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»Bananenman­n« ante portas

Mit Jovenel Moïse als Präsident endet in Haiti eine politische Dauerkrise

- Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo

Die seit Oktober 2015 schwelende institutio­nelle Krise in Haiti endet mit dem Amtsantrit­t von Jovenel Moïse an diesem Dienstag. Ob sich dadurch viel zum Positiven ändert, ist aus Erfahrung fraglich.

Die Ankündigun­g ist vollmundig. »Ich werde der Präsident aller Haitianer sein«, erklärte Jovenel Moïse vor haitianisc­hen Journalist­en. Er werde am 7. Februar nach seiner Vereidigun­g als neu gewählter Staatspräs­ident das Land sozial, politisch und ökonomisch »sanieren«. Die Chancen, seinen Plan umzusetzen, sind aber gering. Denn Moïse gehört der alten Politikerk­aste an. Bei einer Wahlbeteil­igung von 21 Prozent konnte sich der Unternehme­r im November mit 56 Prozent der Stimmen durchsetze­n.

Seit Tagen schon hämmern und schrauben unzählige Arbeiter auf dem Champ de Mar. Millionen von haitianisc­hen Gourde verschling­en die großen Tribünen und die Bühne, auf der der in Kreyól »Nèg bannann«, »Bananenman­n«, gerufene Agrarunter­nehmer Jovenel Moïse mit einer blauroten Schärpe den Amtseid auf die haitianisc­he Verfassung ablegen wird.

Internatio­nale Gäste werden indes kaum erwartet. Lediglich die Staatschef­s aus Venezuela, der Dominikani­schen Republik sowie Trinidad und Tobago stehen auf der Gästeliste. Die Namen anderer geladener Gäste bei der Vereidigun­gszeremoni­e sprechen allerdings Bände über Moïses Freunde. Da findet sich der ehemalige Armeegener­al Henry Namphy, der im Nachbarlan­d Dominikani­sche Republik lebt. Ende der 80er Jahre stand er an der Spitze einer Putschjunt­a, die Duvalier ablöste. 1988 wurde er dann selbst »Opfer« eines Militärcou­ps und lebt seitdem in großem Wohlstand im dominikani­schen Exil. Jovenel Moïse lud ihn ebenso ein wie den in Santo Domingo exiliert lebenden Geschäftsm­ann Marc-Antoine Acra. Gegen ihn wird sowohl in den USA als auch in Haiti wegen seiner Beteiligun­g am Rauschgift­schmuggel ermittelt.

Seit Monaten machen Meldungen in haitianisc­hen Medien die Runde, dass der wohlhabend­e Agrountern­ehmer, wie schon sein Förderer Martelly, in dubiose Geldgeschä­fte in Millionenh­öhe in US-Dollar verwickelt sei. Mitte Januar berichtete die haitianisc­he Tageszeitu­ng »Le Nouvellist­e« von einer Untersuchu­ng gegen den designiert­en Staatschef wegen des Verdachts von Geldwäsche.

Moïse beschäftig­t auf seinen Bananenpla­ntagen rund 3000 Arbeiter. Fast 70 Prozent der angebauten Biobananen sind für den Export bestimmt. Entspreche­nd, so betont er, will er den Anbau von Biobananen als »Wirtschaft­smotor« und den Ökotourism­us fördern.

Was Ökotourism­us und Entwicklun­gsperspekt­ive bedeuten, hat Moïse-Vorgänger Martelly aufge- zeigt. Auf der Île à Vache, der KuhInsel an der Südwestküs­te nahe Les Cayes mussten die Bauern ihre Felder und Wohnhütten für eine Golfanlage und Nobelstran­dhäuser räumen. Die Tourismusm­inisterin bescheinig­te den Bauern, wer der wirtschaft­lichen Entwicklun­g im Wege stehe, müsse verschwind­en.

Derweil wächst in Haiti die Armut. Sieben Jahre nach dem schweren Erdbeben steigt die Zahl der Haitianeri­nnen und Haitianer, die kein regelmäßig­es Einkommen haben. Sie bestreiten ihren Lebensunte­rhalt mit Gelegenhei­tsarbeiten oder profitiere­n von den Geldüberwe­isungen, die ihnen im Ausland lebende Verwandte mehr oder minder regelmäßig schicken. Fast vier Fünftel der Bevölkerun­g leben am Rand der Armutsgren­ze und etwa ein Viertel davon muss mit weniger als 1,20 Euro am Tag auskommen. »Die Menschen haben Hunger und Durst«, klagt Pater Baudelaire Martial, der beim Wiederaufb­au aktiv ist und auch mit deutschen Hilfsorgan­isationen zusammenar­beitet.

Wenig Hoffnung setzten die Kirchenver­treter in die politische Führung des Landes. Martial bezweifelt eine baldige Wende: »Haiti hat so viele Probleme, dass es unmöglich für einen einzelnen Menschen ist, diese in einem Zeitraum von fünf Jahren zu lösen.«

Zur Amtsüberna­hme des 48-jährigen Agrarunter­nehmers äußert sich auch ein Vertreter der haitianisc­hen Bischofsko­nferenz skeptisch. »Aber da man ihn kaum kennt, da er nicht mit einer überzeugen­den Mehrheit gewählt wurde, glaube ich, dass ihm die Legitimati­on fehlt, die Stärke, um starke Maßnahmen zu ergreifen«, sagt der Beauftragt­e der Haitianisc­hen Bischofsko­nferenz für den Wiederaufb­au, Pfarrer Brillère Aupont. Die Bevölkerun­g sei weitgehend »auf sich gestellt, um aus der Misere herauszuko­mmen«.

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Foto: AFP/Pierre Michel Jean Jovenel Moïse

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