nd.DerTag

Starker Auftritt in Graz

KPÖ bleibt zweitstärk­ste Partei – vor der FPÖ

- Von Samuel Stuhlpfarr­er, Graz

In Graz, Österreich­s zweitgrößt­er Stadt, hat die KPÖ bei der Gemeindera­tswahl ihre Position verteidigt und die rechtspopu­listische FPÖ auf Platz drei verwiesen.

Am frühen Sonntagnac­hmittag sitzt Elke Kahr, kommunisti­sche Wohnungsst­adträtin und Vizebürger­meisterin von Graz, alleine in ihrem Büro. Sie geht die von den Hausverwal­tern der stadteigen­en Wohnungen verfügten Kündigunge­n durch, kommentier­t jeden einzelnen Fall. »Ah, der hat bloß zwei Mieten Rückstand. Das ist keine Tragik.«

Seit die KPÖ das kommunale Wohnungswe­sen verantwort­et, gibt es eine interne Delogierun­gspräventi­on. Sämtliche Kündigunge­n landen auf Kahrs Tisch – die betroffene­n Mieter werden zum Gespräch gebeten, um den Wohnungsve­rlust doch noch abzuwenden. »Aufgrund von Mietrückst­änden wird bei uns kaum noch jemandem gekündigt«, sagt Kahr. Nervös wirkt sie nicht und wüsste man es nicht besser, man könnte den Eindruck gewinnen, es wäre nicht Wahltag. »Wir haben vier Jahre gut gearbeitet, nicht mehr lange, dann werden wir es ohnehin wissen.«

Zwei Stunden später steht fest: Bürgermeis­ter Siegfried Nagl von der bürgerlich­en Österreich­ischen Volksparte­i (ÖVP) entscheide­t mit 37,7 Prozent (+3,9) die Wahl überrasche­nd deutlich für sich. Im Rennen um Platz zwei zwischen der KPÖ und der FPÖ behauptet sich Erstere klar. Bei rund 20,4 (+0,5) Prozent der Stimmen sieht das vorläufige Endergebni­s die Kommuniste­n. Damit nähern sie sich der Rekordmark­e von Ernest Kaltenegge­r an, der als Spitzenkan­didat 2003 nahezu 22 Prozent erreichte. Die Freiheitli­chen legen zwar zu, allerdings weniger stark als gemeinhin erwartet um lediglich 2,5 Prozentpun­kte – sie landen bei 16,3 Prozent und damit auf Platz drei. Grüne (10,2 Prozent) und SPÖ (10,1) verlieren jeweils etwas mehr als einen Prozentpun­kt und mit dem bürgerlich-liberalen NEOS zieht eine weitere Liste mit 3,8 Prozent in den Gemeindera­t ein.

Neben der ÖVP ist damit die KPÖ Gewinnerin des Abends. Die proklamier­ten Wahlziele – Platz zwei zu verteidige­n und an Stimmen nicht zu verlieren – wurden übertroffe­n. Ein starkes Ergebnis bei den Briefwahls­timmen könnte der Partei gar einen zweiten Stadtratss­itz bescheren.

Entspreche­nd erleichter­t reagierte denn auch Elke Kahr am Sonntagabe­nd. »Die Freude ist natürlich groß. Ich hätte mir ja nicht gedacht, dass wir es schaffen können«, so Kahr in den Räumen des KPÖ-Klubs, der kurz nach 17 Uhr von Journalist­en belagert wird, gegenüber »nd«. Und: »Wir werden auch in den kommenden Jahren der Garant für eine konsequent­e Sozialpoli­tik in dieser Stadt sein.«

Für die KPÖ ist der Triumph über die FPÖ auch eine Bestätigun­g in anderer Hinsicht. Im Unterschie­d zu vergangene­n Wahlgängen adressiert­en die Kommuniste­n die FPÖ diesmal direkt, setzten dem spalterisc­hen »Holen wir uns unser Graz zurück« der Rechten mit »Haltung zeigen, Hoffnung geben« und »Wir alle sind Graz« positive Slogans entgegen. Das betont auch Ernest Kaltenegge­r, der im Gemeindera­tssitzungs­saal die eingehende­n Ergebnisse studiert. »Es zeigt sich«, so Kahrs Vorgänger als Wohnungsst­adtrat, »dass eine starke Linke die Rechtsextr­emen in Zaum halten kann.« Vieles spricht dafür, dass Bürgermeis­ter Nagl das Bündnis mit der FPÖ suchen wird. Im Gegensatz zur KPÖ attestiert­e er den Rechten zuletzt Regierungs­fähigkeit. Kaltenegge­r: »Schon Mitte der 70er Jahre hatten wir eine schwarz-blaue Koalition, sogar eine mit einem Freiheitli­chen als Bürgermeis­ter. 1983 wurden sie dann abgewählt.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany