Eine unvergessliche Nacht
Der Super Bowl war weniger politisch als erwartet, begeisterte aber mit Rekorden
Die New England Patriots gewinnen nach einem Rekordcomeback zum 34:28 den Super Bowl gegen Atlanta. Rekorde, Pathos und viel Spannung gab’s noch obendrauf.
Die 97. Saison der National Football League (NFL) ist vorbei. Begonnen hatte sie sehr politisch. Mittendrin übernahm Donald Trump die Macht im Weißen Haus, weshalb nicht wenige darauf gehofft hatten, dass diese Spielzeit auch mit einem großen politischen Knall zu Ende gehen würde. Doch am späten Sonntagabend in Houston schrieb der Sport die Schlagzeilen – und zwar mehr als die des simplen Ergebnisses: New England Patriots - Atlanta Falcons 34:28.
Fünf Monate zuvor hatte Colin Kaepernick für Aufsehen gesorgt, der Quarterback der San Francisco 49ers, der sich beim Saisonstart weigerte, zur obligatorisch eingespielten US-Nationalhymne von seinem Sitz zu erheben. Er wollte damit gegen die immer noch herrschende Rassendiskriminierung in den USA protestieren. Unter Schwarzen und Linken wurde der Spielmacher plötzlich zum Helden, unter Konservativen zum Verräter von Land und Armee. Kae- pernick hatte mitten im polarisierenden Wahlkampf in eine Wunde gestochen, die nach Trumps Sieg heute nur noch offener klafft.
So war mit Spannung erwartet worden, ob auch das Finalspiel, dieser 51. Super Bowl, von einer politischen Botschaft überschattet werden würde. Als Kandidatin dafür galt Lady Gaga. Der Popstar, der mit Hillary Clinton auf Wahlkampftournee unterwegs war und Trump schon oft kritisiert hatte, war vor Monaten als Entertainerin für die Halbzeitshow gebucht worden. Außer ein paar Zeilen aus »God Bless America«, dem Protestsong »This Land Is Your Land« und dem allseits bekannten Treuegelöbnis hielt sie sich jedoch merklich zurück: »Dieses Land ist Dein Land / dieses Land ist mein Land / dieses Land wurde für Dich und mich gemacht ... Eine Nation unter Gott, untrennbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für jeden.« Eine Botschaft der Einheit statt einer der Trennung oder des Protests. »Ich sorge dafür, dass Ihr Euch glücklich fühlt«, sagte Gaga noch und begann zu singen und zu tanzen. Einfach mal für einen Moment abschalten und entspannen, schien die Devise zu sein.
Das Spiel an sich war ja auch schon aufregend genug. Den großen Quar- terback Tom Brady und seine Patriots hatten die als Außenseiter geltenden Falcons aus Atlanta in der ersten Halbzeit ganz schön in die Mangel genommen. Anfangs des dritten Viertels baute die Truppe aus Georgia ihre Führung gar auf 28:3 aus, und der Regisseur des Fernsehsenders Fox blendete zum dritten Mal die Statistik ein, dass in 50 Jahren Super Bowl noch kein Team einen Rückstand von mehr als zehn Punkten noch in einen Sieg umgebogen hatte. Ganz so, als wollte er sagen: Das Ding ist durch!
Doch plötzlich kamen die Falcons nicht mehr an Brady heran, dessen Pässe immer häufiger den gewünschten Ballfänger fanden. Langsam aber sicher verringerte New England den Rückstand, während Atlantas bester Offensive der Liga nichts mehr gelingen wollte. 57 Sekunden vor dem Ende schafften die Patriots den Ausgleich, und erstmals ging ein Super Bowl in die Verlängerung. Die entschied Brady mit einem weiteren Pass auf James White zum Sieg. Statistiken sind eben doch nur dazu da, um irgendwann widerlegt zu werden.
Die Kommentatoren feierten Brady dafür, dass er seine Mannschaft zum nie da gewesenen Comeback geführt hatte. »Er ist der Beste«, brüllte auch TeamkollegeMalcolm Butler ins Mikrofon. »In der Halbzeit war uns klar, dass wir niemals aufgeben und diese Nacht zu einer machen, an die sich alle erinnern werden«, quoll das Pathos nur so aus Butler heraus.
Dabei sind solche Aufholjagden gar nicht so selten. Nicht umsonst warnen Kommentatoren stets davor, den Fernseher zu früh auszuschalten. Im Football könne schließlich alles passieren, heißt es dann immer. Nur im Super Bowl war es erstaunlicherweise eben noch nie passiert.
Das 25-Punkte-Comeback blieb nicht die einzige Bestmarke des Abends. New Englands Trainer Bill Belichick ist mit fünf Titeln nun der erfolgreichste Trainer der NFL-Historie, Brady mit fünf Super Bowls und vier Auszeichnungen zum wertvollsten Finalspieler der beste Quarterback.
Doch der heimliche Starwar James White. 14 gefangene Pässe sind ein kaum beachteter neuer Rekord, und White gelangen zudem drei Touchdowns, darunter der zum Ausgleich und der zum Sieg. Ausgerechnet ein Schwarzer mit dem Namen White, den vermutlich einer seiner Vorfahren einst als Sklave von seinem weißen Besitzer aufgedrückt bekam. Irgendwie doch noch das passende Ende dieser Footballsaison.