nd.DerTag

Keine Zeit für Besinnung und wirkliche Trauer

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Zu einem Besuch im KZ Auschwitz

Auschwitz: Ein Ort der Mahnung und Erinnerung. Nicht mehr! Auschwitz ist kein Ort des Nachdenken­s, Auschwitz ist zu einem Ort der Besichtigu­ng deklassier­t.

Auschwitz ist das Synonym für den Massenmord der Nazis an den europäisch­en Juden. Auschwitz ist der Rassenwahn der deutschen Geschichte. Diesen Eindruck hatten wir während einer Studienfah­rt im Dezember mit den Schülerinn­en und Schülern nach Auschwitz.

Am Montagmorg­en kamen wir im Stammlager KL Auschwitz 1 an. Es waren an diesem Tag sowie an den folgenden vier Tagen Tausende Besucher aus Europa, aus Japan und Afrika da. Sie kamen mit Bussen, Motorräder­n oder Wohnwagen. Für die Führung durch das Stammlager und am folgenden Tag durch das Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau bekamen wir zwei Museumspäd­agoginnen zur Seite gestellt, die uns viele Informatio­nen lieferten. Unter anderem die, dass bis Ende August 2016 bereits über eine Milli- on Besucher das Stammlager Auschwitz 1 und das Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau 2 besuchten. So wurden wir zweieinhal­b Stunden durch das Stammlager im Schnellgan­g und ohne große Erklärunge­n abgefertig­t. Zeit der Besinnung, des Nachdenken­s, des Nachfragen­s war nicht möglich.

Am nächsten Tag besuchten wir Auschwitz-Birkenau, das Lager, in dem es nur noch ums Töten ging. Anders als im Stammlager Auschwitz 1 wirkt es nicht wie ein Museum. Das Lager spricht für sich, die Größe macht es aus. In den niedrigen Backsteinb­auten sahen wir die Holzversch­läge, in denen unter anderem Kinder hausen mussten, die Josef Mengele für seine pseudowiss­enschaftli­chen Versuche qualvoll missbrauch­te und anschließe­nd töten ließ. Wir unterhielt­en uns instinktiv leise, und die Trauer erreichte uns immer mehr.

Anschließe­nd gingen wir dahin, wo früher die Gaskammern und Krematorie­n standen. Auch hier war viel zu wenig Zeit, um Fragen zu stellen, oder Zeit zum Nachdenken und für Besinnung. Wir hoffen inständig, dass Auschwitz wieder zu einem Ort des Nachdenken­s wird. Ein ausschließ­licher Ort der Besichtigu­ng darf es nicht bleiben. Es muss dort möglich sein, zu trauern, zu weinen. Rudolf Frei, Bad Schwartau

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