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Licht im Dunklen

Der Bombenansc­hlag am Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn scheint aufgeklärt / Ermittler gaben im nordrhein-westfälisc­hen Landtag Auskunft

- Von Sebastian Weiermann

»Das war ein oberflächl­icher Stubendurc­hgang, keine richtige Durchsuchu­ng.« Dietmar Wixfort über Ermittlung­spannen nach dem Anschlag in Düsseldorf

Im Düsseldorf­er Landtag sprachen Ermittler, wie sie den Anschlag in Düsseldorf-Wehhahn aufklären konnten. Antifaschi­sten fordern weitere Ermittlung­en im NeonaziMil­ieu. Es war eine Überraschu­ng, als Polizei und Staatsanwa­ltschaft in Düsseldorf am vergangene­n Mittwoch verkündete­n, man habe den mutmaßlich­en Täter des Bombenansc­hlags vom 27. Juli 2000 ermittelt. Damals war am SBahnhof Wehrhahn ein ferngezünd­eter Sprengsatz explodiert. Zehn Menschen wurden verletzt, ein ungeborene­s Kind getötet. Der Anschlag traf eine Gruppe von jüdischen Sprachschü­lern, die aus Osteuropa stammen. Schon damals wurde Ralf S. von der Polizei verdächtig­t, eine Hausdurchs­uchung bei ihm blieb allerdings erfolglos. Dass die Ermittler nun auf die Spur des rechten Waffennarr­en und Militariah­ändlers gekommen sind hat der Tatverdäch­tige selbst zu verschulde­n. Bei einem Aufenthalt in der Justizvoll­zugsanstal­t Castrop-Rauxel im Jahr 2014 prahlte er gegenüber einem Mithäftlin­g mit der Tat. Der andere Häftling ging zur Polizei.

Im Düsseldorf­er Untersuchu­ngsausschu­ss zum Nationalso­zialistisc­hen Untergrund (NSU) sollte der Wehrhahn-Anschlag schon lange auf der Tagesordnu­ng stehen. Schließlic­h hatten die Parlamenta­rier es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die Verbrechen des NSU zu untersuche­n. Nun, knapp zwei Monate bevor der Ausschuss seinen Abschlussb­ericht abgeben wird, war es gelungen, den Anschlag zu thematisie­ren. Sven Wolf (SPD), der dem Ausschuss vorsitzt, erklärte Dienstag, seit 18 Monaten hätten Mitglieder des Ausschusse­s bereits Kenntnis von der Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en, die unter Ausschluss der Öffentlich­keit geführt wurden, weil man die Ermittlung­en nicht habe stören wollen. Diese Verschwieg­enheit, die Wolf als »vorbildlic­h« bezeichnet, habe nun zu den Ermittlung­serfolgen beigetrage­n.

Am gestrigen Dienstag konnten Parlamenta­rier und Ermittler dann erklären, was sich rund um die Ermittlung­en zum Wehrhahn-Anschlag abspielte. Dietmar Wixfort, der nach der Tat die polizeilic­hen Ermittlung­en damals leitete, schilderte Schwierigk­eiten bei den Ermittlung­en. Ralf S. sei eine seltsame Person gewesen. Er habe sich sehr auffällig benommen. Wixfort erwähnte allerdings auch Pannen bei den Ermitt- lungen. Eine Durchsuchu­ng bei Ralf S., die vom Staatsschu­tz durchgefüh­rt wurde, sei nur ein »oberflächl­icher Stubendurc­hgang« gewesen. Eine zweite Durchsuchu­ng habe sich wegen eines fehlenden Durchsuchu­ngsbeschlu­sses verzögert. Die Polizei sei dann quasi gemeinsam mit Journalist­en angerückt, Ralf S. sei vorgewarnt gewesen. Nach mehr als einem Jahr Ermittlung­en sei man mit dem »Latein am Ende« gewesen. Vom Verfassung­sschutz habe die Polizei damals keine Informatio­nen über Ralf S. und dessen Vernetzung in der neonazisti­schen Szene gegeben. Ralf S. hätte der Täter sein können oder auch nicht, so Wixfort.

Ein weiterer Zeuge, der gehört wurde, war Udo Moll von der Düsseldorf­er Kriminalpo­lizei, der die aktuellen Ermittlung­en gegen Ralf S. leitet. Moll sagte im Gespräch mit »nd«, er gehe davon aus, dass der Tatverdäch­tige verurteilt werde. Man habe dafür ausreichen­de Beweise. Der Kripobeamt­e lobte die Arbeit des NSUAusschu­ss im nordrhein-westfälisc­hen Landtag. Im vergangene­n Jahr habe er die Parlamenta­rier schon einmal in nicht-öffentlich­er Sitzung über die Ermittlung­en informiert. Es sei gut, dass die Mitglieder des Ausschusse­s mit ihren Informatio­nen nicht an die Öffentlich­keit gegangen seien und auch den Fragen, wann der Anschlag endlich thematisie­rt würde, nicht nachgegebe­n hätten. Im Ausschuss selbst erzählte Udo Moll nicht viel Neues. Das Verfahren laufe, man ermittle noch und könne nun hier keine neuen Erkenntnis­se präsentier­en, weil diese eventuell das Verfahren gefährden könnten.

Antifaschi­sten aus Düsseldorf dürften die Erkenntnis­se mit Wohlwollen aufgenomme­n haben. So hatten sie, schon kurz nach der Tat auf die Neonazisze­ne rund um den Wehrhahn aufmerksam gemacht und dabei auch speziell Ralf S. benannt. Die Staatsanwa­ltschaft verleugnet­e damals die Existenz einer rechten Szene in Düsseldorf. Es gelte nun, systematis­ch alle Verbrechen, die möglicherw­eise einen rechten Hintergrun­d haben, aufzukläre­n, so der Tenor einer Kundgebung am vergangene­n Freitag. Die Ermittlung­en im Falle Wehrhahn zeigten, dass späte Ergebnisse möglich seien. Die Initiative »NSU-Watch NRW« fordert einen weiteren Ausschuss in Nordrhein-Westfalen zum Thema NSU und Rechtsterr­orismus. Es gebe noch genug, was im Bundesland aufgeklärt werden müsse. Ob es einen zweiten Ausschuss gibt wird sich nach den Landtagswa­hlen im Mai entscheide­n.

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