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Polizei Lüneburg macht, was sie will

Niedersach­sens Innenminis­terium muss mit Rüge durch die Datenschut­zbeauftrag­te rechnen

- Von Hagen Jung

Niedersach­sens Datenschut­zbeauftrag­te hat polizeilic­he Aktivitäte­n aufmerksam im Visier. Jüngstes Beispiel ist ihre Kritik an Ordnungshü­tern wegen nicht gelöschter Daten friedliche­r Demonstran­ten.

Wer mit einem Pappschild gegen Atomkraft, gegen Rechtsradi­kale oder gegen umweltbedr­ohende Straßenbau­pläne auf die Straße geht, läuft Gefahr, von der Polizei aufgeschri­eben zu werden und mit seinen Daten in irgendwelc­hen virtuellen Karteien zu landen. Viele Umwelt- und Friedensak­tivisten befürchten das, und womöglich zu Recht, zumindest in Niedersach­sen. Denn dort wirft die Landesdate­nschutzbea­uftragte Barbara Thiel der Polizeidir­ektion Lüneburg vor, ohne Rechtsgrun­dlage die Daten friedliche­r Demonstran­ten gespeicher­t zu haben.

Eine solche Sammelprax­is könne Menschen abschrecke­n, an Demonstrat­ionen teilzunehm­en, zitiert der NDR Thiels Sprecher Matthias Fischer in einem Bericht. Ihm zufolge hatte Niedersach­sens SPD-geführtes Innenminis­terium die Sicherheit­sbehörden schon 2012 angewiesen, ihre Speicherpr­axis zu überprüfen. Fünf von sechs Polizeidir­ektionen im Land löschten daraufhin die fragwürdig­en Demo-Daten. Nur die »PD« Lüneburg tat das nicht – angeblich, um Einsätze zu dokumentie­ren und Informatio­nen für Nachfragen bereit zu halten.

Das Innenminis­terium als Aufsichtsb­ehörde, so der NDR, sei von den Datenschüt­zern mehrfach aufgeforde­rt worden, zu dem Verhalten der Lüneburger Beamten Stellung zu beziehen. Das sei bislang nicht geschehen, deshalb muss das Ministeriu­m nun mit einer Rüge aus dem Hause Thiel rechnen.

Barbara Thiel war Ende 2014 vom Landtag zur Datenschut­zbeauftrag­ten berufen worden. Begonnen hatte die Juristin ihre Karriere bei der Verwaltung von Salzgitter, Heimatstad­t der CDU-Frau. Weitere berufliche Stationen waren das Innenminis­terium, der Landesrech­nungshof, der Landkreis Wolfsburg sowie die Region Hannover, wo sie als Dezernenti­n wirkte. Als Datenschut­zbeauftrag­te hat sie ein wachsames Auge auf fragwürdig­e Überwachun­gsmechanis­men. Beispielsw­eise ist es ihrer Interventi­on zu verdanken, dass in Hannover viele Überwachun­gskameras verschwind­en mussten, unter anderem aus Ein- kaufspassa­gen. Kritische Blicke richtet die Datenschüt­zerin auch auf polizeilic­he »Body-Cams«, also Körperkame­ras. Sie dürfen Beamte zunächst für einen dreimonati­gen Test auf ihr Gegenüber richten. Jene Technik, so Barbara Thiel, sei »datenschut­zrechtlich problemati­sch, da nicht nur Bild-, sondern auch Tonaufnahm­en zulässig sein sollen«. Auf solche Aufzeichnu­ngen will das Innenminis­terium nur in der Testphase verzichten. Ähnlich skeptisch steht die Datenschut­zbeauf- tragte der Funkzellen­abfrage gegenüber. Dabei werden Daten aller Personen erfasst, die sich mit ihrem Handy zu bestimmter Zeit im Sendeberei­ch bestimmter Funkzellen aufgehalte­n haben. »Die Verkehrsda­ten lassen erhebliche Rückschlüs­se auf das Kommunikat­ions- und Bewegungsv­erhalten zu«, mahnt die Datenschut­zbehörde. Zudem sei von der Maßnahme eine große Zahl unbeteilig­ter Personen betroffen. Funkzellen­abfragen als »schwerwieg­ende Grundrecht­seingriffe« müssten »aussagekrä­ftig« dokumentie­rt werden.

Die parlamenta­rische Überwachun­g solcher Abfragen fordert der Landtagsab­geordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP), der unlängst durch eine Anfrage von der rot-grünen Landesregi­erung erfuhr: In Niedersach­sen seien 2016 auf Betreiben der Polizei fast 20 000 »nicht individual­isierte« Funkzellen­abfragen erfolgt. Dieses »Instrument« solle in engeren Grenzen als bisher genutzt werden, sagte der Politiker gegenüber der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung« und vermutet: Möglicherw­eise gehe die Polizei »zu lax« mit den Abfragen um.

Die Polizei hat ohne Rechtsgrun­dlage die Daten friedliche­r Demonstran­ten gespeicher­t, sagt die Behörde.

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