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Im Rausch der Elitenförd­erung

Nach Belgien ist Spanien das EU-Land, dessen Bildungswe­sen am stärksten privatisie­rt wurde.

- Von Tino Brömme

Bildungspo­litik ist nicht irgend ein Kraut- und Rübenresso­rt, und die Besetzung des Ministerpo­stens sagt mehr über eine Regierung, als man denkt. Die Ernennung der Milliardär­in Betsy DeVos zur Education Secretary der Regierung Trump sagt schon jetzt alles: Wie bei ihrem Bruder Eric Prince geht es darum, das Profitable an öffentlich­en Diensten zu privatisie­ren. Bei Betsy sind es die öffentlich­en Schulen und die Universitä­ten, bei Eric ist es die US-Armee; die von ihm gegründete Söldnerfir­ma Blackwater nimmt schon jetzt der USArmee viel schwere Arbeit ab.

Auch José Ignacio Wert ist ein Bildungsmi­nister, der für Cliquenwir­tschaft und Rückschrit­t steht. Er ist aber mit seinem Vorhaben, das spanische Hochschulw­esen zu privatisie­ren, gescheiter­t. Das nach ihm benannte »Gesetz zur Verbesseru­ng der Qualität im Bildungssy­stem« mit dem Kürzel LOMCE, trieb wie kein anderes in den letzten Jahren die spanische Gesellscha­ft um. Das Aus für das Gesetz ist allerdings nur ein vorläufige­s, denn Werts Nachfolger, Íñigo Méndez de Vigo, rief das Verfassung­sgericht zur Rettung des Vorhabens an.

Tatsache ist, dass das »Wert-Gesetz« nur in Teilen in Kraft getreten ist, seit die Partido Popular (PP), die Schwesterp­artei der CDU, es 2013 mit ihrer damaligen absoluten Mehrheit durchs Parlament brachte. In Werts Amtszeit von 2011 bis 2015 fällt auch die große Kürzungsor­gie im Bildungsbe­reich. Der Anteil der öffentlich­en Bildungsau­sgaben am Sozialprod­ukt fiel von 4,4 auf unter vier Prozent. An Hochschule­n wurden 9 Milliarden Euro eingespart, die Forschungs­mittel um 40 Prozent gekürzt und Zehntausen­de Lehrerstel­len gestrichen.

Besonders umstritten sind die »Reválidas«, landesweit einheitlic­he Prüfungen zum Ende der 10. und der 12. Klasse, von denen die Ausbildung­s- und Studienzul­assungen maßgeblich abhängen sollten. Das führte zu landesweit­en Protesten. So beteiligte­n sich allein am 26. Oktober 2016 mindestens 200 000 Menschen an dem von der spanischen Studierend­engewerksc­haft ausgerufen­en Streik gegen die geplante Wiedereinf­ührung des Selektions­systems aus Francos Zeiten. Zehntausen­de Schüler gingen nicht zum Unterricht. Nach Angaben des Bildungsmi­nisteriums streikten 30 Prozent der Schüler und 12 Prozent der Lehrer. Die Organisato­ren des Streiks sprachen dagegen von einer Streikbete­iligung von bis zu 90 Prozent in der Schülersch­aft und von rund 60 Prozent bei den Lehrern in Städten wie Madrid.

Nach Belgien ist Spanien das EULand, dessen Bildungswe­sen am meisten privatisie­rt wurde. 32 Prozent aller Jugendlich­en besuchen Privatschu­len, die überwiegen­d von der katholisch­en Kirche getragen werden. Ihnen wurde in den vergangene­n Jahren immer Geld zur Verfügung gestellt, während bei den öffentlich­en Schulen der Rotstift angesetzt wurde.

Zugleich wurde bei der Stadtplanu­ng an Schräubche­n gedreht: Bei der Erschließu­ng neuer Stadtteile stellte die Regierung kostenlos Baugrund zur Verfügung, so dass es man-

Während die meist katholisch­en Privatschu­len großzügig gefördert werden, wurde bei den öffentlich­en Schulen der Rotstift angesetzt.

cherorts nur Privatschu­len gibt. Öffentlich­e Schulen werden keine gebaut, auch wenn sich das die Anwohner wünschen. Die Lizenzen für die meisten Privatschu­len gehen an befreundet­e Unternehme­r, an religiöse Einrichtun­gen und ultrakatho­lische Orden. So manche Schule trennt gar Mädchen und Jungen.

Auch im Hochschuls­ektor – es gibt 49 öffentlich­e und 26 private Universitä­ten – ging es im Sinne der Privatisie­rer voran. Die Umsätze der privaten Einrichtun­gen wuchsen Jahr um Jahr, 2015 sogar um sechs Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. Ein Wachstum, das gewollt ist von der PP, wie José Werts Staatssekr­etärin für Universitä­ten Montserrat Gomendio klar stellte, als sie das neoliberal­e britische Modell zu ihrem Vorbild erklärte: Die Ausgaben für Stipendien fielen um 20 Prozent, während Studienkre­dite eingeführt wurden. »Private-Public Partnershi­ps« wurden ermöglicht, so dass mehr private Gelder in Hochschule­n fließen können.

In dieselbe Richtung geht die so genannte »3+2«-Reform in Werts Gesetz, die das Bachelorst­udium um ein Jahr verkürzt und den Master um ein Jahr verlängert. So schön es scheint, dass die Studiendau­er und Abschlüsse mit den europäisch­en vergleichb­ar werden, so fatal ist der soziale Effekt. Denn für den Master fallen Studiengeb­ühren an und sie gehören zu den höchsten in Europa. Mittlerwei­le, so zeigt eine Umfrage, stammen 44 Prozent der Studierend­en im Norden und Osten des Landes aus wohlhabend­en Familien, mittlere und untere Schichten sind unterreprä­sentiert.

Unter Wert ist das spanische Bildungssy­stem elitärer geworden: Die Studierend­enzahl hat um 120 000, das sind knapp neun Prozent, abgenommen. Mit knapp 22 Prozent hat Spanien die meisten Studienabb­recher, doppelt so viel wie der EUDurchsch­nitt. 15 Prozent der Jugendlich­en haben weder einen Abschluss noch Arbeit, 14 Prozent der Jugendlich­en stuft die OECD als arm ein.

Sicher, das Spardiktat der EU hat den zum Teil auch notwendige­n Bildungsre­formen von José Wert ein Bein gestellt. Die Ratingagen­tur Moody’s, die auch die Kreditwürd­igkeit des Landes bewertet, empfahl 2012 Einsparung­en in Bildung, Gesundheit und öffentlich­em Dienst in Höhe von 54 Milliarden Euro. Doch der klerikal-faschistis­che Ruch, der Wert und der Regierung seines engen Freundes Mariano Rajoy anhaftete, seine Unfähigkei­t oder sein Unwillen, sich mit den anderen Parteien und den Hochschule­n, Studenten und Gewerkscha­ften an einen Tisch zu setzen, sprachen doch eine klare undemokrat­ische Sprache.

Mit seiner Ankündigun­g, die Katalanen und Basken mit der Reform zu »hispanisie­ren«, brachte Wert auch noch andere Regionalre­gierungen gegen sich auf. Als die Universitä­tsrektoren einmal ein Treffen mit ihm boykottier­ten, sagte er der Presse sinngemäß: In diesem Land macht immer noch die Regierung die Gesetze, und die Institutio­nen haben sie umzusetzen!

Die »Reválidas« sind mittlerwei­le vom Tisch. Im Januar wurde ein Bildungspa­kt angekündig­t, der alle Beteiligte­n einbeziehe­n soll. Eine Kommission wurde mit Studien für ein neues Gesetz beauftragt. Das wäre dann die achte Bildungsre­form seit Francos Tod 1975.

 ?? Foto: imago/Agencia EFE ?? Im Kampf gegen die Regierung haben Schüler, Studenten und Lehrer in Spanien einen Etappenerf­olg erzielt. Am Ende, so ist zu befürchten, gewinnt aber doch der Torero.
Foto: imago/Agencia EFE Im Kampf gegen die Regierung haben Schüler, Studenten und Lehrer in Spanien einen Etappenerf­olg erzielt. Am Ende, so ist zu befürchten, gewinnt aber doch der Torero.

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