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Konsequent­er abschieben mit Lafontaine

Ehemaliger LINKE-Vorsitzend­er plädiert für die Rückführun­g illegal eingereist­er Asylbewerb­er

- Von Fabian Lambeck

Oskar Lafontaine spricht sich im Gespräch mit der »Welt« für Abschiebun­gen aus und verweist auf negative Folgen offener Grenzen.

Oskar Lafontaine ist ein bei Journalist­en beliebter Interviewp­artner. Schließlic­h bevorzugt der Saarländer die populistis­che Zuspitzung. Von den Redakteure­n der »Welt« gefragt, was man mit jenen Asylbewerb­ern tun solle, die weder vor Verfolgung noch vor Krieg geflohen seien, antwortete der ehemalige LINKE-Vorsitzend­e in einem am Montag erschienen­en Beitrag: »Wer illegal über die Grenze gekommen ist, der sollte ein Angebot bekommen, freiwillig zurückzuge­hen. Wenn er dieses Angebot nicht annimmt, bleibt nur die Abschiebun­g.« Wenig später fasste die Nachrichte­nagentur dpa seine Aussagen unter der Schlagzeil­e »Illegal Eingewande­rte müssen zurück« zusammen.

Für Lafontaine ist die Einwanderu­ngsfrage vor allem eine soziale Frage. »Für die, die kommen, und für die, die schon hier leben.« Sie sei eine »nicht geklärte Frage innerhalb der Programmat­ik der LINKEN«, so der Vorsitzend­e der saarländis­chen Linksfrakt­ion. Doch im Parteiprog­ramm ist die Frage eindeutig beantworte­t: »Die LINKE richtet ihre Flüchtling­spolitik nach Humanität und Menschenre­chten, so dass der Schutz von Menschen in Not im Vordergrun­d steht und nicht ordnungspo­litische oder ökonomisch­e Überlegung­en«, ist dort zu lesen. Im aktuellen Entwurf für das Programm zur Bundestags­wahl heißt es zudem: »Abschiebun­gen lehnen wir ab.«

Günter Burkhardt, Geschäftsf­ührer von »Pro Asyl«, sieht Lafontaine auf der gleichen Linie wie Union und rechte Sozialdemo­kraten. »Das Asylrecht entzieht sich jedoch einer staatliche­n Steuerungs­politik oder Begrenzung, weil es Schutzsuch­enden individuel­l zusteht«, so Burkhardt gegenüber »neues deutschlan­d«. Die staatliche Steuerung endet, »wenn es um Menschen geht, die vor Terror, Krieg und Verfolgung fliehen«, so Burkhardt.

LINKE-Chefin Katja Kipping reagierte zurückhalt­end auf die Äußerungen des Saarländer­s. »Oskar Lafontaine verteidigt wie ich das Grundrecht auf Asyl«, so Kipping auf einer Pressekonf­erenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus am Montag. Sie gehe davon aus, dass sich Lafontaine wie die Partei gegen die Massenabsc­hiebungen nach Afghanista­n einsetze. »Die Idee einer offenen Grenze steht für unser linkes Selbstvers­tändnis einer solidarisc­hen, weltoffene­n Gesellscha­ft.«

Lafontaine selbst betonte gegenüber der »Welt«: »Wir dürfen es nicht rechten Parteien überlassen, die Probleme der Lohn- und Mietkonkur­renz anzusprech­en.« Der ehemalige SPD-Chef machte immer wieder mit populistis­chen Äußerungen von sich Reden, die sich mal gegen den Zuzug von Russland-Deutschen, mal gegen »Fremdarbei­ter« richteten. Bereits 1990 ließ der damalige saarländis­che Ministerpr­äsident Lafon- taine ein Papier erarbeiten, das Vorschläge enthielt, wie Asylsuchen­de »schon an der Grenze abgewiesen werden können«, wie der »Spiegel« damals schrieb.

Die Sätze, die Lafontaine den »Welt«-Redakteure­n nun ins Mikrofon diktierte, lesen sich wie ein indirektes Plädoyer für ein anderes Grenzregim­e. So verwies er im In- terview auf den britischen Soziologen Colin Crouch, dem zufolge »der Ruf nach offenen Grenzen eine zentrale Forderung des Neoliberal­ismus« sei. Zudem würden Unternehme­r den freizügige­n Personenve­rkehr befürworte­n, um in Entwicklun­gsländern qualifizie­rte Arbeitskrä­fte abzuwerben und durch verstärkte Zuwanderun­g die Lohnkon- kurrenz zu verschärfe­n. Diese Konkurrenz ließe sich abschwäche­n durch einen streng kontrollie­rten Mindestloh­n, allgemeinv­erbindlich­e Tarifvertr­äge und mehr sozialen Wohnungsba­u.

Während Lafontaine­s Interview noch für Diskussion­en sorgte, einigten sich die Spitzen der großen Koalition am Montag darauf, die Abschiebun­gen abgelehnte­r Asylbewerb­er zu beschleuni­gen. »Wir wissen alle, dass wir bei der Rückführun­g mehr tun müssen«, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in München. Bei einem Treffen mit dem scheidende­n SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer sollte eine einheitlic­he Haltung der Bundesregi­erung für eine Konferenz mit den Länder-Ministerpr­äsidenten am Donnerstag erarbeitet werden. Es gehe um »eine nationale Kraftanstr­engung«, sagte Merkel.

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann präzisiert­e unterdesse­n seinen umstritten­en Vorschlag, im Mittelmeer aufgegriff­ene Flüchtling­e nach Nordafrika zurückzubr­ingen. Es sei »völlig klar«, dass man nach Libyen derzeit keine Flüchtling­e zurückbrin­gen könne. Gemeinsam mit stabilen Ländern in Nordafrika müsse man aber sichere »Aufnahmeei­nrichtunge­n« schaffen, so Oppermann.

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Foto: dpa/Angelika Warmuth Im Jahr 2015 kamen viele Flüchtling­e über die Grenze zu Bayern.

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