Geschäft um drei Ecken
Verteidigungsministerium beförderte Rüstungsdeal mit Norwegen durch eigene Bestellung – ThyssenKrupp atmet auf
Norwegen will seine Marine mit deutschen U-Booten modernisieren. Aufatmen bei ThyssenKrupp. Das Geschäft kam nicht ohne kräftige Hilfe des deutschen Verteidigungsministeriums zustande. Die Bundeswehr ist nicht dazu da, Industriepolitik zu machen. So oder ähnlich ließ sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zitieren, als sie noch ganz neu im Amt war. Als einige Zeit ins Land gegangen war, besann sie sich darauf, bestimmte Schlüsseltechnologien zu erhalten. Prima, sagten die Hersteller solch ausgewählter Militärgüter, doch von den geringen Stückzahlen, die die Bundeswehr bestellt, können wir nicht leben.
Beispiel U-Boote. Die, die ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) baut, sind angeblich konkurrenzlos. Sechs dieser mit einem Brennstoffzellen-Hybridantrieb versehenen Boote betreibt die Deutsche Marine. Schon jetzt fehlen aber ausreichend Besatzungsmitglieder. Gemeinsam mit Italien baut ThyssenKrupp vier Boote. Israel nimmt deutsche U-Boote gern ab, werden sie doch zu einem Gutteil vom deutschen Steuerzahler finanziert. Doch der gerade schwelende Korruptionsverdacht, in den der israelische Premier Benjamin Netanjahu verwickelt zu sein scheint, machen weitere Verkäufe unsicher.
Große Hoffnungen setzte TKMS auf einen Auftrag aus Australien. Es ging um zwölf U-Boote. Deren Bau wäre der größte Deal in der Geschichte von TKMS gewesen. Wert: 34 Milliarden Euro. Dafür unterbreiteten die Deutschen sogar das Angebot, eine Werft in Südaustralien zu errichten und von dort aus langfristig die Flotte zu unterstützen. Doch die Bewerbung – verbunden mit allerlei Umwerbung durch politische Schwergewichte aus Berlin – endete katastrophal. Zu teuer, nicht ausgereift, hieß es plötzlich in Canberra. Den Zuschlag erhielt die französische Staatswerft DCNS.
Das führte beim TKMS zu umfangreichem Stühlerücken und Existenzangst. Eine so vernichtende Abfuhr war geeignet, den Ruf der deutschen U-Boot-Exporteure auf lange Sicht zu beschädigen. Umso mehr bemühten die sich, in Oslo einen guten Eindruck zu hinterlassen. Im Frühjahr soll dem norwegischen Parlament ein entsprechender U-Boot-Modernisierungsplan vorgelegt werden. Die Auslieferung dieser Boote soll zwischen Mitte 2020 und 2030 erfolgen. Die zugespitzte Lage zwischen NATO und Russland lasse gar keine andere Wahl, heißt es.
Norwegen setzt seit den 1960er Jahren auf U-Boote aus Westdeutschland. Doch wer macht nun das Geschäft? Abermals traten die Franzosen als Konkurrenten auf und abermals mobilisierte ThyssenKrupps deutsche Bundes- und Landespolitiker, um »Gut Wetter« für einen Liefervertrag zu machen. Jüngst war Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) als Lobbyist unterwegs. Er traf sich in Oslo mit einem Staatssekretär des Verteidigungsministeriums und Vertretern der Wirtschaft. Danach hatte er »ein gutes Gefühl«.
Was nicht trog. Das norwegische Verteidigungsministerium teilte am Freitag mit, es habe Deutschland als strategischen Partner ausgesucht. Man werde darüber nun offiziell auf Regierungsebene und danach mit dem Hersteller reden. Nun hätte man erwarten können, dass sich das deutsche Wirtschaftsministerium dazu äußert. Doch der Jubel kam aus dem Haus von Ursula von der Leyen, denn: »Zu allererst werden die U-Boot-Fähigkeiten der Marine deutlich gestärkt. Deutschland und Norwegen beschaffen gemeinsam sechs identische U-Boote, davon zwei für die deutsche Marine und vier für die norwegische.«
Klartext: Der Deal mit Norwegen wäre nicht zustande gekommen, hätte Deutschland seine Planung bei der Beschaffung neuer U-Boote nicht deutlich vorgezogen. Das Berliner Verteidigungsministerium betonte, dass »die norwegische Entscheidung« dazu beitragen werde, »eine zukunftsweisende Schlüsseltechnologie für die nächsten Jahrzehnte in Deutschland zu sichern und in enger Kooperation mit dem norwegischen Partner weiter auszubauen«. Wenn das keine Industriepolitik ist ... Das Verteidigungsministerium betont aber auch die Möglichkeit, dass man die Zusammenarbeit mit dem NATOPartner Norwegen auf »eine neue Stufe der innereuropäischen militärischen Zusammenarbeit« heben kann.
Angesichts der Aufrüstungspläne an der Ostgrenze des NATO-Bündnisses vernimmt man bei einigen norwegischen Politikern bereits ein tiefes Bedauern darüber, dass man nach dem Ende des ersten Kalten Krieges die U-Boot-Basis Olavsvern geschlossen hat. Hoch im arktischen Norden hatte man einst für rund 500 Millionen Dollar einen Stützpunkt in den Felsen südlich von Tromsö gesprengt. 25 000 Quadratmeter groß war die unterirdische U-Boot-Anlage, die über Werft- und anderen Serviceanlagen sowie Mannschaftsquartiere verfügte.
Ausgerechnet NATO-Generalsekretät Jens Stoltenberg hat 2009 als norwegischer Ministerpräsident gut die Hälfte des Areals zum Verkauf ausgeschrieben. Nun ist die einst supergeheime Basis vermutlich nicht mehr reaktivierbar. Geheim ist sie ohnehin nicht mehr. Seit 2014 überwintern hier ab und zu russische Forschungsschiffe, die dem norwegischen Statoil-Konzern bei der Suche nach neuen Ölfeldern suchen helfen.