Konsequenter abschieben mit Lafontaine
Ehemaliger LINKE-Vorsitzender plädiert für die Rückführung illegal eingereister Asylbewerber
Oskar Lafontaine spricht sich im Gespräch mit der »Welt« für Abschiebungen aus und verweist auf negative Folgen offener Grenzen.
Oskar Lafontaine ist ein bei Journalisten beliebter Interviewpartner. Schließlich bevorzugt der Saarländer die populistische Zuspitzung. Von den Redakteuren der »Welt« gefragt, was man mit jenen Asylbewerbern tun solle, die weder vor Verfolgung noch vor Krieg geflohen seien, antwortete der ehemalige LINKE-Vorsitzende in einem am Montag erschienenen Beitrag: »Wer illegal über die Grenze gekommen ist, der sollte ein Angebot bekommen, freiwillig zurückzugehen. Wenn er dieses Angebot nicht annimmt, bleibt nur die Abschiebung.« Wenig später fasste die Nachrichtenagentur dpa seine Aussagen unter der Schlagzeile »Illegal Eingewanderte müssen zurück« zusammen.
Für Lafontaine ist die Einwanderungsfrage vor allem eine soziale Frage. »Für die, die kommen, und für die, die schon hier leben.« Sie sei eine »nicht geklärte Frage innerhalb der Programmatik der LINKEN«, so der Vorsitzende der saarländischen Linksfraktion. Doch im Parteiprogramm ist die Frage eindeutig beantwortet: »Die LINKE richtet ihre Flüchtlingspolitik nach Humanität und Menschenrechten, so dass der Schutz von Menschen in Not im Vordergrund steht und nicht ordnungspolitische oder ökonomische Überlegungen«, ist dort zu lesen. Im aktuellen Entwurf für das Programm zur Bundestagswahl heißt es zudem: »Abschiebungen lehnen wir ab.«
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von »Pro Asyl«, sieht Lafontaine auf der gleichen Linie wie Union und rechte Sozialdemokraten. »Das Asylrecht entzieht sich jedoch einer staatlichen Steuerungspolitik oder Begrenzung, weil es Schutzsuchenden individuell zusteht«, so Burkhardt gegenüber »neues deutschland«. Die staatliche Steuerung endet, »wenn es um Menschen geht, die vor Terror, Krieg und Verfolgung fliehen«, so Burkhardt.
LINKE-Chefin Katja Kipping reagierte zurückhaltend auf die Äußerungen des Saarländers. »Oskar Lafontaine verteidigt wie ich das Grundrecht auf Asyl«, so Kipping auf einer Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus am Montag. Sie gehe davon aus, dass sich Lafontaine wie die Partei gegen die Massenabschiebungen nach Afghanistan einsetze. »Die Idee einer offenen Grenze steht für unser linkes Selbstverständnis einer solidarischen, weltoffenen Gesellschaft.«
Lafontaine selbst betonte gegenüber der »Welt«: »Wir dürfen es nicht rechten Parteien überlassen, die Probleme der Lohn- und Mietkonkurrenz anzusprechen.« Der ehemalige SPD-Chef machte immer wieder mit populistischen Äußerungen von sich Reden, die sich mal gegen den Zuzug von Russland-Deutschen, mal gegen »Fremdarbeiter« richteten. Bereits 1990 ließ der damalige saarländische Ministerpräsident Lafon- taine ein Papier erarbeiten, das Vorschläge enthielt, wie Asylsuchende »schon an der Grenze abgewiesen werden können«, wie der »Spiegel« damals schrieb.
Die Sätze, die Lafontaine den »Welt«-Redakteuren nun ins Mikrofon diktierte, lesen sich wie ein indirektes Plädoyer für ein anderes Grenzregime. So verwies er im In- terview auf den britischen Soziologen Colin Crouch, dem zufolge »der Ruf nach offenen Grenzen eine zentrale Forderung des Neoliberalismus« sei. Zudem würden Unternehmer den freizügigen Personenverkehr befürworten, um in Entwicklungsländern qualifizierte Arbeitskräfte abzuwerben und durch verstärkte Zuwanderung die Lohnkon- kurrenz zu verschärfen. Diese Konkurrenz ließe sich abschwächen durch einen streng kontrollierten Mindestlohn, allgemeinverbindliche Tarifverträge und mehr sozialen Wohnungsbau.
Während Lafontaines Interview noch für Diskussionen sorgte, einigten sich die Spitzen der großen Koalition am Montag darauf, die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zu beschleunigen. »Wir wissen alle, dass wir bei der Rückführung mehr tun müssen«, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in München. Bei einem Treffen mit dem scheidenden SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer sollte eine einheitliche Haltung der Bundesregierung für eine Konferenz mit den Länder-Ministerpräsidenten am Donnerstag erarbeitet werden. Es gehe um »eine nationale Kraftanstrengung«, sagte Merkel.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann präzisierte unterdessen seinen umstrittenen Vorschlag, im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach Nordafrika zurückzubringen. Es sei »völlig klar«, dass man nach Libyen derzeit keine Flüchtlinge zurückbringen könne. Gemeinsam mit stabilen Ländern in Nordafrika müsse man aber sichere »Aufnahmeeinrichtungen« schaffen, so Oppermann.