Gefechte um Awdijiwka
Der Krieg im Donbass erlebt seine erste große Eskalation im neuen Jahr. Seit Sonntag befindet sich Awdijiwka, eine kleine Industriestadt sechs Kilometer von Donezk entfernt, unter schwerem Beschuss. Angeblich haben prorussische Separatisten versucht, die ukrainische Armee die Awdijiwka kontrolliert, von ihren Positionen zu verdrängen. Mindestens sieben ukrainische Soldaten sind am Sonntag und Montag ums Leben gekommen, auch die Separatisten meldeten Tote und Verletzte.
Während der Kämpfe wurden die Stromleitungen von Awdijiwka beschädigt. So ist die Stadt mit derzeit rund 25 000 Bewohnern ohne Strom, Trinkwasser und fast völlig ohne Heizung. Außerdem ist die Awdijiwka-Kokerei, die dem ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow gehört, wegen des Stromausfalls zum ersten Mal seit Beginn des Krieges außer Betrieb. Die Kokerei ist nicht nur der größte Arbeitgeber der Kleinstadt, sondern fast allein für die Heizung von Awdijiwka verantwortlich.
»Wir versuchen mit allen Kräften, den Betrieb aufrecht zu erhalten«, sagt Musa Magomedow, Direktor der Kokerei. »In der Nacht haben wir versucht, die Stadt so gut wie möglich zu heizen. Morgen bekommen wir auch Erdgas. Wir hoffen, das reicht irgendwie.« Bei Temperaturen um 20 Grad Frost ist die Gefahr groß, dass die Kokerei ihre Arbeit komplett einstellen muss. »Dann wird es unmöglich, den Betrieb wieder herzustellen. Bei diesen Temperaturen können wir die Kokerei für immer verlieren.«
Seit der Nacht von Montag auf Dienstag befindet sich Awdijiwka offiziell im Ausnahmezustand. Die ukrainischen Behörden versuchen, die Stadt mit mobilen Generatoren zu heizen, die Evakuierung der Bevölkerung wurde vorbereitet. Das von Kiew kontrollierte Kramatorsk und weitere Städte sollen bereit sein, 12 000 Menschen aufzunehmen. Allerdings gingen die Kämpfe am Dienstag trotz kurzfristiger Waffenruhen weiter.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte am Dienstag seinen Deutschlandbesuch wegen der schweren Lage in Awdijiwka abgebrochen. In Kiew wird spekuliert, dass der Angriff der Separatisten gezielt während der Visite in Berlin erfolgte. »Immer geht es nach dem gleichen Szenario: Wenn wichtige Verhandlungen bevorstehen, wird im Donbass angegriffen«, sagte Iryna Geraschtschenko, außenpolitische Sprecherin der Regierungsfraktion Block Poroschenko.
Moskau weist Kiew die Schuld zu: »Wir haben überprüfte Informationen, dass einige Freiwilligenbataillone am Montag versucht haben, die Territorien der Volksrepubliken anzugreifen«, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag. »Diese Bataillone haben die Konfrontationslinie übertroffen. Die Rebellen waren also dazu gezwungen, eine Antwort zu geben. Es tut uns leid, dass im Endeffekt Leute von beiden Seiten ums Leben kamen.«
Seit Awdijiwka bereits 2014 von der ukrainischen Armee zurückerobert wurde, befindet es sich vor allem seit Frühjahr 2016 wegen seiner strategischen Lage im Zentrum schwerer Kämpfe.