Die Methode Schulz
In unserem heutigen Bericht beschäftigen wir uns mit dem Thema, um das man derzeit nicht herumkommt. Passend zum Jahr des Hahns hat die SPD Martin Schulz als Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten bestimmt, auf Vorschlag ihres bisherigen Vorsitzenden Sigmar Gabriel, für den damit eine Beförderung zum Außenminister verbunden war. Der Posten des Außenministers ist gleichfalls wegen einer Beförderung frei geworden: Frank-Walter Steinmeier wird das amtierende Gewissen des Landes, weil Bundespräsident Gauck künftig außerdienstlich weitermoralisiert, ohne dafür einen vorherigen Alt-Bundespräsidenten wegbefördern zu müssen. Martin Schulz kam dies alles sehr gelegen, er hätte sonst womöglich doch noch die von Berlusconi angebotene Filmrolle annehmen müssen.
Dies alles ist eine so glückliche Fügung, dass man über das Zufällige hinwegsehen kann und nicht gerade von Vorsehung, aber doch von einer Wendung zum Guten für die SPD reden kann. Da wundert man sich auch nicht über das Verwunderliche, dass doch sowieso alle schon die ganze Zeit für soziale Gerechtigkeit und Gleichheit sind und nun einen starken Mann brauchen, der damit in die Wahl geht. Die Wahl ist für Martin Schulz eine Formsache, eigentlich ist er schon Kanzler und muss bis zum Herbst nur noch dafür sorgen, dass sich das herumspricht.
Nachdem sich in Umfragen der Abstand der SPD zur Union halbiert hatte, fragte Martin Schulz überrascht: »Was, so nah sind die mir auf den Fersen?« Ohne Frage ist dies die Methode, mit der man Wahlen gewinnt: Man bittet das Volk nicht um das Vertrauen, sondern zeigt dem Volk, dass man so viel Vertrauen in dieses setzt, dass man dessen Man- dat übernehmen würde. Werbetechnisch macht die SPD diesmal alles richtig oder überhaupt irgendetwas. Und dies wirft zwei Fragen auf.
Wenn die schlechten Werte für die SPD demnach an der Abwesenheit von Martin Schulz lagen – gibt es vielleicht noch mehr Politiker, die fehlen? Darauf lässt sich keine einfache Antwort geben, aber einfache Antworten sind ja ohnehin etwas für die dunklen Kapitel der Demokratie. Man kann einfach nicht sagen, von wem man nichts weiß. Einige, von denen zu erfahren man gezwungen wird, sind jetzt schon zu viel. Diejenigen, die mal da waren, fehlen nicht. Man zitiert zwar gelegentlich beispielsweise Ludwig Erhard oder Helmut Schmidt, fraglich wäre, ob sie heute als Hoffnungsträger durchgehen könnten. Es ist nicht bekannt, dass jemand ehemalige Hoffnungsträger wie Björn Engholm oder Heidemarie Wieczorek-Zeul vermisst oder bei einem Auftritt von Edmund Stoiber in einer Fernsehrederunde vom Wunsch befallen wird, der sollte doch künftig eine größere Rolle spielen. Das muss nicht heißen, dass diese oder vergleichbare Personen nicht im Falle einer Amtsübernahme höhere Beliebtheitsgrade zu verzeichnen hätten, nur muss ein Hoffnungsträger in der Lage sein, schon vorher mitzureißen. Das bedeutet, die Parteien müssen der Mitreißkompetenz eine höhere Aufmerksamkeit widmen, um Inhalte kann es immer noch gehen, wenn die Posten verteilt sind.
Die zweite Frage ist, was sich aus dem Parteistreich von Gabriel und Schulz für sonstige Stellengesuche lernen lässt. Im Bewerbungsgespräch muss man seine Vorzüge preisen, aber nicht so, dass es dem Personalchef auf die Nerven geht. Als viel besser könnte sich die Schulz-Methode erweisen: Man vermittelt dem Personalchef das Gefühl, dass man bereits dessen Vorgesetzter ist und sich nur noch über die Perspektiven der Zusammenarbeit informieren möchte. Der Personalchef wird alles daran setzen, einen loyalen Eindruck zu machen.
Im noch privateren Bereich hingegen ist von der Schulz-Methode abzuraten, etwa bei Heiratsanträgen oder adäquaten intimen Gesuchen. Nicht, weil sie nicht zielführend wäre, sondern aufgrund rechtlicher Beschränkungen. Denn da heißt sie Stalking und kann bestraft werden.