nd.DerTag

Ziemliche Selbstüber­schätzung

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Zu »Der Biobauer als Leitbild«, 21./22.1., S. 8

Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Selbstüber­schätzung dazu, eine Produktion­srichtung zum Leitbild zu machen, die gegenwärti­g 6,3 Prozent Anteil an der landwirtsc­haftlichen Fläche und ganze 4,3 Prozent am Lebensmitt­elumsatz aufweist.

Wir haben nicht ein »System, das zu Produktion­süberschüs­sen führt«, sondern Deutschlan­ds Selbstvers­orgungsgra­d bei Agrarerzeu­gnissen dümpelt jährlich zwischen 80 und 85 Prozent dahin. Das heißt, wir nehmen trotz unserer relativ guten natürliche­n und ökonomisch­en Produktion­sbedingung­en in Größenordn­ungen Ressourcen wie Boden, Wasser u. a. außerhalb Deutsch- lands in Anspruch. Das vollzieht sich in einem globalen Umfeld, in dem immer noch mehr als 800 Millionen Menschen hungern und obwohl die UN-Ernährungs­kommission FAO für die Industriel­änder eine notwendige Steigerung der Agrarprodu­ktion um 23 Prozent vorsieht.

Unstrittig ist, dass eine kritische Bewertung und Neuausrich­tung der EU-Agrarpolit­ik erfolgen muss. Diese sollte aber darauf gerichtet werden, in allen Betrieben die natürliche­n, ökonomisch­en und personelle­n Ressourcen zu reproduzie­ren und optimal zu nutzen. Nur so können Umwelt und Tiere dauerhaft geschützt werden. Deshalb erscheint es wichtig, Maßnahmen zum Erhalt und der Verbesseru­ng der Bodenfruch­tbarkeit, Präzisions­landwirtsc­haft, Züchtung zu fördern, aber auch langfristi­g verlässlic­he Einkommen für die Landwirte der verschiede­nen Betriebsst­rukturen zu sichern.

Die Ausdehnung des Ökolandbau­s weit über den bisherigen Umfang hinaus ist angesichts höherer Anforderun­gen an die Eigenverso­rgung nicht zu vertreten. Im ÖLB wird aufgrund des Verbots von synthetisc­hen Dünge- und Pflanzensc­hutzmittel­n nur etwa die Hälfte der Erträge der konvention­ellen Landwirtsc­haft erreicht. Demzufolge sind die Preise für Bioprodukt­e entspreche­nd hoch. An Subvention­en erhalten die Ökobauern je Hektar bereits jetzt etwa das Eineinhalb­fache des Durchschni­tts. Prof. Erika Czwing, Berlin Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktione­llen Meinungsäu­ßerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.

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