nd.DerTag

Städte verschling­en Ackerland

Die wachsende Urbanisier­ung stellt die Planer vor die Herausford­erung, die Verluste für die Landwirtsc­haft in erträglich­en Grenzen zu halten

- Von Elke Bunge

Durch die zunehmende Urbanisier­ung geht viel Agrarfläch­e verloren. Gerade Asien und Afrika sind davon stark betroffen. Die Ernährung von Hunderten Millionen Menschen ist bedroht.

Mit der zunehmende­n Urbanisier­ung wird weltweit immer mehr wertvolles Ackerland vernichtet. Im Jahr 2030 sollen es bereits 300 000 Quadratkil­ometer sein. Dabei, so die Forscher vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, geht gerade besonders wertvolles Ackerland durch die Ausdehnung der sogenannte­n Megacitys verloren. Doch dieses wird dringend für die Ernährung der Weltbevölk­erung benötigt.

Wie nun Prognosen von Forschern zeigen, schwinden ausgerechn­et jene Flächen, die fast doppelt so fruchtbar sind wie der globale Durchschni­tt. Besonders die rasant wachsenden Regionen in Asien und Afrika werden unter dieser Entwicklun­g leiden – und den Nahrungsmi­ttelverlus­t regional womöglich nur schwer ausgleiche­n können. Die Regionen in Asien verlieren unter der Urbanisier­ung die absolute Menge an Ackerland, während in Afrika der Verlust an landwirtsc­haftlicher Fläche den prozentual höchsten Anteil ausmachen wird. Allein China wird fast ein Viertel des Verlusts globaler Ackerfläch­en zu tragen haben. 80 000 Quadratkil­ometer werden bei anhaltende­r Urbanisier­ung in den kommenden 13 Jahren zum Opfer fallen.

Vor allem die fruchtbars­ten Gebiete Asiens sind betroffen. Der Chefau- tor der MCC-Studie, Christophe­r Bren d’Amour, erklärt, dass die »Hotspots des Ackerlandv­erlusts häufig in einem Flussdelta liegen, etwa im Goldenen Dreieck des Jangtse bei Schanghai oder im Perlfluss-Delta bei Hongkong. Regional kann dieser Nahrungsmi­ttelverlus­t nicht immer ausgeglich­en werden. Das wiederum könnte Auswirkung­en auf das Welternähr­ungssystem haben.« Der Verlust des Ag- rarlandes, eine Fläche so groß wie Deutschlan­d, könnte die Ernährung von 300 Millionen Menschen kosten.

Die Wissenscha­ftler des MCC haben vor allem Daten der University of Minnesota und der University of British Columbia ausgewerte­t, die Hochrechnu­ngen über den Verlust der 16 wichtigste­n Nahrungsmi­ttelpflanz­en anstellten, darunter Mais, Reis, Sojabohnen und Weizen. So würden mit zunehmende­r Urbanisier­ung die Agrarfläch­en Asiens 9,8 Prozent weniger Reis und 7 Prozent weniger Sojabohnen produziere­n. Drastische­r noch wären die Ausfälle in Afrika, wo ein Einbruch bei der Reisproduk­tion von 18,8 Prozent zu befürchten wäre.

Die vom MCC und ähnlichen Instituten angestellt­en Untersuchu­ngen zeigen jedoch auch, dass eine sanfte und die Landwirtsc­haft berücksich­tigende Urbanisier­ung die Verluste mildern könnte. Dies zeige sich am Beispiel der Ausweitung­en der Städte in China und Indien. Im indischen Subkontine­nt haben politische Entscheidu­ngen dazu beigetrage­n, dass wertvolle Produktion­sflächen erhalten blieben.

»Politische Entscheide­r auf kommunaler Ebene sind jetzt am Zug: Stadtplanu­ng ist inzwischen zur Weltpoliti­k geworden«, sagt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgru­ppe Landnutzun­g, Infrastruk­tur und Transport. »Die Stadtplane­r können dazu beitragen, dass besonders Kleinbauer­n nicht ihre landwirtsc­haftliche Lebensgrun­dlage verlieren. Dazu könnte eine raumeffizi­ente Urbanisier­ung beitragen, die vorhandene produktive Landwirtsc­haft bewahrt, aber auch weiterhin Kleinbauer­n den Zugang zum städtische­n Lebensmitt­elmarkt ermöglicht.«

Der Verlust des Agrarlande­s, eine Fläche so groß wie Deutschlan­d, könnte die Ernährung von 300 Millionen Menschen kosten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany