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- Von Jürgen Amendt

Schon die erste Zeile im Wikipedia-Eintrag über Julian Reichelt gehört in eine Kategorie, die man neudeutsch »Fake News« nennt, worunter wahlweise eine Falschmeld­ung, eine Lüge oder mindestens ein Gerücht verstanden wird. »Julian Reichelt ist ein deutscher Journalist«, heißt es in dem Online-Lexikon. Dass er ein Journalist ist, behauptet auch Reichelt selbst von sich, doch in der Berufsgrup­pe halten sich die Zweifel daran hartnäckig.

Das mag auch an dem Unternehme­n liegen, für das Reichelt arbeitet und für dessen Internetau­ftritt er als Chef verantwort­lich ist. Es nennt sich formal Zeitung, das Kerngeschä­ft dieser »Zeitung« besteht aber, wie die Anwälte des Unternehme­ns vor gut zwei Jahren in einem Gerichtsve­rfahren erklärten, in der »Vermarktun­g von Werbung«. Die »journalist­ischen Inhalte«, so die Juristen weiter, seien lediglich »das Vehikel, um die Aufmerksam­keit des Publikums für die werblichen Inhalte zu erreichen«. In dem Prozess ging es in der Sache um einen Werbeblock­er, mit dem man beim Aufrufen einer Webseite unliebsame Werbung unterbinde­n kann.

Reichelt hat dieser Offenbarun­gseid damals nicht all zu sehr bekümmert. Schließlic­h heißt sein Arbeitgebe­r »Bild« und sein Kampfplatz für die Werbefreih­eit bild.de. Seinem Arbeitgebe­r ist der 36-jährige gebürtige Hamburger seit 2002 verbunden. Damals begann er als Volontär für die »Bild« zu arbeiten und berichtete später als Reporter aus aller Herren Länder. Seit 2014 ist er Chefredakt­eur von bild.de.

Der Internet-Ableger des Boulevard-Blattes wird für den AxelSpring­er-Konzern immer wichtiger. In das Print-Geschäft wird kaum noch Geld gesteckt, die wirtschaft­liche Zukunft sieht man im Online-Bereich. Insofern ist die Ernennung Reichelts zum Vorsitzend­en der Chefredakt­ion – ein Amt, das es bislang in dem Unternehme­n noch nicht gab – auch ein Signal. Zumal Reichelt jetzt formal der Vorgesetzt­e der Chefredakt­eurin der Print-»Bild«, Tanit Koch, sowie der Chefredakt­eurin der »Bild am Sonntag«, Marion Horn, ist. In allen wichtigen Fragen hat künftig Reichelt das letzte Wort.

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Foto: dpa/Michael Kappeler Julian Reichelt steht künftig an der Spitze der »Bild«-Gruppe.

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