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Müller ist ein einsamer Rufer in der EU-Wüste

- Martin Ling über einen MarshallPl­an für Syrien und Irak

Als Herz-Jesu-Sozialist ist Gerd Müller über jeden Zweifel erhaben: »Teile mit den Schwachen, übernehme Verantwort­ung«. Diese Losung hat der deutsche Entwicklun­gsminister für die Flüchtling­shilfe ausgegeben: In Nordirak hat sich der CSU-Politiker gerade vor Ort ein Bild gemacht. Dort ist die deutsche Entwicklun­gszusammen­arbeit aktiv, zum Beispiel mit dem sinnigen »Cash-for-Work-Programm«, in dessen Rahmen im Wiederaufb­au tätige einheimisc­he Handwerker mit rund 400 Euro im Monat bedacht werden. Immerhin ein Tropfen auf den heißen Stein.

Müller nimmt die Europäisch­e Union verbal in die Pflicht. Es sei beschämend, dass die EU-Mitgliedss­taaten und die EU-Kommission nicht willens wären, zehn Milliarden Euro aufzubring­en, um einen Marshallpl­an für Syrien und Irak auf den Weg zu bringen, der über die kurzfristi­ge Nothilfe hinaus mittelfris­tig Perspektiv­en schaffe. Denn für Müller ist klar: »Hunger, Elend, Perspektiv­losigkeit« sind die Fluchtursa­chen, deren Bekämpfung die conditio sine qua non ist. Damit hat er recht und zehn Millionen Menschen sind allein in Syrien und Irak auf der Flucht.

Müller hat sogar recht mit seiner Rechnung, dass es erheblich billiger sei, mit 500 Euro pro Jahr eine Flüchtling­sfamilie vor Ort zu versorgen, als das x-Fache dafür zum Beispiel in Deutschlan­d aufwenden zu müssen. Fakt aber ist: Die Europäisch­e Union inklusive Deutschlan­d hat einen ganz anderen Schwerpunk­t als die Beseitigun­g von Fluchtursa­chen, die nur alibimäßig betrieben wird. Es werden die Schotten dicht gemacht und mit unfairem Handel neue Fluchtursa­chen geschaffen. Müllers Appelle bleiben ungehört.

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