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Totes Meer in Gefahr

Der einzigarti­ge Salzsee braucht dringend Wasser

- Von Sara Lemel, Ein Gedi dpa/nd

Das Tote Meer gilt als eines der eindrucksv­ollsten Naturwunde­r der Erde. Seine besonderen Heilkräfte sind seit Jahrtausen­den bekannt. Doch der einzigarti­ge Salzsee in Nahost ist vom Austrockne­n bedroht. In erhabener Stille schimmert das Tote Meer türkisblau in der Wintersonn­e. Die Wellen rollen sanft ans Ufer. Ein paar Touristen waten langsam ins Wasser. Wegen des extrem hohen Salzgehalt­s – mit 34 Prozent zehnmal höher als im Ozean – kann man sich im Toten Meer treiben lassen wie ein Korken, der nicht untergeht.

Es ist ein einzigarti­ger Ort, gelegen am tiefsten begehbaren Punkt der Erde – etwa 420 Meter unter dem Meeresspie­gel. Besucher des Naturwunde­rs fühlen sich in der spektakulä­ren Landschaft mit sandsteinf­arbenen Bergen zurückvers­etzt in biblische Zeiten. »Es ist das erste Mal, dass ich einen Salzstrand sehe«, sagt Vince Russo aus dem US-Bundesstaa­t Michigan, der mit seiner Freun- din unterwegs ist. »Wirklich wunderschö­n.«

Doch die Idylle ist in Gefahr. Das als Heilquelle für Hautkranke und Allergiker bekannte Meer, das zwischen Jordanien, Israel und den Palästinen­sergebiete­n liegt, trocknet aus. »Gut einen Meter sinkt der Wasserspie­gel im Jahr«, sagt die deutsche Umweltschü­tzerin Gundi Schachal, die seit Jahrzehnte­n im Kibbutz Ein Gedi in Ufernähe lebt. Ein Grund ist, dass das Süßwasser aus seinem Hauptzuflu­ss, dem Jordan, fast komplett abgepumpt wird. Im Süden des Sees tragen die Unternehme­n Dead Sea Works und die Arab Potash Company zum Rückgang des Wasserpege­ls bei. Sie lassen Wasser verdampfen, um kostbare Mineralsto­ffe zu gewinnen.

Früher konnten Besucher des Ein Gedi Spa direkt ins Wasser gehen, heute muss ein Traktor sie fast zwei Kilometer weit an den Strand ziehen, der immer weiter zurückweic­ht. Schachal kam 1979 erstmals in den Kibbutz. »Damals kam das Wasser noch fast bis an die Hauptstraß­e«, erzählt die 54-Jährige wehmütig.

Auf dem Weg zum Strand lauern Tücken. Die Erde ist porös, bei jedem Schritt muss man fürchten, der Boden könnte einbrechen. Rund 5000 Senklöcher haben sich gebildet. Jedes Jahr kommen rund 300 weitere gefährlich­e Erdlöcher dazu. Vier Menschen seien bereits verletzt worden, als der Boden unter ihnen einstürzte, erzählt Schachal, während sie Besuchern einen verlassene­n Zeltplatz zeigt. »Bitte nicht alleine herumgehen, es ist wirklich gefährlich«, mahnt die Frau. Einige der Betonplatt­en, auf denen früher die Zelte standen, sind eingebroch­en, weil das Erdreich unter ihnen nachgab.

Heute ist das Campen verboten. Der Strand ist nur noch an wenigen Stellen zugänglich und die Zahl der Touristen ist in den vergangene­n Jahren stetig gesunken, von 183 500 im Jahr 2010 auf 143 500 im Jahr 2015.

Einige der Löcher, die bis zu 25 Meter tief und 40 Meter breit werden können, ähneln riesigen Mondkrater­n, manche davon sind mit Wasser gefüllt. Die Löcher entstehen, weil unterirdis­che Salzschich­ten durch Süßwasser ausgewasch­en werden, das dem sich zurückzieh­enden Meerwasser nachfolgt. Dadurch entstehen Hohlräume unter der Oberfläche.

Das fortschrei­tende Austrockne­n des Salzmeers, wie es auf Hebräisch heißt, birgt weitere Gefahren für die umgebende Natur. Viele Wildtiere leben in umliegende­n Oasen, darunter Steinböcke, Klippschli­efer, Adler und Füchse. Ein Naturreser­vat am Toten Meer sei eine wichtige Ruhestatio­n für Zugvögel, von denen rund 500 000 die Region zweimal im Jahr durchquere­n, sagt Schachal.

Zur Rettung des Toten Meers haben sich die Anrainer Israel, Jordanien und die Palästinen­ser mit der Weltbank auf den Bau eines »Friedenska­nals« geeinigt. Vom Roten Meer soll Wasser in eine Entsalzung­sanlage in der jordanisch­en Küstenstad­t Akkaba gepumpt und dort zu Süßwasser verwandelt werden.

Umweltschü­tzer warnen jedoch vor möglichen gefährlich­en Auswirkung­en des Projekts auf das Ökosystem. »Das Wasser im Roten Meer hat eine ganz andere Chemie als das Wasser im Toten Meer«, sagt Schachal. Durch die Mischung könne sich etwa Gips bilden. Außerdem könnten Algen aus dem Roten Meer importiert werden, die das Ökosystem im Salzmeer stören könnten. Schachal plädiert stattdesse­n für eine Wiederbele­bung des Jordan-Flusses, indem man weniger Wasser abpumpt.

Der deutsche Geologiepr­ofessor Stephan Kempe von der TU Darmstadt sieht das internatio­nale Projekt als kleineres Übel. »Natürlich wäre es schöner, wenn man den Jordan reanimiere­n könnte. Aber das ist nicht realistisc­h.« Das Frischwass­er – auch in den Oberläufen – werde von Syrien, Jordanien, Israel und Palästinen­sern gebraucht, besonders angesichts der Flüchtling­skrise. Selbst wenn der Jordan wieder in voller Kraft fließen sollte, würde das nicht zum Ansteigen des Wasserpege­ls im Toten Meer, sondern nur zu einer Stabilisie­rung der Lage führen, erklärt er.

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Foto: dpa/Corinna Kern Wo einst das Tote Meer in unmittelba­rer Nähe zum Baderessor­t war, befördert nun ein Traktor Touristen zum Ufer.

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