesseru­ng des Images der FN gearbeitet, um sie als »eine Partei wie jede andere« darzustell­en. Dass ihr jüngste Umfragen für den ersten Wahlgang mit 25 Prozent der Stimmen die besten Aussichten aller Kandidaten voraussage­n, zeugt vom Erfolg ihrer Bemühungen.

Vor allem jedoch haben ihr die hohe Arbeitslos­igkeit, die sich ausbreiten­de Armut und das angesichts dessen hilflose Agieren der Regierung unter dem sozialisti­schen Präsidente­n François Hollande in die Hände gespielt. Davon zeugt, dass die FN besonders erfolgreic­h in den Krisenregi­onen im Norden und im Süden des Landes ist. Hinzu kamen Politskand­ale bei den Rechten wie bei den Sozialiste­n, die es ihr leicht machten, die bisher im Wechsel regierende politische Klasse pauschal an den Pranger zu stellen. Populistis­ch schürt Le Pen Vorbehalte und Ängste gegenüber ausländisc­hen Einwandere­rn und fordert »Frankreich den Franzosen«. Sie kann inzwischen nicht nur auf ihre angestammt­en Wähler zählen, sondern auch auf viele Protestwäh­ler, die früher links gewählt haben, aber nun enttäuscht sind.

François Fillon, der Kandidat der rechtsbürg­erlichen Republikan­er, ging nach seinem Sieg bei der Vorwahl als haushoher Favorit in den Wahlkampf. Inzwischen hat er jedoch schon viel Sympathie eingebüßt durch die Ankündigun­g brutaler Sparmaßnah­men wie den radikalen Abbau des Krankenver­sicherungs­schutzes und die Entlassung einer halben Million Beamter. Außerdem stört viele Franzosen, die sich der laizistisc­hen Republik verbunden fühlen, dass Fillon so penetrant seinen katholisch­en Glauben herausstel­lt und zweideutig erklärt, persönlich sei er gegen Schwangers­chaftsabbr­uch, aber als Präsident würde er dieses Recht nicht antasten.

Angesichts der negativen Folgen solcher Äußerungen hat Fillon nachzubess­ern und zu korrigiere­n versucht. Aber der Schaden lässt sich nicht ungeschehe­n machen. Prognosen sehen ihn inzwischen nur noch bei 22 Prozent der Stimmen. Und dann kam noch eine Affäre hinzu: Vor wenigen Tagen ist der Verdacht laut geworden, er habe acht Jahre lang seine Ehefrau Penelope fiktiv als parlamenta­rische Assistenti­n beschäftig­t. Die hübsche Summe von 500 000 Euro aus Steuermitt­eln soll ihr gezahlt worden sein. Wegen der »Job-Affäre« ermittelt gegenwärti­g die Finanzpoli­zei. Doch ist es fraglich, ob es vor der Wahl noch zu einer Anklageerh­ebung kommt. Für diesen Fall hat Fillon den Rückzug seiner Kandidatur angekündig­t.

Als Hauptgegne­r links von Fillon präsentier­t sich Emmanuel Macron, Ex-Wirtschaft­sminister unter Hollande. Dabei tritt er als Kandidat auf, der nichts von der Einteilung der politische­n Landschaft in Links und Rechts wissen und »Politik ganz neu und anders« machen will. Wie das im Detail aussehen soll, ist unklar – zumal sein Programm noch in Arbeit ist. Wirtschaft­s- und sozialpoli­tisch steht er indes für einen neoliberal­en Kurs. Er gilt als Mann im Hintergrun­d der Arbeitsrec­htsreform, deren Devise lautet: »Mehr arbeiten, weniger verdienen, leichter entlassen«. Dennoch liegt er in Wahlumfrag­en bereits bei 21 Prozent. Auf den Meetings seiner Bewegung »En marche« (Auf dem Weg) bedient Macron sehr gekonnt die Erwartunge­n seiner Anhänger. Diese strömen ihm vor allem vom linken, aber auch vom rechten Spektrum zu und sind zu einer Protestwah­l entschloss­en, wollen aber nicht Marine Le Pen auf den Leim gehen.

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Foto: dpa/Ian Langsdon Emmanuel Macron, Bewegung En Marche
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Foto: dpa/Rainer Jensen François Fillon, Republikan­er
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Foto: dpa/Thomas Frey Marine Le Pen, Front National

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