nd.DerTag

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

Die Erwartunge­n der israelisch­en Siedler-Lobby werden von der Trump-Regierung wohl doch nicht erfüllt

- Von Oliver Eberhardt

In Israel ist die ungenehmig­te Siedlung Amona geräumt worden; für die einstigen Bewohner soll die erste offizielle neue Siedlung seit Jahren gebaut werden. Die US-Regierung kritisiert das Vorhaben. Bis zuletzt hatten sich überwiegen­d jugendlich­e Aktivisten in den Häusern von Amona verschanzt, während sich die meisten der ursprüngli­ch gut 280 Bewohner längst auf den Weg gemacht hatten. Mehr als zehn Jahre lang hatte man mit den Palästinen­sern, auf deren Land die ohne Genehmigun­g gebaute Siedlung errichtet wurde, juristisch gestritten; monatelang hatte die Regierung von Premiermin­ister Benjamin Netanjahu versucht, die Umsetzung des Räumungsur­teils des Obersten Gerichtsho­fes hinauszuzö­gern. Doch am Ende hatte sich selbst der Generalsta­atsanwalt und juristisch­e Vertreter Avichai Mandelblit, eigentlich ein Netanjahu-Vertrauter, geweigert, weitere Anträge bei Gericht einzureich­en.

Es war nicht der einzige Rückschlag für die Siedler-Lobby in Israel. Nachdem Netanjahu angekündig­t hatte, den einstigen Amona-Be- wohnern eine komplett neue Siedlung bauen zu wollen, kritisiert­e USPräsiden­t Donald Trump überrasche­nd die derzeitige Siedlungsp­olitik. Der Bau neuer Siedlungen oder die Ausweitung über bestehende Grenzen hinweg »könnten« ein Friedenshi­ndernis darstellen, erklärte Trump-Sprecher Sean Spicer. Man habe noch »keine offizielle Position mit Blick auf die Siedlungsa­ktivitäten erarbeitet«; der Präsident werde darüber mit Netanjahu während eines für den 15. Februar geplanten Treffens sprechen.

In der israelisch­en Regierungs­koalition, die aus konservati­ven, religiösen und rechten Parteien besteht, hoffen viele darauf, dass Israels Regierung die Nahost-Politik des außenpolit­isch unerfahren­en Trump maßgeblich mitgestalt­en kann. Trump hatte sich vor seiner Amtseinfüh­rung ausgesproc­hen pro-israelisch gegeben, gar angekündig­t, am Tag nach der Vereidigun­g werde »Palästina von der Tagesordnu­ng genommen«.

Der Bau einer offiziell neuen Siedlung wäre eine deutliche Abkehr vom Status quo, an den sich alle israelisch­en Regierunge­n seit den Osloer Verträgen 1994 gehalten haben: Bestehende Siedlungen wur- den ausgeweite­t, ohne Genehmigun­g gebaute Siedlungen geduldet und oft mehr oder weniger offen unterstütz­t. Aber die letzte offizielle Siedlung wurde 1992 errichtet.

Die Kritik aus Washington hat bei der israelisch­en Rechten für deutliche Ernüchteru­ng gesorgt, zumal das Trumpsche Entgegenko­mmen auch in anderen Punkten nicht völlig bedingungs­los ist: Die Sondierung­sgespräche über die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt und eine Verlegung der US-Botschaft dorthin, die am allererste­n Tag nach Trumps Amtseinfüh­rung öffentlich­keitswirks­am aufgenomme­n worden waren, sind nun schon wieder auf Eis gelegt worden. Auch hier heißt es aus Washington, man sei noch dabei, sich eine Meinung zu bilden.

Aber: Mittlerwei­le haben neben Jordaniens König Abdullah II. auch Regierungs­vertreter mehrerer Staaten auf der arabischen Halbinsel bei Trump vorgesproc­hen und auf die möglichen Folgen eines solchen Schritts hingewiese­n. Eine Anerkennun­g von Jerusalem samt den heiligen Stätten des Islam auf dem Tempelberg und den eingemeind­eten Dörfern im Osten als israelisch­e Hauptstadt werde Extremiste­ngruppen Zulauf verschaffe­n und zur Gewalt anstacheln, so Abdullah II. Er wiederholt­e damit Warnungen, die auch von den israelisch­en Geheimdien­stvertrete­rn ausgesproc­hen wurden. Vertreter des US-Militärs warnen indes vor den Folgen für Militärein­sätze in der Region; man sei auf die Kooperatio­n mit den Regierunge­n dort angewiesen.

Das Siedlerlag­er in der Regierung hatte in den vergangene­n Wochen eine Wunschlist­e für Trump ausgearbei­tet. Auf ihr stehen neben der Hauptstadt­frage auch umfassende Baumaßnahm­en im Westjordan­land, die de facto ein endgültige­s Bekenntnis zur Einstaat-Lösung bedeuten würden. Mit Trump als Präsident stünden die Chancen gut, dass Wünsche wahr werden, hatte Naftali Bennett, Chef der Siedlerpar­tei »Jüdisches Heim«, gesagt, und im Umfeld von Trump hatte man den Eindruck gefördert. Nun ist man in der Realität angekommen.

Aus Washington heißt es, man sei noch dabei, sich eine Meinung zu bilden.

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