Die Schwestern raufen sich zusammen
Auf einem gemeinsamen »Zukunftstreffen« wollen CDU und CSU ein Zeichen der Geschlossenheit setzen
Nach monatelangem Streit um die richtige Flüchtlingspolitik wollen die beiden Schwesterparteien in München auf einem Versöhnungsgipfel Angela Merkel zur Kanzlerkandidatin küren. Es sieht nicht gut aus für die Union. In den jüngsten Umfragen holt die SPD weiter auf. Der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz kann bessere Beliebtheitswerte vorweisen als Amtsinhaberin Angela Merkel. Derzeit würden sich 50 Prozent der Wähler für Schulz entscheiden, während Merkel auf nur 34 Prozent kommt. Auf den symbolischen Akt der Sozis, die ihren neuen Kandidaten als Heilsbringer inszenieren, muss die Union mit einer ähnlichen Inszenierung antworten. Ein Zeichen der Geschlossenheit muss her. Dieses Zeichen will man nun setzen. Am Sonntag kommen die Spitzen beider Parteien in der Münchener CSU-Zentrale zu einer dreistündigen »Kreativdiskussion« zusammen, die der Öffentlichkeit als »Zukunftstreffen« verkauft wird. Im Anschluss an die Diskussion soll ein gemeinsamer Grillabend folgen. Wenn man will, kann man das schon als Konzession der Bayern an die Kanzlerin verstehen. Denn eine echte Weißwurst, wie man sie in München mag, wird gekocht und nicht über Holzkohle geröstet. CSU-Sprecher Jürgen Fischer wollte dies im Gespräch mit »neues deutschland« nicht als Konzession verstanden wissen. Es werde ein Abend »mit bayerischen Spezialitäten« sein, so Fischer.
Am Montag soll diese Zurschaustellung friedvoller Schwesterlichkeit mit einer Beratung der Präsidien über strategische Fragen weitergeführt werden. »Es geht um den Bundestagswahlkampf, die Landtagswahlen und auch um Europa«, so Fischer. Danach soll Angela Merkel offiziell zur Oberschwester bzw. gemeinsamen Kanzlerkandidatin gekürt werden.
Auch wenn der CSU das schwerfallen dürfte. Der Streit um eine Obergrenze für Geflüchtete, wie sie Horst Seehofer immer wieder fordert, entzweit die Schwestern seit Monaten. Merkel hatte immer wieder erklärt, diese Obergrenze »aus verschiedenen Gründen« für das falsche Instrument zu halten, den Zuzug zu begrenzen.
Der Groll sitzt so tief, dass der CSUChef das Zukunftstreffen mehrfach in Frage gestellt hatte. Ein Redakteur der in München erscheinenden »Süddeutschen Zeitung« stellte daraufhin die berechtigte Frage: Wen man bei der nächsten Bundestagswahl wählen soll, »wenn man in Bayern lebt, aber möchte, dass Angela Merkel (CDU) Kanzlerin bleibt«.
Erst am vergangenen Montag erklärte Seehofer den Streit um eine Obergrenze für beendet. Es sei ein »ganz normaler Vorgang«, wenn die CSU dieses Thema nun allein in ihrem Bayernplan im Wahlkampf zur Bundestagswahl vertrete, so Seehofer vor einer CSU-Vorstandssitzung. Seehofer war bemüht, die Differenzen herunterzuspielen. In der Zielsetzung, der Begrenzung der Zuwanderung, seien sich beide Partei einig, nur bei einigen Instrumenten gebe es »unterschiedliche Auffassungen«. Im gleichen Atemzug bestätigte er seine Drohung noch einmal, wonach sich seine CSU an einer Koalition in Berlin nur beteiligen werde, wenn diese eine Obergrenze beschließe.
Auf der Münchener Sitzung sprach sich der Vorstand einstimmig dafür aus, Merkel zur Kanzlerkandidatin zu machen. Seehofers Finanzminister und parteiinterner Widersacher Markus Söder, einer der lautesten Merkel-Kritiker, ließ später durchblicken, wie schwer den Weiß-Blauen das Pla- zet für die erneute Kandidatur der CDU-Chefin gefallen sein muss: »Was anderes hätte es geben sollen? Wir haben keine eigenen Kandidaten als CSU.«
Seehofer ruft nun zur Geschlossenheit auf: »Unser Hauptgegner heißt Rot-Rot-Grün. Die Konsequenz für die Union lautet: Nur durch die Stärke der Union können wir ein Linksbündnis verhindern.«
Eine offizielle Reaktion von Merkel auf ihre Kür in München gab es nicht. Wohl aber ein Gespräch unter vier Augen mit Seehofer am Vortag der Abstimmung im CSU-Vorstand. Dafür äußerte sich CDU-Generalsekretär Peter Tauber zu den Vorgängen im Freistaat. Besonders zum »Bayernplan«, dem CSU-eigenen Programm, mit dem die Christsozialen in die Bundestagswahl ziehen wollen und in dem sie auch die Obergrenze fordern werden.
»Dass unsere bayerische Schwester auch ein eigenes Programm schreibt (...), war schon letztes Mal so«, erinnerte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. »CDU und CSU sind zwei Parteien, aber eine Union. Vielfalt ist auch unsere Stärke.«
Neben dem Bayernplan wird es ein gemeinsames Wahlprogramm der beiden Schwestern geben, auf dessen Grundzüge man sich in den kommenden beiden Tagen einigen will. Eines ist hier sicher: die Forderung nach einer Obergrenze wird man in dem Papier vergebens suchen.