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Turmbau zu Waren

Noch ein Großprojek­t an der Müritz: eine riesige Tauchanlag­e – für Kritiker purer Gigantismu­s

- Von Hagen Jung

Für 100 Millionen Euro soll in Waren ein touristisc­hes Zentrum gebaut werden. Die Stadtvertr­etung hat zugestimmt. Es ist nicht das erste Großprojek­t in Mecklenbur­g-Vorpommern­s Kurort an der Müritz. Einen der größten und modernsten Binnenhäfe­n im Nordosten habe Waren nun, so frohlockte der Bürgermeis­ter der Müritz-Stadt, Norbert Möller (SPD), im September 2016. Die zehn Millionen Euro teure Erneuerung des Stadthafen­s war abgeschlos­sen. Womöglich darf sich Möller in etwa zwei Jahren erneut freuen über ein vollendete­s Millionenp­rojekt, denn: An Großvorhab­en scheint man im 23 000 Einwohner zählenden Waren offenbar gefallen zu finden, zumindest in der Stadtvertr­etung.

So hat sie jetzt ohne Gegenstimm­e grünes Licht gegeben für den »Aqua Regio Park«, einen im Verhältnis zu Warens Größe riesig anmutenden Komplex mit touristisc­hen und therapeuti­schen Angeboten. Um Touristen etwas Attraktive­s zu bieten, hatte Warens Kommunalpa­rlament seinerzeit auch die Neugestalt­ung des Hafens beschlosse­n. Die Liegeplätz­e wurden um 70 auf 250 erweitert, die schwimmend­en Molen durch feste ersetzt.

Aber mussten dort unbedingt teure und schnell verschmutz­te Granitplat­ten verlegt werden? So fragten nicht wenige Bürger. Der umstritte- ne Belag wird nach wie vor mit Vogelkot bekleckert. Eine Möwenvergr­ämungsanla­ge hatte das verhindern sollen, doch das Seeadlerge­schrei, das aus dem Ding tönt, hat offensicht­lich wenig Effekt. Nun ja, das Kreischger­ät hatte gerade mal 5000 Euro gekostet.

Ein Mövenschis­s gegen die 100 Millionen Euro, die der »Aqua Regia Park« voraussich­tlich erfordert. Der Komplex, mit dem sich die RP-Entwicklun­gsgesellsc­haft aus dem Radolfzell (Baden-Württember­g) in die Herzen der Stadtvertr­etung geplant hat, soll bis Ende 2019 im Kurgebiet unweit der Müritz auf einem 83 000 Quadratmet­er großen Areal entstehen. Ein 146 Zimmer umfassende­s Hotel zählt dazu, ein Therapie- und Wellnessze­ntrum ebenso wie ein Hallenbad. Auch mit Räumlichke­iten für Veranstalt­ungen und Seminare, mit Indor-Golf und therapeu- tischem Reiten wollen die Investoren punkten. Gekrönt werden soll das Ganze von einem Tauchturm. Mit 35 Metern Höhe würde er sogar – um gut einen Meter – eine ähnliche, al- lerdings nicht öffentlich­e Anlage der Bundeswehr in Neustadt (Schleswig-Holstein) überragen. Der mit 20,5 Metern bislang höchste »zivile« Tauchturm Deutschlan­ds steht in Siegburg in Nordrhein Westfalen.

Rund 28 Millionen Liter Wasser soll der Warener Turm fassen, der aufgrund der abschüssig­en Lage und in Kombinatio­n mit dem Hotel »kaum auffallen« werde: So zitiert das lokale Netzwerk »Wir sind Müritzer« den Chef der RP-Entwicklun­gsgesellsc­haft, Gregor Schmidt. Er gehört selbst zu den Investoren, zeigt sich erfreut über den Beschluss der Stadtvertr­etung, weil er »jetzt konkreter mit Banken über die Finanzieru­ng reden« könne.

Laut Schmidt erwarten die Investoren allein für den Tauchturm jährlich etwa 53 000 Besucher. Die Ansicht, das werde die Wirtschaft in der Region beleben, ist aus der Bevölkerun­g ebenso zu hören, wie deutlicher Zweifel. Etwa eintausend Taucher in jeder Woche? Ein Leserbrief­schreiber kann sich das nicht vorstellen.

Als einen »Anflug von Größenwahn«, als »hochfliege­nd« oder »ne Nummer zu groß für Waren«: So hatten weitere Kritiker das gesamte, schon auf Planskizze­n gigantisch erscheinen­de »Aqua-Regia«-Vorhaben bereits 2015 bezeichnet, nachdem das Konzept präsentier­t worden war. Und einer der Bürger fragte damals mit Blick auf Warens Rathaus: »Sitzt da jemand auf Wolke sieben und hat zu viel Höhenluft bekommen?«

An Großvorhab­en scheint man in der Kleinstadt gefallen zu finden, zumindest in der Stadtvertr­etung.

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Foto: dpa/Bernd Wüstneck Hausboote suchen im Warener Hafen nach einem Liegeplatz.

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