In Bagdad kommen bittere Zeiten
Exekutive Extravaganzen des US-Präsidenten Trump bringen das fragile Machtgefüge Iraks in riskantes Rutschen
Seit Bekanntgabe des US-Einreisestopps für Iraker gewinnt Iran in Irak Einfluss, während US-Truppen die Offensive auf Mossul unterstützen. Das komplizierte Machtgefüge droht aus den Fugen zu geraten. Tagelang herrschte im Büro des irakischen Regierungschefs Haider alAbadi in der vergangenen Woche ungewohnte Betriebsamkeit: Vertreter der schiitischen und sunnitischen Milizen, von politischen Parteien, einflussreiche Parlamentarier trafen zu Gesprächen mit dem Premier ein; das Thema stets: der US-Einreisestopp für Staatsbürger von sieben überwiegend muslimischen Ländern, darunter auch Irak.
Nur gut 10 000 Iraker reisen jährlich in die Vereinigten Staaten; die meisten können sich schon allein die horrende Visagebühr in Höhe von 160 US-Dollar, fast ein Drittel des monatlichen Durchschnittseinkommens, nicht leisten. Trotzdem hat die Nachricht vom Einreisestopp in Irak heftige Wut ausgelöst. Ohnehin ist der Unmut in der Öffentlichkeit seit dem Irak-Krieg 2003 und der darauf gefolgten jahrelangen Besetzung des Landes traditionell groß. Viele Iraker machen die US-Politik für die massive Verschlechterung der Sicherheitslage im Land verantwortlich; man wirft den USA vor, mehr Opfer in Irak verursacht zu haben, als Saddam Hussein in seiner gesamten Regierungszeit. Gleichzeitig ist man aber von den USA abhängig: Rund um Mossul führt die irakische Regierung mit Unterstützung schiitischer, kurdischer und sunnitischer Milizen Krieg gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat und wird dabei durch US-Luftangriffe unterstützt. Zudem ist die Regierung aber auch von amerikanischen Finanzhilfen abhängig.
Und so saß Abadi mit amerikanischen Diplomaten zusammen, versuchte telefonisch zu US-Präsident Donald Trump durchgestellt zu werden. »Ohne Erfolg«, wie seine Mitarbeiter mit von Tag zu Tag steigender Entrüstung sagten, wenn er nicht gerade mit wütenden Interessenvertretern sprach. »Der Einreisestopp hat uns unter Zugzwang gesetzt«, sagt Außenminister Ibrahim al-Jaafari. »Wir brauchen jetzt sofort eine Antwort aus Washington, welche Pläne Präsident Trump für Irak hat.« Doch die Antwort erinnert stark an jene, die vor wenigen Tagen in Sachen IsraelPalästina öffentlich wurde: Man bewerte die Lage und werde »in naher Zukunft« eine Position formulieren, so ein Sprecher des Weißen Hauses.
Problematisch ist das aus Sicht der irakischen Regierung, weil man bereits zuvor widersprüchliche Signale empfing. Im ersten und bisher einzigen Telefonat von Trump mit Abadi kurz nach der Amtseinführung kündigte der US-Präsident eine Ausweitung der Finanzhilfen an. Wenige Tage später sagte er dann in einer Rede bei der CIA, die USA hätten das irakische Öl nehmen sollen, um die USInvasion 2003 zu bezahlen; eine Äußerung, die die Wut in der Öffentlichkeit weiter verstärkte.
Gleichzeitig haben sowohl die Revolutionsgarden in Iran als auch Saudi-Arabien nun die Bemühungen um mehr Einfluss im Nachbarland verstärkt, indem Iran vor allem die Unterstützung für schiitische Milizen, aber auch für pro-iranische Politiker ausgeweitet hat, während Saudi-Arabien sunnitische Kräfte unterstützt. Die Schiiten machen nun Druck auf die Regierung: Man müsse umgehend einen Einreisestopp für US-Bürger verhängen. Betroffen wären auch Militärangehörige sowie die überwiegend zivilen Angestellten der USBotschaft in Bagdad.
Bislang hat es Abadi geschafft, diese Forderungen mit Verweis auf die Offensive auf Mossul abzublocken: Auch die schiitischen und sunnitischen Milizen, die dort kämpfen, sind auf die militärische Unterstützung der USA angewiesen.
Doch Abadi, der anders als sein Vorgänger Nuri al-Maliki ein eher kühles Verhältnis zu Iran pflegt und sich pro-westlich gibt, was in Irak als »pro-amerikanisch« interpretiert wird, fürchtet, dass Irak zum Schauplatz eines Stellvertreterkrieges zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien oder dass der Krieg gegen den IS verloren werden könnte, wenn das Weiße Haus weiter keine klare Strategie auf den Tisch legt.
Zudem warnt die US-Botschaft vor einem Putsch gegen die Regierung. Schon jetzt haben Politiker und Prediger ihre Rhetorik verstärkt, wird außerhalb der Sicherheitszone im Zentrum von Bagdad gegen die USA demonstriert.