Lady Liberty und der #MuslimBan
Müsste die Freiheitsstatue heute draußen bleiben?
Mit seinem Einreiseverbot für Muslime gibt sich Donald Trump als Werte-Verteidiger. Dabei ist das Symbol amerikanischer Freiheiten schlechthin selbst muslimisch. Ein kleines bisschen zumindest.
Seitdem der neue US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung wahr machte und Bürgern von sieben mehrheitlich muslimischen Ländern die Einreise verwehrt, nehmen die Schreckensmeldungen der amerikanischen Einwanderungspolitik kein Ende: Manager auf Geschäftsreise kommen nicht mehr in ihre Büros zurück; Familien werden auseinandergerissen, Flüchtlinge, die oft jahrelang auf ihre lebensrettende Einreisegenehmigung warteten, werden mit einem Stempeldruck aller Hoffnungen beraubt.
Selbst die berühmteste aller amerikanischen Migrantinnen dürfte unter Donald Trump wohl nicht mehr einreisen, wäre ihr 46 Meter hoher Körper nicht ohnehin längst an einem hunderte Tonnen schweren Sockel festgeschraubt. Lady Liberty, das bekannteste Symbol amerikanischer Freiheiten und zugleich die erste Amerikanerin, die Millionen von Migranten zu Gesicht bekamen, ist selbst eine muslimische Migrantin. Ein bisschen zumindest.
Die offizielle und migrationspolitisch wenig problematische Geschichte von »Liberty Enlightening the World« – so der offizielle Name der Statue – geht in etwa so: Während Amerikaner im Bürgerkrieg miteinander um ihre Interpretation von Freiheit kämpften, kommt dem französischen Politiker Édouard René de Laboulaye 1865 die Idee zum ultimativen Geburtstagsgeschenk. Zum hundertjährigen Jubiläum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1876 soll eine Statue nie dagewesener Ausmaße zum amerikanischen Freiheitssymbol werden. Sein Landsmann und Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi greift die Idee auf und 200 mit Kupferplatten voll gepackte Kisten, 3000 Seemeilen Dampferfahrt und ein paar Millionenspenden reicher amerikanischer Patrioten später wird Lady Liberty am 28. Oktober 1886 im Hafen von New York eingeweiht.
Weniger bekannt sind hingegen die arabischen Wurzeln jener Frau, die wie keine andere für die einstige migrationspolitische Offenheit der Vereinigten Staaten steht. Denn die Geschichte des berühmtesten Symbols amerikanischer Freiheiten beginnt weder im revolutionären Frankreich noch im Bürgerkriegs-Amerika. Sie beginnt in der ägyptischen Wüste.
1855 besuchte der spätere Designer der Statue Frédéric-Auguste Bart- holdi das Land. Sein Plan: Bei Port Said sollte eine 26 Meter hohe Frauenstatue den Eingang des gerade im Bau befindlichen Suez-Kanals zieren. Auf Bartholdis Skizzen von damals sind die Ähnlichkeiten zur heutigen Statue unverkennlich: große Frau, erhobener Arm, Fackel in der Hand. Bartholdi habe sich von der »Form einer verschleierten Bäuerin« inspirieren lassen, schreibt Barry Moreno, Autor des Buches »The Statue of Liberty Encyclopedia«. Der US-Geschichtsprofessor Edward Berenson hält fest: Bartholdis Entwürfe hätten sich von einer »gigantischen weiblichen Fellachin oder arabischen Bäuerin« hin zu einer »riesigen Göttin« entwickelt. Gebaut wird die arabische Urform der Statue allerdings nie: Als der Suezkanal so teuer wird, dass es nur noch für einen Leuchtturm als Statussymbol reicht, verlässt Bartholdi Ägypten, nimmt seine Skizzen mit sich und entdeckt sie Jahre später bei den Planungen für Lady Liberty wieder.
So schön die Geschichte von der muslimischen Freiheitsstatue in Zeiten von Trump auch klingen mag, ganz wahr ist sie allerdings nicht: Ägyptische Bäuerinnen mögen Bartholdi zu seinen ersten Skizzen inspiriert haben, viel übriggeblieben ist von ihnen nicht: Das Kopftuch weicht dem Strahlenkranz. Aus »Progress bringing Light to Asia« wird »Liberty Enlightening the World«. Noch heute diskutieren Historiker über die vielfältigen Einflüsse der Statue. Die römische Göttin Libertas steckt mit Sicherheit drin. Vielleicht Bartholdis Mutter? Ein Professor für AfricanAmerican-Studies vertritt die These, Lady Liberty sei ursprünglich schwarz.
Gesichert ist hingegen etwas anderes: Für die Kraft ihrer Botschaft spielt die Herkunft von Lady Liberty eigentlich keine Rolle. Wer ihre Haltung zu Migrationsfragen wissen will, braucht kein Historiker zu sein.
»Gebt mir eure Müden, eure Armen, Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, Die bemitleidenswerten Abgelehnten eurer gedrängten Küsten; Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen, Hoch halt’ ich mein Licht am gold’nen Tore!« Seit 1903 steht das Sonett der amerikanischen Lyrikerin und Tochter deutsch-jüdischer Migranten Emma Lazarus eingraviert auf einer Bronzetafel, erst auf dem Sockel der Statue, heute im dazugehörigen Museum. Deutlicher könnte die Absage an Trumps Migrationspolitik auch nicht sein, wenn die Freiheitsstatue Muslimin wäre.