Revolte aus dem Forschungslabor
US-Klimaforscher fürchten unter Trump um ihre Forschungsergebnisse
Mit einer Flut von Dekreten und Erlassen sorgt der neue US-Präsident Donald Trump täglich für Empörung und Verunsicherung. Zugleich wächst die Protestbewegung gegen ihn – auch unter Wissenschaftlern. Mit einer beispiellosen Flut an Erlassen und Dekreten regiert Donald Trump seit seiner Amtseinführung in den USA durch. Doch der Widerstand wächst: Einen Tag nach der Amtseinführung demonstrierten beim »Women’s March« in der US-Hauptstadt Washington eine halbe Million Menschen gegen den Präsidenten. Eine Initiative für ein Amtsenthebungsverfahren sammelt seit Wochen Unterschriften. Als Reaktion auf das Einreiseverbot für Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern gab es Demonstrationen im ganzen Land. Ex-Präsident Barack Obama äußerte Kritik an seinem Nachfolger.
Auch Unternehmen gehen auf Distanz zu Trump, darunter Google, Co- ca Cola und sogar Goldman Sachs, ein Finanzkonzern, für den vier TrumpMinister früher tätig waren. Selbst Regierungsmitglieder äußern sich kritisch, etwa Außenminister Rex Tillerson, Pentagon-Chef James Mattis oder Heimatschutzminister John Kelly. Einige Medien sprechen von einer »offenen Revolte«.
Auch Hunderte Wissenschaftler sind bei der Protestbewegung ganz vorn mit dabei. Vor allem Klima- und Umweltforscher fürchten um die freie Forschung – und um ihre Ergebnisse. Nicht zu Unrecht, denn Trump hatte bereits im Jahr 2012 getwittert, das »Konzept des Klimawandels« sei von den Chinesen erfunden worden. Im Wahlkampf versprach er, aus dem Pariser Klimavertrag auszusteigen.
Das wollen die Forscher nicht hinnehmen: Nach dem Vorbild des »Women’s March« planen sie für den 22. April einen »Science March on Washington« – zur Verteidigung der Wissenschaft. Innerhalb weniger Tage hatte ihr Twitter-Account @ScienceMarchDC rund 310 000 Follo- wer. In Dutzenden von US-Städten haben sich nun Gruppen gebildet, um ebenfalls Protestmärsche zu organisieren. Auch in Deutschland gibt es seit dieser Woche einen Ableger.
Hintergrund ist die Sorge vieler Wissenschaftler über den Umgang der Trump-Administration mit all dem, was Wissenschaft ausmacht und das für demokratische Gesellschaften fundamental ist: Fakten, Empirie, überprüfbare Ergebnisse. Schon im Dezember hatten Forscher damit begonnen, ihre Daten in Sicherheit zu bringen, als die Ankündigung kursierte, der Wetterbehörde NOAA und der Nasa solle jegliche Klimaforschung verboten werden. Eine Website der Umweltbehörde EPA wurde aus dem Internet genommen, auch diese Daten versuchten die Forscher vorher zu sichern.
Die Trump-Mitarbeiter scheuen sich nämlich nicht, unliebsame Tatsachen durch »alternative Fakten« zu ersetzen. Kaum im Amt, löschte die Regierung die Klimaseite auf der Homepage des Weißen Hauses. Statt- dessen ist dort nun Trumps »America First Energy Plan« zu lesen, der einseitig auf fossile Energien setzt und von Experten als politisch weltfremd, ökonomisch widersinnig und ökolo-
Kaum im Amt, löschte die Regierung die Klimaseite auf der Homepage des Weißen Hauses. Eine Website der Umweltbehörde EPA wurde offline gestellt.
gisch gefährlich eingestuft wird. Die EPA soll all ihre Studien, auch die bereits veröffentlichten, von einem Trump-Vertrauten prüfen lassen. Der Behörde wurde Ende Januar ein »Medienbann« auferlegt: Pressemitteilungen dürfen nicht veröffentlicht, Interviews nicht gegeben werden. Ähnliche Regeln gibt es auch für das Land- wirtschafts- und das Gesundheitsministerium.
Üblicherweise mischen sich Wissenschaftler nicht in die Politik ein, schon gar nicht warnen sie vor einem amtierenden Präsidenten. Bei Trump ist das anders. In ihrem Aufruf für einen »March for Science« werden die Wissenschaftler sogar ziemlich deutlich. »Politiker«, schreiben sie, »die weder Tatsachen noch Sachverstand anerkennen, gehen das Risiko ein, dass sie realitätsfremde Entscheidungen treffen.« Und weiter: »Eine USRegierung, die die Wissenschaften ignoriert, um ihre ideologische Agenda durchzuziehen, ist eine Gefahr für die ganze Welt.«
Bislang halten sich die Berufsverbände der Wissenschaftler zurück, so wie es ihrem traditionellen Selbstverständnis entspricht. Mit einer Ausnahme: Die Union der Amerikanischen Geophysiker veröffentlichte kurz nach Trumps Amtsantritt einen offenen Brief. Darin ruft sie zum Widerstand gegen jede Politik auf, die die Integrität der Wissenschaft bedroht.