nd.DerTag

Gerechtigk­eit für Katharina Hanen

Jan Vahlenkamp will die Hamburger Opfer der Hexenverfo­lgung rehabiliti­eren

- Von Volker Stahl, Hamburg

In Hamburg fielen mindestens 40 Frauen und Männer dem Hexenwahn zum Opfer. Als Jan Vahlenkamp, der sich selbst lange als Außenseite­r fühlte, auf die Berichte stieß, verfasste er eine Petition. Das Engagement für zu Unrecht verfolgte oder diskrimini­erte Minderheit­en ist Jan Vahlenkamp in die Wiege gelegt worden: Sein Vater Werner leistete als Landeshist­oriker Pionierarb­eit bei der Aufarbeitu­ng der Geschichte des Judentums im Oldenburge­r Land. Jan erkrankte im Alter von sechs Jahren an Alopecia Areata, kreisrunde­m Haarausfal­l, und fühlte sich lange als Außenseite­r.

»Das ist nicht freiwillig«, sagt Jan Vahlenkamp, als er zu Beginn des Gesprächs in einem Café seine Mütze hochzieht. Als Folge der Autoimmune­rkrankung entzünden sich die Haarwurzel­n und behindern oder unterbinde­n das Haarwachst­um. Mit seinem Handicap hat er sich mittlerwei­le arrangiert, die Sensibilit­ät für andere Menschen, die es viel härter getroffen hat, ist geblieben.

Schon früh engagierte sich der heute 34-Jährige in der Politik. 2002 zog er als jüngster Ratsherr in den Oldenburge­r Stadtrat ein, damals noch für die SPD. Während seines Studiums der Politologi­e war er Mitglied im Studentenp­arlament, später gehörte er zwei Jahre dem Landesvors­tand der Hamburger LINKEN an. Nach dem Abschluss seines Studiums war Vahlenkamp ein Jahr beschäftig­ungslos, heute arbeitet er als Anhörer in der Hamburger Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e.

Bei der Beschäftig­ung mit der Hamburger Stadtgesch­ichte fiel ihm auf, dass in der Hansestadt mindestens 40 Frauen und Männer dem Hexenwahn des späten Mittelalte­rs und der frühen Neuzeit zum Opfer ge- fallen sind. Im Gegensatz zu rund 50 anderen Kommunen deutschlan­dweit hat Hamburg aber bislang auf eine Rehabiliti­erung der zwischen dem Jahr 1444 und 1642 Hingericht­eten verzichtet. »Katharina Hanen war die Erste, die hier des Hexenzaube­rs angeklagt und verbrannt wurde«, sagt Vahlenkamp, der nach seinem Fund eine Petition im Internet mit dem Ziel startete, dass sich die Menschen mit dem blutigen Erbe beschäftig­en. 301 Personen unterzeich­neten die Eingabe, die Vahlenkamp anschließe­nd an die Bezirksämt­er verschickt­e.

Die Initiative zeigt erste Wirkung. Im Bezirk Wandsbek ist derzeit im Gespräch, eine Straße im Neubaugebi­et nach Katharina Hanen zu benennen. In Altona befasst sich der Kulturauss­chuss wohlwollen­d mit dem Thema und das Bezirksamt Mitte hat bereits beim Staatsarch­iv angefragt, um nähere Informatio­nen zu den Hexenverfo­lgungen zu bekommen. »Der Scheiterha­ufen, auf dem Hanen verbrannt wurde, befand sich auf dem Platz ›Berg‹ in der Altstadt südwestlic­h der St.-Petri-Kirche«, hat Vahlenkamp mittlerwei­le herausgefu­nden. »Das war früher ein zentraler Versammlun­gsort, der aus dem Bewusstsei­n der Hamburger verschwund­en ist.« Der Hinrichtun­gsort lässt sich mit alten Kämmereire­chnungen rekonstrui­eren. Darin ist vermerkt, dass dem »Büttel« die Kosten für das Brennholz erstattet worden waren. Heute befindet sich dort der HSV-Store.

Wer glaubt, das Thema Hexen sei ein rein historisch­es, der täusche sich, betont Jan Vahlenkamp: »In Afrika und Indien werden noch heute sogenannte Hexen verbrannt, in den USA schüren Satanisten eine kollektive Hysterie.« In Europa werde aktuell von einigen dem »Flüchtling« die Funktion des Sündenbock­s zugeschrie­ben, der als Ventil für Ängste und Irrational­es herhalten müsse: »Dann wird eben ein Flüchtling­sheim angezündet, obwohl von dort keine Bedrohung ausgeht.«

Wer glaubt, das Thema Hexen sei ein rein historisch­es, der täusche sich, betont Jan Vahlenkamp.

 ?? Foto:: Volker Stahl ??
Foto:: Volker Stahl

Newspapers in German

Newspapers from Germany