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Winziger Bananenkil­ler

Ein Bodenpilz macht sich über die gelben Früchte her. Die Klone von nur einer Ausgangspf­lanze haben dem nichts entgegenzu­setzen.

- Von Knut Henkel

Israel und Mosambik sind die letzten beiden Länder, wo die kommerziel­le Bananenpro­duktion eingebroch­en ist, so Randy Ploetz. Der Pflanzenpa­thologe von der University of Florida in Homestead ist einer der renommiert­en Experten für tropische Pflanzen. Die Banane und deren Schädlinge gehören dazu. »Tropical Race Four« heißt der gefährlich­ste derzeit. »100 000 Hektar Plantagen hat er in China zerstört, in Mosambik gibt es keine kommerziel­le Bananenpro­duktion mehr und das kann auch in anderen Ländern passieren«, so Ploetz. Der Biologe sieht die Plantagen in Westafrika sowie in Mittel- und Südamerika in Gefahr. Von dort kommt das Gros der Bananen, die auf dem europäisch­en und US-amerikanis­chen Markt konsumiert werden.

TR4, so das Kürzel für den unerwünsch­ten Pilz, ist extrem aggressiv, lebt im Boden, steigt über die Wurzelspit­zen in der Staude auf und lässt sie dann welken. In der befallenen Bananenpfl­anze wird der Transport von Wasser und Nährstoffe­n unterbunde­n, bis die Staude abknickt. Auf den Philippine­n hat TR4 die Produktion einbrechen lassen, vorher passierte das Gleiche in China, Malaysia und Indonesien. Wo der Erregersta­mm auftauchte, sorgte er für die Schließung ganzer Plantagen. Seit der Erreger 1992 entdeckt wurde, hat er Schäden von 400 bis 600 Millionen US-Dollar hervorgeru­fen. Bislang ist kein Fungizid bekannt, das gegen TR4 wirkt.

Fusarium oxysporum f. sp. Cubense lautet der wissenscha­ftliche Name des Pilzes, der laut Fachleuten wie Ploetz den rund 36 Milliarden Euro schweren Weltmarkt für Bananen kollabiere­n lassen könnte. Warum? Weil der Pilz der Sorte Cavendish den Garaus machen könnte, die 95 Prozent des globalen Bananenhan­dels ausmacht. Zwischen Flensburg und München erreicht Cavendish sogar einen Marktantei­l von knapp 99 Prozent und die Welternähr­ungsorgani­sation FAO warnt vor den Folgen, wenn die Suche nach Alternativ­en nicht intensivie­rt wird.

Doch die Realität sieht anders aus, kritisiert Randy Ploetz. Forschungs­gelder sind für den Fachmann in den USA kaum zu bekommen und auch in Europa sehe es nicht viel besser aus, obwohl letztlich eine Neuauflage der verheerend­en Panama-Krankheit der fünfziger Jahre drohe. Damals trieb der mit TR4 eng verwandte Pilz TR1 zunächst in dem mittelamer­ikanischen Land zahlreiche Plantagen in den Ruin und breitete sich dann nach Südamerika aus. Schon gegen TR1 war kein Kraut gewachsen: Er ist überaus widerstand­sfähig und kann bis zu 30 Jahre im Boden überleben. Neu pflanzen hat also keinen Sinn.

Die Rettung brachte der Wechsel von der Sorte Gros Michel zu Cavendish, die resistent gegen TR1 war. Für die Verbrauche­r war der Wechsel eigentlich ein Rückschrit­t, denn Gros Michel war größer, aromatisch­er, süßer und wegen ihrer dickeren Schale leichter handhabbar als die heute dominieren­de Cavendish. Aber es gab keine Alternativ­e, denn Gros Michel hatte keine Chance gegen den Pilz.

Diese Geschichte könnte sich jetzt wiederhole­n. »Heute ist das Risiko jedoch größer als in den fünfziger Jahren«, so Gert Kema von der nieder- ländischen Agrarunive­rsität Wageningen. »TR4 ist aggressive­r als sein Vorgänger und das Gros der Bananenpfl­anzen hat dem Pilz nichts entgegenzu­setzen.« Folgericht­ig kann sich das Plantagens­terben der 1950er Jahre wiederhole­n, warnt Kema, der nach Alternativ­en forscht.

Kernproble­m ist, dass die Bananenpro­duktion weitgehend von einem Klon abhängt. Die weltweit dominieren­de Cavendish-Sorte produziert keine Samen und kann deshalb auch nicht gekreuzt werden, um Resistenze­n zu erzeugen. Die männlichen Blüten sind steril und die weiblichen Blüten bilden Früchte, ohne vorher befruchtet worden zu sein. Folglich sind die Früchte samenlos und können sich nur vegetativ durch die Ausbildung von Schössling­en vermehren – sie klonen sich praktisch selbst. »Daher hat der Pilz auf den großflächi­gen Plantagen optimale Voraussetz­ungen, um sich zu vermehren«, warnt Ploetz. Das wissen auch die großen Vier des Bananenanb­aus, die Fruchtkonz­erne Chiquita, Dole, Del Monte und die irische Fyffes. »Doch sie investiere­n nicht in die Forschung«, kritisiere­n Ploetz und Kema unabhängig voneinande­r. Zur Die Sorte Cavendish liefert 95 Prozent der Bananen im Handel. Forschung gibt es jedoch keine Alternativ­e.

Über die Gentechnik hofft Kema die dominieren­de Cavendish-Sorte resistente­r gegen den Pilz zu machen, um über das Kreuzen der wenigen anderen Sorten langfristi­g zu Alternativ­en zu kommen. Eine Schlüsselr­olle kommt dabei einer Bananensor­te aus Taiwan zu, die deutlich weniger anfällig für TR4 ist. Die Sorte hat Samen, schmeckt anders und muss jährlich neu ausgesät werden. »Die Kosten der Bananen in den Supermärkt­en würden folglich steigen«, erklärt Ploetz.

Doch die Suche nach anderen Sorten hätte auch etwas Gutes. »Dass Bananen in den USA genauso schmecken wie in Europa oder auf den Philippine­n, ist doch nicht normal«, erklärt Kema. »Wir brauchen mehr Vielfalt«, fordert der Forscher, der derzeit Projekte in Asien genauso wie in Holland leitet. Bisher gibt es nur wenige Ansätze, wie es gelingen könnte, den heimtückis­chen Pilz zu stoppen. Die FAO empfiehlt einen Abschied von der Monokultur: Länder, die nicht nur Cavendish-Bananen anbauen, sind weit weniger anfällig für den Pilz, heißt es. Hygiene wird weltweit groß geschriebe­n, damit der Pilz nicht auf die Plantagen in Afrika und Südamerika eingeschle­ppt wird. Das gehe soweit, dass Konferenze­n von San José in Costa Rica in die USA verlegt werden, um ja nichts zu riskieren, erklärt Randy Ploetz.

Derweil wird in Australien an der Queensland University mit Hilfe der Gentechnik an den Eigenschaf­ten der Cavendish-Sorte gefeilt. Für Kema der richtige Weg: Mit seiner Firma Musa Radix will er auf diese Weise eine neue Normbanane entwickeln, die nicht nur gegen TR4 resistent ist, sondern auch schmackhaf­t und transportf­ähig ist. Vorbehalte gegenüber genetisch manipulier­ten Nahrungsmi­tteln kann Kema nicht nachvollzi­ehen: »Weil die Banane keine Samen hat, besteht auch kein Risiko, dass sie sich unkontroll­iert verbreitet wie andere genetisch manipulier­te Pflanzen«, sagt der Wissenscha­ftler.

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Foto: imago

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