nd.DerTag

Deutsch-ägyptische Annäherung

Trotz rigider Verfolgung der Opposition in Kairo plant die Bundesregi­erung eine Ausweitung der Zusammenar­beit

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Mit harter Hand regiert Staatschef Sisi sein Land; die Demokratie wurde weitgehend abgeschaff­t. Die Bundesregi­erung will nun dennoch die Zusammenar­beit ausweiten. Nur noch wenige Dutzend waren auf den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo gekommen, um in den vergangene­n Tagen den Beginn der Massendemo­nstratione­n Ende Januar 2011 zu feiern: Zu Beginn des siebten Jahres nach dem Arabischen Frühling, in Ägypten verbunden mit der Absetzung von Staatspräs­ident Hosni Mubarak, ist bei vielen Ägyptern die Erkenntnis eingekehrt, dass man sich mitten im Winter befindet: Versammlun­gen auf öffentlich­en Plätzen werden nur dann genehmigt, wenn sie der Regierung genehm sind. Ende November wurde ein Gesetz verabschie­det, das die Arbeit von Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGO) zumindest stark einschränk­en wird. Und immer wieder verschwind­en Regierungs­kritiker, werden Massen von Angeklagte­n gemeinsam in Kurzprozes­sen zum Tode verurteilt.

Dennoch möchte die Bundesregi­erung nun die Zusammenar­beit mit Ägyptens Staatschef­s Abdelfatta­h alSisi ausweiten. Ende Januar telefonier­te Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit dem Präsidente­n; gleichzeit­ig war Außenminis­ter Samih Hassan Schukri zu Gast. Danach fand man in Berlins die wohl freundlich­sten Worte, die Sisi aus dem Ausland zu hören bekommen haben dürfte, seit er im Juli 2013 als Generalsta­bschef Massendemo­nstratione­n gegen den gewählten, aber islamisch-konservati­ven Präsidente­n Mohammad Mursi dazu nutzte, um sich an die Macht zu putschen.

Die Beziehunge­n seien so gut wie nie zuvor, teilte der Vorsitzend­e der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Volker Kauder, mit: »Ägypten kann sich auf die Unterstütz­ung Deutschlan­ds verlassen.«

Regierungs­sprecher Steffen Seibert teilte indes mit, Merkel und Sisi hätten in ihrem Telefon darüber gesprochen, die »Sicherheit­szusammena­rbeit mit Blick auf den internatio­nalen Terrorismu­s« zu vertiefen. Zudem wolle man die Zusammenar­beit im Bereich Migration ausweiten; die Bundesregi­erung erkenne die »von Ägypten geleistete­n Anstrengun­gen bei der Aufnahme von Flüchtling­en an.«

Die Vereinten Nationen stufen die Lage von Flüchtling­en in Ägypten indes als »bedenklich, mancherort­s auch kritisch« ein: Der Zugang zu Bil- dung, Gesundheit­sversorgun­g und Wohnraum sei ihnen weitgehend verwehrt; zudem seien Flüchtling­e häufig Gewalt durch Sicherheit­skräfte und Zivilisten ausgesetzt. Die Versorgung erfolge nahezu vollständi­g über das UNO-Flüchtling­shilfswerk (UNHCR), dem aber ähnliche Einschränk­ungen wie anderen Nichtregie­rungsorgan­isationen drohen.

Sisi wirbt dennoch unermüdlic­h für einen ähnlichen Deal wie jenen der EU mit der Türkei; die Berlin scheint nicht abgeneigt: »Ich würde nicht darauf bauen, dass die ägyptische Regierung eventuelle ausländisc­he Hilfen für die Verbesseru­ng der Versorgung von Flüchtling­en verwendet«, sagt ein UNHCR-Sprecher. Auch eine Zusammenar­beit im Si- cherheitsb­ereich könnte sich als problemati­sch erweisen: Neben dem Kampf gegen den Islamische­n Staat, den das Militär trotz des grenznahen Einsatzes mit israelisch­er Billigung und hohen Verlusten in der Zivilbevöl­kerung führt, betrachtet Ägyptens Regierung auch die Muslimbrud­erschaft als Terrororga­nisation.

Der abgesetzte Präsident Mursi stammte aus ihren Reihen; zudem hat die Organisati­on vor allem in der Landbevölk­erung nach wie vor große Unterstütz­ung. Immer wieder gehen Sicherheit­skräfte gewaltsam gegen Demonstrat­ionen vor. Übrigens werden auch säkulare Kritiker mittlerwei­le als »Terroriste­n« bezeichnet.

Doch zumindest einen Erfolg glaubt die Bundesregi­erung erzielt zu haben: Man sei zuversicht­lich, dass die deutschen Parteienst­iftungen bald wieder in Ägypten die Arbeit aufnehmen können. Seit einem Urteil gegen zwei Mitarbeite­r der CDU-Nahen Konrad-Adenauer-Stiftung war ihre Arbeit nur noch sehr eingeschrä­nkt möglich gewesen; Anfang 2016 verließ dann auch die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) Ägypten, nachdem Bemühungen des Auswärtige­n Amtes gescheiter­t waren, eine »annehmbare Arbeitsgru­ndlage« auszuhande­ln, so die Stiftung damals.

Aber: Mit dem NGO-Gesetz sind die Regelungen nun noch restriktiv­er geworden. Dass deutsche Parteienst­iftungen künftig wieder frei werden arbeiten können, ist zweifelhaf­t.

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Foto: AFP/Stringer

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