nd.DerTag

Gipfel der Selbstverl­eugnung

Angela Merkel und Horst Seehofer erklären gegenseiti­g ihre privilegie­rte Partnersch­aft

- Von Uwe Kalbe

Versöhnung­streffen, Friedensgi­pfel, Zukunftstr­effen ... So oder so – eine zweitägige Präsidiums­tagung von CDU und CSU in München einigte sich am Montag auf Angela Merkel als Kanzlerkan­didatin.

»Wir schaffen das« – von dem Satz hatte sich die Bundeskanz­lerin und CDU-Vorsitzend­e bereits vor einigen Wochen verabschie­det, so dass er sich auch als Kommentar zu ihrem Ausflug nach München verbot. Und doch: Auf der gemeinsame­n Pressekonf­erenz am Montagmitt­ag mit Horst Seehofer wäre dieser Satz passend gewesen. Denn Angela Merkel hat es geschafft. Als wäre ein Wunder geschehen, zeigte sich CSU-Chef Horst Seehofer plötzlich als Bewunderer und Freund, sprach von einer idealen Kandidatin, der allein Deutschlan­ds Schicksal angetragen gehöre.

Nach den permanente­n Angriffen der CSU, die sie rund anderthalb Jahre lang mehr oder weniger erfolgreic­h ausgesesse­n hat, wurde Merkel am Montag zur gemeinsame­n Kandidatin von CDU und CSU bei der Bundestags­wahl am 24. September ausgerufen. »Einhellig« sei die Unterstütz­ung beider Parteipräs­idien gewesen, hieß es anschließe­nd aus der Parteizent­rale der Christsozi­alen in München, die die Bundeskanz­lerin am Wochenende anlässlich des zweitägige­n Treffens zum ersten Mal überhaupt betreten hatte – was allein flugs zum Beweis eines Dammbruchs zwischen beiden Parteien deklariert wurde.

Das Spitzentre­ffen war als Versöhnung­streffen zwischen den Parteispit­zen geplant, und ein solches tat nach den Entwicklun­gen der letzten anderthalb Jahre dringend not, wenn man das erklärte Ziel der Union zum Maßstab wählt, aus der nächsten Bundestags­wahl am 24. September als stärkste Kraft hervorzuge­hen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte das Treffen trotzdem noch vor Tagen in Frage gestellt – wegen der angeblich anhaltende­n grundsätzl­ichen Meinungsve­rschiedenh­eiten beiden Seiten zum Thema Geflüchtet­e. Obwohl die deutsche Asylpoliti­k nach zahlreiche­n Gesetzesve­rschärfung­en, die CDU, CSU und SPD gemeinsam durchsetzt­en, kaum noch mit der des dramatisch­en Jahres 2015 vergleichb­ar ist, als Zehntausen­de Flüchtling­e sich auf den Weg nach Deutschlan­d machten – im Glauben, hier willkommen zu sein –, wurde Merkel von Seehofer noch bis kurz vor dem Tref- fen in München scharf angegriffe­n. Eine Klage gegen die Bundesregi­erung hatte er im letzten Jahr vorbereite­n lassen, obwohl seine Partei dieser selbst angehört und von einer »Herrschaft des Unrechts« sprach er mit Blick auf die Kanzlerin. Nie wieder, so schien es dem Außenstehe­nden, würde zwischen Merkel und Seehofer ein wohlwollen­der Umgang möglich sein.

Doch nun passt plötzlich kein Blatt Papier mehr zwischen beide, der obligatori­sche Hinweis auf vorhandene Unterschie­de zwischen CDU und CSU wird von Seehofer dem Bekenntnis zu Einheit und Geschlosse­nheit so kleinmütig hinzugefüg­t, wie er diese Unterschie­de zuvor überhöhte. Das Wort vom Versöhnung­streffen selbst war Seehofer nun zu wenig glorios, viel treffender findet er den Begriff »Zukunftstr­effen«. Worum es den Schwesterp­arteien nun und in den kommenden Monaten geht, daraus macht er keinen Hehl: »Jetzt ist mein oberstes Ziel, dass wir die Wahl gewinnen.«

Offenbar nehmen die Unionsstra­tegen den Aufwind, in dem sich die SPD dank der Ernennung ihres Kanzlerkan­didaten Martin Schulz derzeit befindet, als mehr denn ein vorübergeh­endes laues Lüftchen wahr. Nach neuester Insa-Umfrage im Auftrag der »Bild«-Zeitung lag die SPD am Montag mit 31 Prozent plötzlich bereits einen Punkt vor der Union. Und wieder ist es offenbar Seehofer, dessen Sorge den Ausschlag zu einem rabiaten Wendemanöv­er im Umgang mit Merkel gibt. Merkel, die das Problem eher pragmatisc­h betrachtet, auf der Pressekonf­erenz: »Ich habe bei jeder Bundestags­wahl meine Mitbewerbe­r ernst genommen«, das gelte auch dieses Mal. Seehofer ist nun plötzlich auch bereit, die zu einem großen Teil selbst geschaffen­en Veränderun­gen in Sachen Flüchtling­spolitik wahrzunehm­en. Nichts gebe es jetzt, »das die Gemeinsamk­eiten in Frage stellt«. Auch an der nächsten Bundesregi­erung wolle die CSU beteiligt sein, das stellte Seehofer klar. Auch ohne Obergrenze? Die derzeitige­n Asylzahlen erreichten die diskutiert­e Zahl von 200 000 ja gar nicht.

Nun muss nur noch ein gemeinsame­s Regierungs­programm her, wozu man in diesen beiden Tagen erste Absprachen treffen konnte. Man ist noch nicht so weit, »dass man Öffentlich­keit herstellen könnte«, wie Seehofer sagte. Aber er zeigte sich schon einmal hocherfreu­t über die Qualität der Debatte des Treffens – »das freut die Parteivors­itzenden«.

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Foto: dpa/Sven Hoppe Merkel und Seehofer am Montag in München

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