Bürgerkrieg statt Klimaschutz
Der rechte Flügel der Konservativen, Ultrareligiöse und Rechtsradikale haben ein Problem mit der Wissenschaft. Das scheint über alle Grenzen von Ländern und Glaubensbekenntnissen hinweg eine verbindende Gemeinsamkeit zu sein. Sie zeigte sich zuletzt etwa an den Anstrengungen der türkischen Regierungspartei AKP, die Erkenntnisse über die Evolution der Arten aus den Lehrplänen zu verbannen – eine Politik, die bei US-amerikanischen Evangelikalen, aber auch hierzulande sehr beliebt ist. So war zu Beginn des Jahrtausends mit Karin Wolff (CDU) eine bekennende Gegnerin der wissenschaftlichen Evolutionstheorie hessische Kultusministerin.
Doch warum führt ein Teil der Konservativen in Nordamerika, Europa und mitunter auch im Nahen Osten – dort meist unter islamischem statt christlichem Vorzeichen – im Gleichklang mit der äußersten Rechten diesen hartnäckigen Kampf gegen seit langem etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse?
Bei der Evolutionstheorie ist die Erklärung im Ringen um die kulturelle Hegemonie zu suchen. Beim Kampf gegen die Klimawissenschaften – ein anderes beliebtes Thema sowohl des neuen US-Präsidenten, der Alternative für Deutschland (AfD) wie auch des wahabitischen Königshauses in Saudi-Arabien – liegen die ökonomischen Interessen hingegen offen zu Tage. Die massive und meist ziemlich abstruse Propaganda, mit der die wachsenden Risiken des Klimawandels und das darüber vorhandene Wissen geleugnet werden, soll vor allem von den Ursachen ablenken, nämlich vom durch Verbrennen von Kohle und Erdölprodukten freigesetzten Kohlendioxid. Will man diese Emissionen vermeiden, muss aus den fossilen Energieträgern ausgestiegen werden. Doch damit wäre das Geschäftsmodell Saudi-Arabiens, der US-amerikanischen Ölkonzerne wie auch das der deutschen Automobilindustrie und das Erdgas- und Braunkohlegeschäft hiesiger Energiekonzerne bedroht.
Das ist der praktische Grund für den Maulkorb, den Donald Trump nun den bei Bundesbehörden beschäftigten Wissenschaftlern umhängen will. Auch einige von Trumps Personalien lassen sich leicht mit ökonomischen Interessen erklären. So wird der für seine antiwissenschaftlichen Positionen bekannte Bundesanwalt Scott Pruitt neuer Chef der US-Umweltbehörde EPA. Er hat sich zudem mit einer Reihe von industriefreundlichen Klagen gegen jene Behörde einen Namen gemacht, deren Leitung er nun übernimmt. Und auch Trumps Außenminister Rex Tillerson kommt direkt aus der Chefetage von ExxonMobil.
Allerdings gibt es neben diesen ökonomischen auch noch wichtige ideologische Aspekte der rechten Wissenschaftsfeindlichkeit. In vielen rechten Milieus, seien sie ultrareligiös oder extrem nationalistisch, haben sich Weltanschauungen herausgebildet, die sich jeder rationalen Auseinandersetzung verschließen. Exemplarisch veranschaulicht wird das im AfD-Programm, das ein Ende des Klimaschutzes und eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten fordert sowie die gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen für den Strom aus Windkraft und Solaranlagen in Frage stellt. Nachdem die vergangenen drei Jahre im globalen Maßstab jeweils neue Temperaturrekorde aufgestellt haben, heißt es im Grundsatzprogramm der Ultra-Nationalisten (im Internet im Juni 2016 veröffentlicht): »Seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gibt es jedoch im Widerspruch zu den IPCC-Prognosen keinen weiteren (Temperatur-)Anstieg«. Die Methode ist ganz ähnlich wie bei den Ultrareligiösen: Man erfindet sich seine eigene Realität und bekämpft alle, die diesem Glauben rationale Erkenntnis entgegnen. Hasstiraden und persönliche Angriffe ersetzen dabei für gewöhnlich das sachliche Argument.
Das Problem: Ein demokratischer Diskurs ist auf dieser Ebene unmöglich. Gelangen die Exponenten derartiger Ideologien zu Einfluss, so ist die (weitere) Polarisierung der Gesellschaft die unvermeidliche Folge – und am Horizont erscheint das Gespenst des Bürgerkrieges.