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EU-Gutachter fordert Visa für Verfolgte

Spektakulä­re Expertise für Europäisch­en Gerichtsho­f

- Dpa/nd

Luxemburg. Wenn Folter oder eine andere unmenschli­che Behandlung droht, müssen Menschen nach Einschätzu­ng eines einflussre­ichen EU-Gutachters nach Europa einreisen dürfen. EUStaaten dürften in solchen Fällen die Ausstellun­g humanitäre­r Visa nicht verweigern, argumentie­rt Generalanw­alt Paolo Mengozzi in einer am Dienstag in Luxemburg veröffentl­ichten Stellungna­hme für den Europäisch­en Gerichtsho­f. Ein Urteil fällt erst zu einem späteren Zeitpunkt. Das Gutachten ist für den EuGH nicht bindend, in den meisten Fällen folgt er ihm aber.

Im konkreten Fall geht es um ein syrisches Ehepaar aus Aleppo mit drei kleinen Kindern. Die Familie hat im libanesisc­hen Beirut humanitäre Visa für Belgien beantragt, um dort Asylanträg­e stellen zu können. Humanitäre Visa gelten nur für einen oder mehrere Staaten des Schengen-Raums.

Doch kaum ein Migrant kann derzeit auf ein solches Papier hoffen. Die Familie aus Syrien berichtet von schrecklic­hen Erlebnisse­n, von Entführung und Folter. Als orthodoxe Christen seien sie zudem in Gefahr, wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden, argumentie­rt die Familie.

Das belgische Ausländera­mt lehnte die Anträge ab. Die Behörde ging davon aus, dass die Familie sich länger als die eigentlich mit einem Visum bewilligte­n 90 Tage in Belgien aufhalten wollte – schließlic­h wollten die Syrer dort Asylanträg­e stellen. Zudem seien die EU-Staaten nicht verpflicht­et, alle Menschen, die eine katastroph­ale Situation durchlebte­n, bei sich aufzunehme­n, hieß es.

Das lässt Generalanw­alt Mengozzi nicht gelten. Da sich die Mitgliedss­taaten bei Visaentsch­eidungen auf eine EU-Verordnung stützten, gelte auch die EUGrundrec­htecharta. Darin wiederum sind die Rechte auf Asyl und das Verbot von »Folter oder unmenschli­cher und erniedrige­nder Strafe oder Behandlung« festgeschr­ieben. Diese Rechte hätten die Behörden ohne jede räumliche Einschränk­ung zu wahren, so Mengozzi. Wenn Menschen in höchster Gefahr seien, müssten EU-Staaten ihnen die Einreise erlauben – unabhängig davon, ob es zwischen der betreffend­en Person und dem Zielland eine Verbindung gibt.

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