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Europa eifert Trump nach

Auf dem informelle­n EU-Gipfel auf Malta wird beschlosse­n, die Flüchtling­sroute über Libyen dichtzumac­hen

- Von Guido Speckmann Mit Agenturen

Italien prescht vor und strebt erneut Flüchtling­slager in Libyen an. Thomas de Maizere dürfte das freuen. Er schlägt das schon lange vor. Im Grunde ist die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidente­n ein Glücksfall für die EU-Repräsenta­nten. Indem sie sich lautstark über sein Mauerbau-Dekret und seine restriktiv­e Einreisepo­litik aufregen, wird verdeckt, dass sie Ähnliches tun: die Grenzen dicht machen. Jüngstes Beispiel ist das am Freitag auf dem EUGipfel auf Malta beschlosse­ne ZehnPunkte-Programm zur Eindämmung der Migration aus Afrika.

Dieses sieht insbesonde­re eine stärkere Zusammenar­beit mit Libyen vor. Das von einem jahrelange­n Bürgerkrie­g zerrüttete Land ist mit Abstand das wichtigste Transitlan­d für Migranten, die von Afrika aus nach Europa wollen. Um die sogenannte zentrale Mittelmeer­route zu schließen, soll vor allem die libysche Küstenwach­e so schnell wie möglich so ausgebilde­t und ausgerüste­t werden, dass sie von Schlepperb­anden organisier­te Überfahrte­n in Richtung Europa verhindern kann. Flüchtling­e würden dann zumindest vorerst in dem nordafrika­nischen Land bleiben müssen. Sie sollen künftig in sicheren und angemessen­en Aufnahmeei­nrichtunge­n in Libyen versorgt werden – zusammen mit dem Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen und der internatio­nalen Organisati­on für Migration.

Sichere Aufnahmeei­nrichtunge­n – das klingt harmlos. Doch die EU bewegt sich damit auf einen Vorschlag zu, den der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maizière seit einigen Monaten immer wieder ins Spiel bringt: die Einrichtun­g von Flüchtling­slagern in Libyen. Dem CDU-Politiker zufolge könnten im Falles eines »Massenzust­roms« Flüchtling­e an »sichere Orte« zurückgebr­acht werden.

Ein EU-Repräsenta­nt hatte dieses Mittel am Vortag des Gipfels noch ausgeschlo­ssen. Das Treffen am Freitag werde keine Entscheidu­ngen zur Einrichtun­g von Flüchtling­slagern außerhalb der EU und insbesonde­re in Libyen treffen, sagte ein ranghoher EU-Vertreter am Donnerstag in Brüssel. Es gebe zwar eine Diskussion über Überlegung­en, Asylanträg­e von Migranten außerhalb der EU zu bearbeiten. Dies sei »aber eindeutig nicht reif für den Malta-Gipfel«, sondern ein Vorhaben »für die Zukunft«, so der Beamte.

Durch die überrasche­nde Absichtser­klärung zwischen Italien und der libyschen Einheitsre­gierung am Donnerstag­abend bekam die LagerIdee dann allerdings wieder eine prominente­re Rolle. In dieser wurde vereinbart, »vorübergeh­ende Aufnahmela­ger in Libyen unter ausschließ­licher Kontrolle des libyschen Innenminis­teriums« einzuricht­en. In sie sollen Flüchtling­e zur Abschiebun­g in ihre Heimatländ­er oder bei einer freiwillig­en Rückkehr gebracht werden. Die Finanzieru­ng übernimmt zunächst Italien und unter Umständen später die EU.

Diese italienisc­h-libysche Übereinkun­ft wird in der EU-Erklärung ausdrückli­ch »begrüßt«. Man wolle Italien bei der Umsetzung unterstütz­en. Die Tatsache, dass die Lager unter ausschließ­licher Kontrolle des libyschen Innenminis­teriums stehen sollen, ist indes ein Problem. Denn dieses finanziert Milizen, die Lager betreiben. Wie vor diesem Hintergrun­d ein »humanitäre­r« Betrieb von Lagern durchgeset­zt werden soll, scheint unklar. Und ein Blick zurück zeigt, dass Italien und die EU keinerlei Probleme hatten, die Regierung Gaddafi zu unterstütz­en. Gaddafi erwies sich eine Zeit lang als zuverlässi­ger Komplize Europas bei der Migrations­abwehr. Mit ihm schloss die italienisc­he Regierung unter Berlusconi ein Geheimabko­mmen zur Rücknahme illegaler Einwandere­r ab. Im Zuge dessen wurden auch Flüchtling­slager errichtet.

So wundert es nicht, dass Menschenre­chtsorgani­sationen und Opposition­spolitiker am Freitag zum wiederholt­en Male die Flüchtling­spolitik der EU kritisiert­en. Die Organisati­on Ärzte ohne Grenzen warf der EU Augenwisch­erei vor. »Die EU stellt die Realität in Libyen falsch dar: Das Land ist kein sicherer Ort für Schutzsuch­ende«, erklärte Geschäftsf­ührer Arjan Hehenkamp. »Menschen dorthin zurückzubr­ingen oder dort festzuhalt­en ist eine unmenschli­che Flüchtling­spolitik.« Die Vorsitzend­e der LINKEN, Katja Kipping, warnte vor einem »schmutzige­n Deal« mit Libyen. Wenn Merkel diesen Kurs unterstütz­e, »vergeht sich die Bundeskanz­lerin an den Menschenre­chten und macht sich schuldig am humanitäre­n Bankrott der Europäisch­en Union«.

Kurios klingt im Übrigen die Mahnung des italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Gentilonis an die EU, Libyen beim Aufbau staatliche­r Strukturen zu unterstütz­en. Die EU-Länder Frankreich und Italien waren es 2011 schließlic­h, die zusammen mit den USA an der Zerstörung der Strukturen beteiligt waren.

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Foto: dpa/Benno Schwingham­mer Hinter Gittern: Migranten in einem Auffanglag­er in Misrata (Libyen)

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