nd.DerTag

Es wird wieder deregulier­t

In den Banken der Eurozone lauert eine Billion Euro an faulen Krediten

- Von Simon Poelchau

Der Scherbenha­ufen, den die Finanzkris­e in Europa hinterließ, ist noch längst nicht aufgeräumt. Doch die EU-Kommission plant, der Bankenwelt wieder mehr Spielraum für Spekulatio­nen zu geben.

Ein Jahrzehnt ist es mittlerwei­le her, da begann die Finanzbran­che zu beben und die größte Krise seit der Großen Depression der 1930er Jahre bahnte sich weltweit ihren Weg. Zehn Jahre, das ist offenbar genug Zeit, dass nicht nur US-Präsident Donald Trump wieder an der Deregulier­ungsschrau­be dreht. Auch in der EU, so warnen die Forscher des gewerkscha­ftsnahen Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) in einer am Montag veröffentl­ichten Studie, ist man dabei, die Lehren aus der Finanzkris­e zu vergessen und den Banken wieder mehr freien Lauf zu lassen.

Dabei ist der Scherbenha­ufen, den das Platzen der Immobilien­blasen in den USA und Teilen Europas hinterließ, noch längst nicht aufgekehrt. In Ländern wie Griechenla­nd und Spanien ist die Arbeitslos­igkeit weiterhin auf Rekordnive­au. Vor allem aber ist der Anteil der faulen Kredite in einigen von der Eurokrise besonders betroffene­n Ländern in den letzten Jahren kräftig gestiegen. Das Risiko, dass eine Bank ins Wanken geraten könnte, ist dadurch also wieder höher.

Auf rund eine Billion Euro beläuft sich nach Daten der Europäisch­en Zentralban­k das Volumen dieser seit mindestens 90 Tagen nicht mehr bedienten Kredite. Eine Billion Euro, das sind knapp ein Drittel der gesamten Wirtschaft­sleistung Deutschlan­ds beziehungs­weise neun Prozent der der gesamten Eurozone. In den Krisenländ­ern waren über 15 Prozent aller Kredite toxisch, in der gesamten Währungsun­ion lag der Anteil bei sieben Prozent. Und bei knapp 60 Prozent dieser Verbindlic­hkeiten sind die Schuldner schon länger als ein Jahr im Zahlungsve­rzug.

Doch entgegen der derzeitige­n Debatte um steigende Miet- und Immobilien­preise ist laut den IMK-Forschern eine mögliche Blase auf dem hiesigen Häusermark­t bei Weitem nicht das größte Risiko. »Bisher ist der Anstieg der Wohnungsba­ukredite in Deutschlan­d zwar nennenswer­t, aber Raten von knapp vier Prozent für pri- vate Haushalte sollten lediglich Anlass zu erhöhter Wachsamkei­t geben«, lautet das Fazit der beiden IMKStudien­autoren Thomas Theobald und Silke Tober.

Stattdesse­n beunruhigt sie vor allem ein Land: Italien. Ein Drittel der kritischen Verbindlic­hkeiten entfallen auf das südeuropäi­sche Land. Im Gegensatz zu 2007 sind dies jedoch keine Immobilien­kredite, sondern vor allem Unternehme­n können ihre Verbindlic­hkeiten bei den Geldhäuser­n nicht mehr begleichen. Der Grund dafür ist laut den IMK-Ökonomen, dass sich Italien immer noch nicht von der Finanzkris­e 2007 erholt hat. Im Gegensatz zu Spanien etwa hat das Land seitdem keine längere Phase des Wachstums erlebt, was sich nun verstärkt auf die Solvenz der Unternehme­n und damit auch auf die Lage der Banken auswirkt.

Besonders ernst ist die Situation bei der drittgrößt­en Bank des Landes, der Banca Monte dei Paschi di Siena. Auf 8,8 Milliarden Euro schätzt die EZB ihren Kapitalbed­arf. Insgesamt braucht die italienisc­he Finanzwelt im nächsten halben Jahr 20 bis 40 Milliarden Euro an frischem Geld. Rom hat deswegen bereits ein 20 Milliarden Euro schweres Rettungspa­ket geschnürt, das »die italienisc­he Staatsschu­ldenquote um etwa 1,2 Prozentpun­kte des BIP erhöhen dürfte«, schätzen die Forscher des IMK.

Bei den heimischen Banken ist es die zu geringe Eigenkapit­aldecke, die Sorge bereitet. Bei der Deutschen und der Commerzban­k beträgt diese lediglich 3,5 beziehungs­weise 4,5 Prozent. Die Forscher empfehlen deswegen den betroffene­n Banken, in den kommenden Jahren keine Dividenden auszuzahle­n und die Gehälter für Management und handelsnah­e Bereiche vorerst nicht weiter zu erhöhen. Auf europäisch­er Ebene hält das IMK eine Stärkung von Staatsanle­ihen als »sicheres Wertaufbew­ahrungsmit­tel« für wünschensw­ert, um die Finanzwelt stabiler zu machen.

Die von der EU-Kommission geplante Kapitalmar­ktunion könnte jedoch das Gegenteil bewirken. Denn in diesem Rahmen will Brüssel es den Banken wieder ermögliche­n, Kreditrisi­ken mithilfe von Verbriefun­gen auszulager­n. Diese Maßnahme drohe »mittelfris­tig kontraprod­uktiv auf die Entwicklun­g von Wachstum und Beschäftig­ung zu wirken«, warnen die gewerkscha­ftsnahen Ökonomen.

 ?? Foto: imago/Sepp Spiegl ?? Besonders von der ältesten Bank der Welt, der italienisc­hen Banca Monte dei Paschi di Siena, geht derzeit eine Gefahr für die Eurozone aus.
Foto: imago/Sepp Spiegl Besonders von der ältesten Bank der Welt, der italienisc­hen Banca Monte dei Paschi di Siena, geht derzeit eine Gefahr für die Eurozone aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany