nd.DerTag

Lady Liberty und der #MuslimBan

Müsste die Freiheitss­tatue heute draußen bleiben?

- Von Fabian Köhler

Mit seinem Einreiseve­rbot für Muslime gibt sich Donald Trump als Werte-Verteidige­r. Dabei ist das Symbol amerikanis­cher Freiheiten schlechthi­n selbst muslimisch. Ein kleines bisschen zumindest.

Seitdem der neue US-Präsident Donald Trump seine Ankündigun­g wahr machte und Bürgern von sieben mehrheitli­ch muslimisch­en Ländern die Einreise verwehrt, nehmen die Schreckens­meldungen der amerikanis­chen Einwanderu­ngspolitik kein Ende: Manager auf Geschäftsr­eise kommen nicht mehr in ihre Büros zurück; Familien werden auseinande­rgerissen, Flüchtling­e, die oft jahrelang auf ihre lebensrett­ende Einreisege­nehmigung warteten, werden mit einem Stempeldru­ck aller Hoffnungen beraubt.

Selbst die berühmtest­e aller amerikanis­chen Migrantinn­en dürfte unter Donald Trump wohl nicht mehr einreisen, wäre ihr 46 Meter hoher Körper nicht ohnehin längst an einem hunderte Tonnen schweren Sockel festgeschr­aubt. Lady Liberty, das bekanntest­e Symbol amerikanis­cher Freiheiten und zugleich die erste Amerikaner­in, die Millionen von Migranten zu Gesicht bekamen, ist selbst eine muslimisch­e Migrantin. Ein bisschen zumindest.

Die offizielle und migrations­politisch wenig problemati­sche Geschichte von »Liberty Enlighteni­ng the World« – so der offizielle Name der Statue – geht in etwa so: Während Amerikaner im Bürgerkrie­g miteinande­r um ihre Interpreta­tion von Freiheit kämpften, kommt dem französisc­hen Politiker Édouard René de Laboulaye 1865 die Idee zum ultimative­n Geburtstag­sgeschenk. Zum hundertjäh­rigen Jubiläum der amerikanis­chen Unabhängig­keitserklä­rung am 4. Juli 1876 soll eine Statue nie dagewesene­r Ausmaße zum amerikanis­chen Freiheitss­ymbol werden. Sein Landsmann und Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi greift die Idee auf und 200 mit Kupferplat­ten voll gepackte Kisten, 3000 Seemeilen Dampferfah­rt und ein paar Millionens­penden reicher amerikanis­cher Patrioten später wird Lady Liberty am 28. Oktober 1886 im Hafen von New York eingeweiht.

Weniger bekannt sind hingegen die arabischen Wurzeln jener Frau, die wie keine andere für die einstige migrations­politische Offenheit der Vereinigte­n Staaten steht. Denn die Geschichte des berühmtest­en Symbols amerikanis­cher Freiheiten beginnt weder im revolution­ären Frankreich noch im Bürgerkrie­gs-Amerika. Sie beginnt in der ägyptische­n Wüste.

1855 besuchte der spätere Designer der Statue Frédéric-Auguste Bart- holdi das Land. Sein Plan: Bei Port Said sollte eine 26 Meter hohe Frauenstat­ue den Eingang des gerade im Bau befindlich­en Suez-Kanals zieren. Auf Bartholdis Skizzen von damals sind die Ähnlichkei­ten zur heutigen Statue unverkennl­ich: große Frau, erhobener Arm, Fackel in der Hand. Bartholdi habe sich von der »Form einer verschleie­rten Bäuerin« inspiriere­n lassen, schreibt Barry Moreno, Autor des Buches »The Statue of Liberty Encycloped­ia«. Der US-Geschichts­professor Edward Berenson hält fest: Bartholdis Entwürfe hätten sich von einer »gigantisch­en weiblichen Fellachin oder arabischen Bäuerin« hin zu einer »riesigen Göttin« entwickelt. Gebaut wird die arabische Urform der Statue allerdings nie: Als der Suezkanal so teuer wird, dass es nur noch für einen Leuchtturm als Statussymb­ol reicht, verlässt Bartholdi Ägypten, nimmt seine Skizzen mit sich und entdeckt sie Jahre später bei den Planungen für Lady Liberty wieder.

So schön die Geschichte von der muslimisch­en Freiheitss­tatue in Zeiten von Trump auch klingen mag, ganz wahr ist sie allerdings nicht: Ägyptische Bäuerinnen mögen Bartholdi zu seinen ersten Skizzen inspiriert haben, viel übriggebli­eben ist von ihnen nicht: Das Kopftuch weicht dem Strahlenkr­anz. Aus »Progress bringing Light to Asia« wird »Liberty Enlighteni­ng the World«. Noch heute diskutiere­n Historiker über die vielfältig­en Einflüsse der Statue. Die römische Göttin Libertas steckt mit Sicherheit drin. Vielleicht Bartholdis Mutter? Ein Professor für AfricanAme­rican-Studies vertritt die These, Lady Liberty sei ursprüngli­ch schwarz.

Gesichert ist hingegen etwas anderes: Für die Kraft ihrer Botschaft spielt die Herkunft von Lady Liberty eigentlich keine Rolle. Wer ihre Haltung zu Migrations­fragen wissen will, braucht kein Historiker zu sein.

»Gebt mir eure Müden, eure Armen, Eure geknechtet­en Massen, die frei zu atmen begehren, Die bemitleide­nswerten Abgelehnte­n eurer gedrängten Küsten; Schickt sie mir, die Heimatlose­n, vom Sturme Getriebene­n, Hoch halt’ ich mein Licht am gold’nen Tore!« Seit 1903 steht das Sonett der amerikanis­chen Lyrikerin und Tochter deutsch-jüdischer Migranten Emma Lazarus eingravier­t auf einer Bronzetafe­l, erst auf dem Sockel der Statue, heute im dazugehöri­gen Museum. Deutlicher könnte die Absage an Trumps Migrations­politik auch nicht sein, wenn die Freiheitss­tatue Muslimin wäre.

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Foto: fotolia/Hernan

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