Schmutzige Wäsche und warme Semmeln
In der AfD regiert das Chaos – in Bund, Ländern und Kommunen. Doch ihren Umfragewerten schadet das bisher nicht
Die jüngste Nachricht aus Baden-Württemberg: Man wird zur Aufstellung der Landesliste drei Termine brauchen – wegen des enormen Andrangs.
Gespaltene Lokalfraktionen, Vorstandswahlen vor Gericht, Gepöbel und Missgunst allerorten: Der andauernde Höhenflug der AfD setzt alte Gewissheiten des parteipolitischen Betriebs außer Kraft. »Die AfD Niedersachsen ist mittlerweile ein Scherbenhaufen«, so dieser Tage ein gewisser Holger Pieters. Der Mann ist kürzlich als Kreisvorsitzender der Rechtspartei in Ostfriesland zurückgetreten – gemeinsam mit vier weiteren Vorstandsmitgliedern. Denn die Landespartei habe unter ihrem Vorsitzenden Paul Hampel einen »höchst unwürdigen Weg der innerparteilichen Demokratie und politischen Ausrichtung eingeschlagen«, Hampel sei »am Ende«.
Harte Worte. Vordergründig geht es darum, dass Hampel im Dezember 2016 bei dem Verein »Arbeitskreis für deutsche Politik e.V.« auftrat, der beim Verfassungsschutz als Bindeglied zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus gilt. Hampel – als Ex-ARD-Korrespondent journalistisch erfahren – will das nicht gewusst haben. Zu diesem politischen Vorwurf kamen anderweitige Unzufriedenheiten, sodass für den 4. Februar ein Landesparteitag anberaumt wurde. Dort wollten drei Kreisverbände einen Abwahlantrag gegen Hampel stellen. Doch wurde die Veranstaltung überraschend abgesagt: Von den elf Regionalgliederungen, die eine Aussprache wollten, waren plötzlich zwei abgesprungen – laut Landessatzung müssen Parteitage aber von mindestens zehn Verbänden beantragt werden. Was die »Umfaller« motiviert haben könnte, lässt sich erahnen: ein Mix aus Versprechungen, Kalkülen und Drohungen, betreffend nicht zuletzt die eigenen Perspektiven in der Partei.
Die bundesweite Öffentlichkeit hat diese Affäre kaum erreicht. Denn dort stehen derzeit andere, ähnliche Vorgänge im Rampenlicht: Das Gezerre um die Liste für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stiehlt den Niedersachsen die Show – weil die Wahl im größten Bundesland wichtig und mit Marcus Pretzell eines der bekanntesten Gesichter der Partei involviert ist. Und die Vorgänge um eine mögliche Fraktionsspaltung in Sachsen-Anhalt sind wohl »interessanter«, weil Vorwürfe sexuellen Missbrauchs im Raum stehen.
Doch nicht nur in diesen drei Landesverbänden wird intrigiert, dass sich die Balken biegen. Ebenfalls bemerkenswert sind die Vorgänge in Schleswig-Holstein, wo man sich seit Monaten mit Polemiken über »Ma- fiamethoden« überzieht. Am Montag musste sich das Kieler Landgericht mit der schmutzigen Wäsche der AfD befassen: Ex-Landeschef Thomas Thomsen wollte die Unrechtmäßigkeit des gegenwärtigen Vorstands um Jörg Nobis und Bruno Hollnagel feststellen lassen. Zu dem Parteitag im vergangenen Jahr, auf dem die beiden gewählt worden waren, seien viele Mitglieder nicht eingeladen worden. Die Richter befanden, zunächst müsse sich das Parteischiedsgericht damit auseinandersetzen.
In Baden-Württemberg hat sich die AfD-Fraktion über die Affäre um die antisemitischen Thesen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon erst gespalten und dann vereinigt. Im Saarland wollte der Bundesvorstand den ganzen Landesverband auflösen, was scheiterte. In Brandenburg drangen Vorwürfe der sexuellen Belästigung Minderjähriger gegen Landesvize Andreas Kalbitz aus der Partei, die nun geprüft werden; Kalbitz seinerseits geht gegen Unbekannte wegen Verleumdung vor. Der Bundesvorstand streitet über die Beziehung zum Front National. Nicht nur in Flensburg, Halle oder Magdeburg sind die lokalen Fraktionen längst gespalten.
In der AfD herrscht das Chaos auf allen Ebenen. Und doch rangiert sie in Umfragen stabil als bundesweit drittstärkste Kraft: »AfD« geht weiter wie warme Semmeln. Die jüngste Nachricht aus Baden-Württemberg ist die, dass man zur Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl wohl drei Termine anberaumen muss – wegen des enormen Bewerberandrangs.
Die »Piraten« haben sich in solchen Fehden schnell zerlegt; auch der Boom der Linkspartei im Westen stockte vor bald zehn Jahre auf diese Weise. Die AfD hingegen scheint immun: »Ist doch egal, eine andere Alternative zu wählen hat man ja nicht! Mit den etablierten Parteien gibt's doch nur ein ›weiter so wie bisher‹, steht etwa auf der Internetseite des NDR unter dem Bericht über die Querelen in Niedersachsen, gleich als erster Kommentar – und etliche ähnliche folgen. Das ist das Neue an dieser Partei. Wer sie bekämpfen will, muss sich fragen, warum das so ist.