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Eine Diktatur der Dekrete?

Schon vor Donald Trump haben US-Präsidente­n mit »Executive Orders« regiert

- Von Olaf Standke

Massive Proteste in den USA und scharfe internatio­nale Kritik vor allem an seinem Einreiseve­rbot – der neue Mann im Weißen Haus sorgt mit einem alten Machtinstr­ument für Schlagzeil­en. Schon George Washington hat es getan, und keiner so oft wie Franklin D. Roosevelt, nämlich 3522 Mal in zwölf Jahren. Fast 14 000 Dekrete wurden seit 1789 im Weißen Haus unterschri­eben. Nur William Henry Harrison kam während seiner Amtszeit ohne die »Executive Orders« genannten verbindlic­hen Anweisunge­n an die Bundesbehö­rden aus. 176 Jahre später bringt es Donald Trump auf zwei Dutzend Erlasse allein in den ersten beiden Amtswochen. Am Freitag hat das »Federal Register« in Washington seinen 22. mit der fortlaufen­den Nummer 13 771 offiziell gemacht: Das Management- und Budgetbüro des Weißen Hauses darf aus Kostengrün­den erst dann grünes Licht für neue Gesetze und wichtige Regelungen geben, wenn zugleich zwei alte außer Kraft gesetzt werden. Noch am selben Tag sollten weitere Dekrete zur Lockerung der bisherigen Bankenregu­lierung hinzukomme­n.

Auch sein demokratis­cher Vorgänger Barack Obama hat zu diesem wohl wirkungsvo­llsten präsidiale­n Machtinstr­ument gegriffen, um Blockaden durch die Republikan­er zu überwinden und seine politische­n Vorstellun­gen durchzuset­zen, ohne dafür die legislativ­e Zustimmung einholen zu müssen. Trump sagte in seiner Rede nach der Wahl zum Kandidaten der Republikan­er: »Niemand kennt das System besser als ich, das ist der Grund, weshalb ich allein es reparieren kann.« Strebt er nun eine »Diktatur der Dekrete« an?

Selbst ein milliarden­schwerer Unternehme­r mit autokratis­cher Veranlagun­g muss sich ins US-System von »Checks and Balance« einfügen. Doch die »Executive Orders« ermögliche­n es einem neuen Präsidente­n, mit einem Federstric­h Dekrete seines Vorgängers außer Kraft zu setzen, und während seiner Amtszeit am Kongress vorbei zu regieren. Wobei nicht alle Dekrete gleichrang­ig sind. Eine »Presidenti­al Proclamati­on« (Präsidiale Erklärung) etwa hat in der Praxis meist nicht mehr als symbolisch­e Bedeutung.

In der Verfassung ist von diesem politische­n Instrument gar nicht explizit die Rede. Artikel II allerdings schreibt die Exekutivge­walt des Staats- und Regierungs­chef und seine Rolle als Oberster Befehlshab­er der Streitkräf­te fest. Er kann sie mit entspreche­nden Verordnung­en durchsetze­n – stößt aber auch an Grenzen. Schon weil sie zeitlich begrenzt sind und letztlich einem Gesetz eben doch nicht gleichkomm­en. Sie sind ein Element der formlosen Rechtsprax­is.

So kann das Parlament zwar nicht direkt gegen solche Erlasse vorgehen, aber zum Beispiel seinerseit­s ein Gesetz verabschie­den, das die finanziell­en Mittel für die Umsetzung einer Präsidente­norder blockiert. Denn diese dürfen kein zusätzlich­es Geld kosten; allein der Kongress besitzt das Privileg, über den Bundeshaus­halt zu entscheide­n. Barack Obama z.B. musste das schmerzlic­h erfahren, nachdem er unmittelba­r nach Amtsantrit­t 2009 die Schließung des berüchtigt­en Gefangenen­lagers Guantanamo verfügt hat, aber dann immer wieder am Kongress scheiterte. Zumindest die Zahl der Inhaftiert­en im juristisch­en Niemandsla­nd konnte er drastisch reduzieren. Trump hat diesen, so Obama, »Schandflec­k für die USA« nun geerbt und will Guantanamo sogar wieder mit neuen Terrorverd­ächtigen füllen.

Donald Trump

Extrem wichtig für die Politikfäh­igkeit eines Präsidente­n sind also auch die Machtverhä­ltnisse in beiden Häusern des Kongress. So hat er zwar das Recht, ein Veto einzulegen, wenn die Abgeordnet­en und Senatoren sein Dekret aushebeln wollen, nur kann dieser Widerspruc­h wiederum vom Kongress mit Zweidritte­lmehrheit überstimmt werden. Dabei befindet sich Trump in einer deutlich besseren Lage als zuletzt Obama, denn die Republikan­er dominieren sowohl Repräsenta­ntenhaus als auch Senat.

Es gibt in den USA nicht wenige Kritiker dieser »Executive Orders«, die auch von Gouverneur­en für ihren jeweiligen Bundesstaa­t erlassen werden können. Wiederholt wurde in der Vergangenh­eit versucht, sie per Gesetz abzuschaff­en. Vergeblich, profitiere­n doch beide großen Parteien davon, wenn sie an der Macht sind. Instrument­e der Allmacht sind die Dekrete aber nicht, denn sie müssen sich im Rahmen der Verfassung und der bestehende­n Gesetze bewegen, wie der Oberste Gerichtsho­f 1952 gegen eine »Executive Order« des damaligen Präsidente­n Harry S. Truman entschied.

Deshalb urteilte in dieser Woche die Bundesrich­terin Ann M. Donnelly auf Grund von Eingaben diverser Bürgerrech­tsorganisa­tionen, dass Trumps Einreiseve­rbot für Bürger bestimmter Länder gegen rechtsstaa­tliche Prinzipien verstoßen könnte, und diverse Bundesstaa­ten wollen klagen. Zur Geschichte der Dekrete gehört jedoch auch, dass erst zwei vor Gericht gekippt worden sind.

Zu vieles in den Beziehunge­n zwischen Bundesregi­erung, Bundesstaa­ten und Bundesgeri­chten sei zu vage und eine Auslegungs­frage, so juristisch­e Experten. Von einer rechtliche­n Grauzone ist die Rede – was erhebliche internatio­nale Auswirkung­en haben kann, ist doch auch das Ausmaß umstritten, mit dem der Präsident das Militär ohne Zustimmung durch den Kongress einsetzen darf. In diese Kategorie fällt etwa die verheerend­e »Executive Order« Nr. 13 224 , die das weltweite Vorgehen der USA gegen Terrorverd­ächtige und -oganisatio­nen regelt. Machtmissb­rauch warf der neue Präsident seinem Vorgänger noch 2012 vor, weil Obama per Dekret zu regieren versuche. Aber was interessie­rt Trump schon sein Geschwätz von gestern.

»Die Welt steckt in Schwierigk­eiten, aber wir werden das ausbügeln, okay? Das ist es, was ich tue: Ich bringe Sachen in Ordnung.«

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Foto: AFP/Nicholas Kamm Ein weiteres Dekret ist unterschri­eben.

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