nd.DerTag

Türkische Spione liefern die Beweise

Immer wieder werden in Deutschlan­d politische Prozesse gegen türkische und kurdische Linke geführt

- Von Sebastian Weiermann

In der vergangene­n Woche wurde ein kurdischer Aktivist in Düsseldorf zu einer Haftstrafe verurteilt. Bei einem Prozess in München spielt der türkische Geheimdien­st eine wichtige Rolle.

Seit dem vergangene­n Sommer läuft in München ein Prozess gegen zehn Kommuniste­n, die aus der Türkei stammen. Ihnen wird vorgeworfe­n Mitglieder der »Türkischen Kommunisti­schen Partei/Marxisten-Leninisten« (TKP/ML) zu sein. Die Partei ist in der Türkei verboten, gilt dort als Terrororga­nisation. In Deutschlan­d werden angebliche Mitglieder der TKP/ML seit dem Jahr 2006 als Mitglieder einer ausländisc­hen terroristi­schen Vereinigun­g (§129b) verfolgt. Damals hatte die Bundesanwa­ltschaft eine entspreche­nde Verfolgung­sermächtig­ung beim Justizmini­sterium beantragt. Immer wieder gab es in den letzten Jahren Verfahren gegen Einzelpers­on, die der TKP/ML zugeordnet werden. Die Angeklagte­n wurden zu Freiheitss­trafen zwischen zwei und sechs Jahren verurteilt. Der aktuell in München laufende Prozess hat allerdings eine andere Größenordn­ung als vorherige Verfahren. Die zehn Angeklagte­n wurden in der Schweiz, Österreich, Frankreich und Deutschlan­d verhaftet. Schon vor dem Prozessauf­takt im Juli saßen sie über Monate in Untersuchu­ngshaft. Der Verfassung­sschutz schreibt über die TKP/ML übrigens nur, dass sie in Deutschlan­d bei Demonstrat­ionen und Veranstalt­ungen für ihre Ziele werbe. Terror wird mit keinem Wort erwähnt.

Den Münchener Prozess umweht seit Beginn der Verdacht, dass es sich dabei um einen Gefallen für die Regierung Erdogan handelt. Die Indizien, die bei der Bundesanwa­ltschaft gegen die zehn Angeklagte­n vorliegen sind äußerst dünn. Deswegen verlässt man sich auf geheimdien­stliche Informatio­nen aus der Türkei, die höchst wahrschein­lich illegal gesammelt wurden. So gibt es Berichte über Treffen der TKP/ML in Deutschlan­d denen auch Adresslist­en von Mitglieder­n in Deutschlan­d beiliegen. Der Verdacht liegt nahe, dass der türkische Geheimdien­st MIT illegal in Deutschlan­d operierte. Die Bundesanwa­ltschaft bedient sich dieser Informatio­nen aber offenbar gerne.

Erst kürzlich beschäftig­te sich der Innenaussc­huss des Bundestage­s mit dem rechtswidr­igen Vorgehen des MIT in Deutschlan­d. Der Verfassung­sschutz hatte zuvor vor zunehmende­n Aktivitäte­n des MIT gewarnt, der Spione auf in Deutschlan­d lebende Türken und Kurden ansetzt.

Besonders pikant, die Informatio­nen aus der Türkei im Münchener Prozess wurden von Ömer Köse, dem ehemaligen Leiter der Terrorabwe­hr bei der Istanbuler Polizei, an die deutschen Behörden geleitet. Köse sitzt in der Türkei mittlerwei­le in Haft. Ihm werden Beweisfäls­chungen und illegale Überwachun­gen vorgeworfe­n. Beim Prozess verlässt sich Deutschlan­ds höchste Strafverfo­lgungsbehö­rde, die Bundesanwa­ltschaft, also auf äußerst undurchsic­htige Quellen.

Die Verteidigu­ng kämpft mit regelmäßig­en Anträgen dafür, dass die illegal beschaffte­n Beweismitt­el im Prozess nicht zugelassen werden. Zeugen erzählten vor Gericht außer- dem, dass einer der Angeklagte­n, Mehmet Yesilcali, in der JVA gefoltert worden sei, er sei unter anderem geschlagen und gezwungen worden sich gegen seinen Willen zu entkleiden.

Die Bundesanwa­ltschaft sieht in dem Münchener Verfahren vor allem einen Präzendenz­fall um zu klären, ob es sich bei der TKP/ML wirklich um eine Terrorgrup­pe handelt.

Ein wenig anders sieht es bei den Verfahren gegen mutmaßlich­e PKKMitglie­der in Deutschlan­d aus. Hier ermitteln die deutschen Behörden in der Regel selbststän­dig, sie haben eine lange Erfahrung in der Verfolgung politisch aktiver Kurden. Schon 1989 gab es einen Prozess gegen 20 Mitglieder der PKK. Er dauerte mehrere Jahre und führte nur zu vier Verurteilu­ngen. Zugenommen hat die Repression nach dem Verbot der PKK in der Bundesrepu­blik 1993 und noch ein zweites Mal im Jahr 2011. Seit- dem steht die PKK auf der Liste von Organisati­onen, die nach dem Paragrafen 129b verfolgt werden können. Der Paragraf, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführt wurde, ist dabei äußerst schwammig. Die kurdische Rechtshilf­eorganisat­ion »Azadi« kritisiert, dass ein solches Verfahren einer Vorverurte­ilung gleichkomm­e und das die sozialen und politische­n Hintergrün­de von Aktivitäte­n nicht beleuchtet würden. Einzig die Mitgliedsc­haft entscheide­t über eine Verurteilu­ng.

Einer, der jetzt verurteilt wurde ist Ahmet Çelik. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf verurteilt­e ihn in der vergangene­n Woche zu einer drei jährigen Freiheitss­trafe. In den Jahren 2013 und 2014 soll er den »Sektor Mitte« der Partei geleitet haben und für »propagandi­stische, organisato­rische sowie personelle Angelegenh­eiten« im Rheinland und Ruhrgebiet verantwort­lich gewesen sein. Gewalttate­n oder Aufrufe zur Gewalt wurden Çelik nicht vorgeworfe­n. Er selbst sprach in seinem Schlusswor­t davon, seine »Aufgabe als Kurde in der Diaspora wahrgenomm­en« wahrgenomm­en zu haben. Auch in Zukunft will er sich für die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschlan­d und »politische Lösungsweg­e« im Konflikt zwischen Kurden und der Türkei einsetzen. Nun ist der 52-jährige allerdings erst einmal einer von elf Menschen, die in Deutschlan­d wegen der Mitgliedsc­haft in der PKK in Strafoder Untersuchu­ngshaft sitzen.

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