Vor der Spaltung
Schmutzige Affären und Richtungsstreit bei AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt
Elf Monate nach der Landtagswahl droht der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt die Spaltung. Ein Rivale von Landeschef Poggenburg soll geschasst werden. Weitere Abgeordnete könnten folgen. Am 13. März 2016 feierte die AfD in Sachsen-Anhalt einen Triumph. Sie landete bei der Landtagswahl bei 24,3 Prozent und errang 25 Mandate. Ausgerechnet Götz Kubitschek, Vordenker der Neuen Rechten, goss damals indes Wasser in den Wein. Die Dimension des Erfolges, die zu einer »riesigen Fraktion« führe, könne sich noch als Problem erweisen, sagte er und mahnte: »Das Eigentliche beginnt erst jetzt.«
Elf Monate später schicken sich die Abgeordneten an, die düstere Prognose wahr werden zu lassen. Am Freitag trifft sich die Fraktion zu einer Sondersitzung, um über den von der Fraktionsführung um André Poggenburg und den Parlamentarischen Geschäftsführer Robert Farle vorangetriebenen Ausschluss des Abgeordneten Daniel Roi aus Wolfen zu beraten. Gelingt das Unterfangen, droht eine Spaltung. Beobachter gehen davon aus, dass weitere Abgeordnete von Bord gehen, darunter Sarah Sauermann, die Lebensgefährtin von Roi.
Auslöser für das Zerwürfnis ist eine unappetitliche Affäre um ExFraktionsvize Matthias Büttner. Ihm wird von einer im Dezember gekündigten Mitarbeiterin ein sexueller Übergriff vorgeworfen. Dieser soll im November bei einer Dienstreise in Erfurt stattgefunden haben, für die Büttner ein Doppelzimmer gebucht hatte. Die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt nach Informationen der »Mitteldeutschen Zei- tung« inzwischen wegen Vergewaltigung. Büttner bestreitet den Vorwurf. »Ich bin unschuldig«, sagte er am Montag bei einem Pressetermin, bei dem er mit Poggenburg und Farle zum Gegenangriff überging. Sie warfen der Ex-Referentin vor, dieselbe »Masche« schon andernorts praktiziert und zudem Zeugnisse gefälscht zu haben. Büttner hat Anzeige wegen elf verschiedener Delikte erstattet, darunter Betrug und Nötigung.
Roi geriet ins Fadenkreuz, weil er der Ex-Mitarbeiterin interne Dokumente der Fraktion zugespielt und diese damit »hinausposaunt« habe, wie Farle sagt. Roi zweifelt auch Poggenburgs Darstellung an, die Kündigung sei ausschließlich aus fachlichen Gründen erfolgt. Er spricht von »verordneten Wahrheiten« und beklagt, wer diesen nicht zustimme, werde zu »Spaltern der Fraktion deklariert«. Der Fraktions- chef wiederum erklärt, eine weitere Zusammenarbeit sei »schwer vorstellbar«.
Poggenburg hat mit Roi seit längerem eine Rechnung offen. Der 29jährige Wolfener, damals noch Parlamentarischer Geschäftsführer, gehörte im Juni 2016 zu den Initiatoren eines Aufrufs mit dem Titel »Ruf der Vernunft«, der klarstellen sollte, dass die AfD »nach rechts dicht« ist, wie es Roi formulierte. Unter anderem ging es um klare Abgrenzung gegenüber der Identitären Bewegung, die Poggenburg indes stets vermied. Dieser ging aus dem Zwist als Sieger hervor. Im August rügte der Landesvorstand Rois Verhalten, im November wurde er als Parlamentarischer Geschäftsführer abgelöst. Das Votum fiel mit 13 zu 12 Stimmen jedoch äußerst knapp aus. Um Roi aus der Fraktion zu werfen, braucht es jetzt mindestens 17 Stimmen.