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In Bagdad kommen bittere Zeiten

Exekutive Extravagan­zen des US-Präsidente­n Trump bringen das fragile Machtgefüg­e Iraks in riskantes Rutschen

- Von Oliver Eberhardt

Seit Bekanntgab­e des US-Einreisest­opps für Iraker gewinnt Iran in Irak Einfluss, während US-Truppen die Offensive auf Mossul unterstütz­en. Das komplizier­te Machtgefüg­e droht aus den Fugen zu geraten. Tagelang herrschte im Büro des irakischen Regierungs­chefs Haider alAbadi in der vergangene­n Woche ungewohnte Betriebsam­keit: Vertreter der schiitisch­en und sunnitisch­en Milizen, von politische­n Parteien, einflussre­iche Parlamenta­rier trafen zu Gesprächen mit dem Premier ein; das Thema stets: der US-Einreisest­opp für Staatsbürg­er von sieben überwiegen­d muslimisch­en Ländern, darunter auch Irak.

Nur gut 10 000 Iraker reisen jährlich in die Vereinigte­n Staaten; die meisten können sich schon allein die horrende Visagebühr in Höhe von 160 US-Dollar, fast ein Drittel des monatliche­n Durchschni­ttseinkomm­ens, nicht leisten. Trotzdem hat die Nachricht vom Einreisest­opp in Irak heftige Wut ausgelöst. Ohnehin ist der Unmut in der Öffentlich­keit seit dem Irak-Krieg 2003 und der darauf gefolgten jahrelange­n Besetzung des Landes traditione­ll groß. Viele Iraker machen die US-Politik für die massive Verschlech­terung der Sicherheit­slage im Land verantwort­lich; man wirft den USA vor, mehr Opfer in Irak verursacht zu haben, als Saddam Hussein in seiner gesamten Regierungs­zeit. Gleichzeit­ig ist man aber von den USA abhängig: Rund um Mossul führt die irakische Regierung mit Unterstütz­ung schiitisch­er, kurdischer und sunnitisch­er Milizen Krieg gegen die Terrorgrup­pe Islamische­r Staat und wird dabei durch US-Luftangrif­fe unterstütz­t. Zudem ist die Regierung aber auch von amerikanis­chen Finanzhilf­en abhängig.

Und so saß Abadi mit amerikanis­chen Diplomaten zusammen, versuchte telefonisc­h zu US-Präsident Donald Trump durchgeste­llt zu werden. »Ohne Erfolg«, wie seine Mitarbeite­r mit von Tag zu Tag steigender Entrüstung sagten, wenn er nicht gerade mit wütenden Interessen­vertretern sprach. »Der Einreisest­opp hat uns unter Zugzwang gesetzt«, sagt Außenminis­ter Ibrahim al-Jaafari. »Wir brauchen jetzt sofort eine Antwort aus Washington, welche Pläne Präsident Trump für Irak hat.« Doch die Antwort erinnert stark an jene, die vor wenigen Tagen in Sachen IsraelPalä­stina öffentlich wurde: Man bewerte die Lage und werde »in naher Zukunft« eine Position formuliere­n, so ein Sprecher des Weißen Hauses.

Problemati­sch ist das aus Sicht der irakischen Regierung, weil man bereits zuvor widersprüc­hliche Signale empfing. Im ersten und bisher einzigen Telefonat von Trump mit Abadi kurz nach der Amtseinfüh­rung kündigte der US-Präsident eine Ausweitung der Finanzhilf­en an. Wenige Tage später sagte er dann in einer Rede bei der CIA, die USA hätten das irakische Öl nehmen sollen, um die USInvasion 2003 zu bezahlen; eine Äußerung, die die Wut in der Öffentlich­keit weiter verstärkte.

Gleichzeit­ig haben sowohl die Revolution­sgarden in Iran als auch Saudi-Arabien nun die Bemühungen um mehr Einfluss im Nachbarlan­d verstärkt, indem Iran vor allem die Unterstütz­ung für schiitisch­e Milizen, aber auch für pro-iranische Politiker ausgeweite­t hat, während Saudi-Arabien sunnitisch­e Kräfte unterstütz­t. Die Schiiten machen nun Druck auf die Regierung: Man müsse umgehend einen Einreisest­opp für US-Bürger verhängen. Betroffen wären auch Militärang­ehörige sowie die überwiegen­d zivilen Angestellt­en der USBotschaf­t in Bagdad.

Bislang hat es Abadi geschafft, diese Forderunge­n mit Verweis auf die Offensive auf Mossul abzublocke­n: Auch die schiitisch­en und sunnitisch­en Milizen, die dort kämpfen, sind auf die militärisc­he Unterstütz­ung der USA angewiesen.

Doch Abadi, der anders als sein Vorgänger Nuri al-Maliki ein eher kühles Verhältnis zu Iran pflegt und sich pro-westlich gibt, was in Irak als »pro-amerikanis­ch« interpreti­ert wird, fürchtet, dass Irak zum Schauplatz eines Stellvertr­eterkriege­s zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien oder dass der Krieg gegen den IS verloren werden könnte, wenn das Weiße Haus weiter keine klare Strategie auf den Tisch legt.

Zudem warnt die US-Botschaft vor einem Putsch gegen die Regierung. Schon jetzt haben Politiker und Prediger ihre Rhetorik verstärkt, wird außerhalb der Sicherheit­szone im Zentrum von Bagdad gegen die USA demonstrie­rt.

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