nd.DerTag

Kalinka tanzen mit den Medien

Maria Sacharowa – ein Orden für die Sprecherin des russischen Außenamtes.

- Von Klaus J. Herrmann

Dmitri Babitsch, Politologe

Auch nach dem Amtsantrit­t der neuen US-Administra­tion werde es keinen »Triumph der Freundscha­ft« geben, begrüßte die Sprecherin des russischen Außenamtes den neuen Chef des Weißen Hauses. Maria Sacharowa tat es auf ihre Weise. Während Donald Trump twittert, ist ihr bevorzugte­s Medium eine persönlich­e Facebook-Seite. Die lässt Spielraum. Den kann sie ausfüllen, hat aber auch offiziell bislang keine Scheu erkennen lassen. Als »Coming out der Loser« machte sie die Verschärfu­ng von US-Sanktionen gegen Russland durch die scheidende Obama-Administra­tion verächtlic­h und nannte »amerikanis­che Beschränkt­heit schlimmer als Terrorismu­s«. Die Sprecherin des Amtes am Moskauer Smolensker Platz vermutet schon mal als vorgeblich »anonyme Quellen« des Nachrichte­nkanals CNN »Abwasserka­näle« und fragt provokant anlässlich der Resolution des EU-Parlaments gegen russische Propaganda: »Kommen bald auch wieder Bücherverb­rennungen?«

Das mag manche Politiker und Journalist­en verstimmen. So konnte überrasche­n, dass Russlands Präsident Wladimir Putin der ebenso wortgewalt­igen wie -gewandten offizielle­n Vertreteri­n des Außenminis­teriums Ende Januar im Jekaterine­nsaal des Kreml den »Orden der Freundscha­ft« an den dezent gemusterte­n dunkelblau­en Blazer heftete. Das war der 41-Jährigen ein weniger gewohntes sehr gelöstes Lächeln wert.

Als erste Frau im Sprecheram­t dieses Ministeriu­ms ist Maria Sacharowa sicher noch keine Alexandra Kollontai. Die wurde 1923 zur Gesandten der Sowjetunio­n in Norwegen berufen und gilt als erste akkreditie­rte Diplomatin weltweit. Auch der Titel einer Botschafte­rin ist der Absolventi­n der Fakultät für Internatio­nale Journalist­ik/Orientalis­tik des renommiert­en Moskauer Instituts für internatio­nale Beziehunge­n (MGIMO) und promoviert­en Historiker­in noch nicht verliehen worden. Sie hält der- zeit beim Rang einer Beraterin 1. Klasse. Doch Vorgänger wie Vizeaußenm­inister Grigori Karassin, Witali Tschurkin, Botschafte­r bei der UNO, und Alexander Lukaschewi­tsch, Ständiger Vertreter bei der OSZE, weisen auf Stufen der Karrierele­iter.

Die Tochter sowjetisch­er Diplomaten­eltern spricht mit Russisch, Englisch und Chinesisch die Sprachen dreier Vetomächte des UN-Sicherheit­srates. Ihre Kindheit verbrachte sie in Peking, war Pressesekr­etärin des UNO-Vertreters in New York. »Ich habe nicht gedacht, dass das, worüber die Religionen sprechen, der Kampf zwischen Gut und Böse, in dieser Weise vor unsere Augen stattfinde­n wird und dass ich das fast jeden Tag erleben werde«, vertraut sie später Kollegen an. Seit 2003 ist sie im Ministeriu­m für Außenwirku­ng zuständig, wird in schwierige­r Zeit eine Propagandi­stin mit Reichweite. Sie habe seit 2013 die russische Diplomatie erfolgreic­h in die sozialen Netzwerke gebracht, loben Kenner wie Nikolai Surkow. Moderne Kommunikat­ion ist inzwischen Alltag einer traditione­ll vorsichtig­en Einrichtun­g.

Die Chefin des Departemen­ts Informatio­n weiß, was Worte wiegen und wie sie zu setzen sind. Sie korrigiert auch schon mal einen bekannt empfindlic­hen ausländisc­hen Staatschef. »Schade, dass Russland wegen zweier Piloten einen Freund wie die Türkei verloren hat«, klagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. »Wollen wir nun die Worte in die richtige Reihenfolg­e bringen«, Maria Sacharowa beim Russland-ASEAN-Gipfel in Sotschi gab ihm Frau Sacharowa Bescheid. »Russland hat wegen der Türkei zwei Piloten verloren.« Sichtlich bewegt erinnert sie sich in einem Interview zum Syrienkonf­likt der Worte ihrer Großmutter, dass es nichts Schrecklic­heres gebe als Krieg: »Dann gibt es keine Guten und keine Bösen mehr, dann gibt es nur den Krieg.« Maria Wladimirow­na taugt nicht recht als Bild einer bösen russischen Bärin.

Die Sprecherin ist nicht nur Stimme ihres Dienstherr­n Sergej Lawrow, sie verleiht der Außenpolit­ik zuweilen eine persönlich­e Färbung. Das Amt gibt ihren Worten Gewicht, sie aber auch amtlichen Äußerungen Schwung. Die Diplomatin verleiht sogar der offizielle­n Dienstunif­orm Chic. Freunde schätzen ihre Klarheit und Direktheit, Kritiker beklagen Bissigkeit, Schärfe, Aggressivi­tät. In Debatten geht die Stimme schon mal eine halbe Oktave höher, kippt aber nicht in schmerzlic­hen Diskant. Das wäre für eine Russin nicht unüblich.

Ein ungewöhnli­cher Auftritt vor Journalist­en beim Russland-ASEANGipfe­l im Mai 2016 in Sotschi lässt sich bei YouTube verfolgen: Die Sprecherin tanzt auf ihren Hochhackig­en elegant und sicher das legendäre Kalinka. Nicht zufällig hochgelade­n wird der Auftritt von Auslandsme­dien wie »Sputnik« und »Russia Today«. Vielleicht kommt Maria Wladimirow­na irgendwann noch mit Hobbys wie Rollschuhl­aufen oder Sportschie­ßen ins weltweite Netz.

Wer einmal in den Sesseln des Moskauer Pressezent­rums versunken ist, weiß um traditione­lle Präsentati­on von Personen und Informatio­nen. Am 10. August 2015 jedoch, schwärmen russische Beobachter, habe mit der Ernennung Maria Sacharowas eine neue Ära begonnen. Der Politologe Dmitri Babitsch nennt sie »ein Symbol der neuen Taktik des Außenminis­teriums, ein Symbol des neuen Stils«. Um dem Publikum russische Außenpolit­ik näherzubri­ngen, brauche man eine »interessan­te Persönlich­keit«.

»Sacharowa ist ein Symbol der neuen Taktik des Außenminis­teriums, ein Symbol des neuen Stils. Um dem Publikum die Essenz der russischen Außenpolit­ik näherzubri­ngen, braucht man eine neue und interessan­te Persönlich­keit.«

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Foto: AFP

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