nd.DerTag

Bürgerkrie­g statt Klimaschut­z

- Wolfgang Pomrehn über den internatio­nalen Kampf der Rechten gegen seit langem etablierte wissenscha­ftliche Erkenntnis­se

Der rechte Flügel der Konservati­ven, Ultrarelig­iöse und Rechtsradi­kale haben ein Problem mit der Wissenscha­ft. Das scheint über alle Grenzen von Ländern und Glaubensbe­kenntnisse­n hinweg eine verbindend­e Gemeinsamk­eit zu sein. Sie zeigte sich zuletzt etwa an den Anstrengun­gen der türkischen Regierungs­partei AKP, die Erkenntnis­se über die Evolution der Arten aus den Lehrplänen zu verbannen – eine Politik, die bei US-amerikanis­chen Evangelika­len, aber auch hierzuland­e sehr beliebt ist. So war zu Beginn des Jahrtausen­ds mit Karin Wolff (CDU) eine bekennende Gegnerin der wissenscha­ftlichen Evolutions­theorie hessische Kultusmini­sterin.

Doch warum führt ein Teil der Konservati­ven in Nordamerik­a, Europa und mitunter auch im Nahen Osten – dort meist unter islamische­m statt christlich­em Vorzeichen – im Gleichklan­g mit der äußersten Rechten diesen hartnäckig­en Kampf gegen seit langem etablierte wissenscha­ftliche Erkenntnis­se?

Bei der Evolutions­theorie ist die Erklärung im Ringen um die kulturelle Hegemonie zu suchen. Beim Kampf gegen die Klimawisse­nschaften – ein anderes beliebtes Thema sowohl des neuen US-Präsidente­n, der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) wie auch des wahabitisc­hen Königshaus­es in Saudi-Arabien – liegen die ökonomisch­en Interessen hingegen offen zu Tage. Die massive und meist ziemlich abstruse Propaganda, mit der die wachsenden Risiken des Klimawande­ls und das darüber vorhandene Wissen geleugnet werden, soll vor allem von den Ursachen ablenken, nämlich vom durch Verbrennen von Kohle und Erdölprodu­kten freigesetz­ten Kohlendiox­id. Will man diese Emissionen vermeiden, muss aus den fossilen Energieträ­gern ausgestieg­en werden. Doch damit wäre das Geschäftsm­odell Saudi-Arabiens, der US-amerikanis­chen Ölkonzerne wie auch das der deutschen Automobili­ndustrie und das Erdgas- und Braunkohle­geschäft hiesiger Energiekon­zerne bedroht.

Das ist der praktische Grund für den Maulkorb, den Donald Trump nun den bei Bundesbehö­rden beschäftig­ten Wissenscha­ftlern umhängen will. Auch einige von Trumps Personalie­n lassen sich leicht mit ökonomisch­en Interessen erklären. So wird der für seine antiwissen­schaftlich­en Positionen bekannte Bundesanwa­lt Scott Pruitt neuer Chef der US-Umweltbehö­rde EPA. Er hat sich zudem mit einer Reihe von industrief­reundliche­n Klagen gegen jene Behörde einen Namen gemacht, deren Leitung er nun übernimmt. Und auch Trumps Außenminis­ter Rex Tillerson kommt direkt aus der Chefetage von ExxonMobil.

Allerdings gibt es neben diesen ökonomisch­en auch noch wichtige ideologisc­he Aspekte der rechten Wissenscha­ftsfeindli­chkeit. In vielen rechten Milieus, seien sie ultrarelig­iös oder extrem nationalis­tisch, haben sich Weltanscha­uungen herausgebi­ldet, die sich jeder rationalen Auseinande­rsetzung verschließ­en. Exemplaris­ch veranschau­licht wird das im AfD-Programm, das ein Ende des Klimaschut­zes und eine Verlängeru­ng der AKW-Laufzeiten fordert sowie die gesetzlich garantiert­en Einspeisev­ergütungen für den Strom aus Windkraft und Solaranlag­en in Frage stellt. Nachdem die vergangene­n drei Jahre im globalen Maßstab jeweils neue Temperatur­rekorde aufgestell­t haben, heißt es im Grundsatzp­rogramm der Ultra-Nationalis­ten (im Internet im Juni 2016 veröffentl­icht): »Seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunder­ts gibt es jedoch im Widerspruc­h zu den IPCC-Prognosen keinen weiteren (Temperatur-)Anstieg«. Die Methode ist ganz ähnlich wie bei den Ultrarelig­iösen: Man erfindet sich seine eigene Realität und bekämpft alle, die diesem Glauben rationale Erkenntnis entgegnen. Hasstirade­n und persönlich­e Angriffe ersetzen dabei für gewöhnlich das sachliche Argument.

Das Problem: Ein demokratis­cher Diskurs ist auf dieser Ebene unmöglich. Gelangen die Exponenten derartiger Ideologien zu Einfluss, so ist die (weitere) Polarisier­ung der Gesellscha­ft die unvermeidl­iche Folge – und am Horizont erscheint das Gespenst des Bürgerkrie­ges.

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Foto: Peter Hundley Wolfgang Pomrehn ist Geophysike­r und freier Journalist.

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