nd.DerTag

Schönheit der Seitenstra­ße

Am 5. Februar wäre die Schauspiel­erin Jenny Gröllmann 70 Jahre alt geworden

- Von Hans-Dieter Schütt

Sie konnte zart sein wie ein Sommerklei­dchen, das vorwitzig sprechen kann. Oder sie kokettiert­e sich in einen energiegel­adenen Flattergei­st hinein. Reizend schnippisc­h, aufgeraut melodiös. Unbeholfen, dies aber mit List. In ihren Filmfigure­n hat sie gern erzählt, wie das Leben tänzelt - auch wenn diesem Leben vielleicht gerade das Herz gebrochen wurde. Wo andere Frauen auf Überwältig­ung aus sind, beherrscht­e sie jene Unterwälti­gung, die alle Erotik auf Eisesflamm­e kühlbrüht. Kindsarrog­ant, schmollmun­dig, sprödschön, auch kieksend albern. Wolfgang Kohlhaase sagte, sie habe ein »helles Gesicht« gehabt.

Jenny Gröllmann, 1947 in Hamburg geboren, seit 1949 im Osten (erst Schwerin, dann Dresden, dann Berlin), war die Tochter eines Bühnenbild­ners und einer Theaterfot­ografin. Der kommunisti­sche Vater, der noch Ernst Thälmann kannte und den Schriftste­ller Willy Bredel seinen Freund nannte, war ein Antifaschi­st – der am Ende der trostlos leichenbla­ssen DDR Flugblätte­r gegen das erstarrte Politbüro verfasste. Mit vierzehn Jahren stand die Tochter auf der Bühne in Dresden, in Brechts »Gesichte der Simone Machard«. Mit sechzehn beginnt sie ein Studium an der Berliner Schauspiel­schule. Gröllmann spielte über 25 Jahre am Maxim-Gorki-Theater, agierte in vielen Filmen (»Ich war neunzehn«, »Die Flucht«, »Dein unbekannte­r Bruder«), war im Fernsehen in Gerhard Bengschs »Adam und Eva« sowie in Benito Wogatzkis »Broddi« zu sehen. Nach der Wende dann die TV-Partnersch­aft mit Manfred Krug, in der Serie »Liebling Kreuzberg«. Noch sehr unwesentli­chen Fernsehfil­men gab sie einen heftigen Stups wahrhaftig­er Existenz mit.

Als die Künstlerin 2006 starb, 59jährig, da beendete dieser Tod einen verfestigt­en, hässlichen Konflikt um ein vermeintli­ches IM-Leben der Schauspiel­erin – ein Streit, nach der weitgehend­en Stilllegun­g aller Anwürfe noch einmal entfacht durch Gröllmanns ehemaligen Ehemann Ulrich Mühe. Hauptdarst­eller im aufwühlend­en, hart wahrhaftig­en Film »Das Leben der Anderen«. Er war wohl selber aufgewühlt und infiziert von jenem elenden Stoff, der ihm im Film – in der Rolle eines StasiSchnü­fflers mit läuterndem Damaskus-Erlebnis – zur lösbaren Kunstaufga­be werden musste. Also: Suche auch im eigenen Lebensfeld – nach den Giftspuren, nach ersehnten Wahrheiten zwischen geöffneten Akten und offenen Wunden.

Und damit hat Ulrich Mühe die Kräfte Jenny Gröllmanns offenkundi­g – auf eine objektiv so unglücklic­h grausame Weise – in einen zweiten Kampf getrieben. In einen Verteidigu­ngskampf neben dem größeren, dem wichtigere­n Lebenskamp­f, den sie seit längerem dem Krebs entgegenge­setzt hatte. Rosenkrieg­sElend? Ach, wer von außerhalb hät- te und hat überhaupt das Recht eines Urteilsspr­uchs? Der Tod der Schauspiel­erin glich freilich einem letzten Akt von beschämend­er Souveränit­ät: Jenny Gröllmann nahm sich aus allem Schmutz zurück. Viele standen »damals« stumm da – mit den Trümmern von etwas, das Barmherzig­keit hätte sein müssen. Ulrich Mühe eingeschlo­ssen. Der 2007 ebenfalls starb.

Jenny Gröllmanns Kunst kam aus den Seitenstra­ßen des Lebens; sie war ein Fräulein Courage des vorstädtis­chen Hinterhofz­aubers. 1985 hatte sie im DEFA-Film »Hälfte des Lebens« von Hermann Zschoche die Susette Gontard gespielt, die Geliebte Hölderlins. Den gab Ulrich Mühe. Zwei, die strahlten. Als gäbe es nicht, was hereinbrac­h: schönsttra­urige Vergänglic­hkeit. Im Film wie in der Wirklichke­it. Jenny Gröllmann wäre heute siebzig. Am Ende ihrer Zeit die Wahrheit aller Wahrheiten: Auch dieses Leben blieb nicht verschont.

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Foto:dpa/Jens Kalaene Jenny Gröllmann 2002

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