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Wer die Quellnymph­e stört

In Leipzigs Zoo wurden vor vielen Jahrzehnte­n mehrere Skulpturen aufgestell­t – der Sohn eines früheren Direktors verlangt sie als sein Erbe

- Von Jörg Aberger, Leipzig dpa/nd

Zu Zeiten der Weimarer Republik kamen Plastiken von Max Klinger und anderen in Leipzigs Zoo. Mehr als 25 Jahre nach der deutschen Einheit steht bei vier Skulpturen plötzlich die Frage: Wem gehören sie? Leipzig. Besuchern des Leipziger Zoos mögen sie beim Rundgang durch die Anlage unter Umständen nicht einmal ins Auge fallen, die »Jasongrupp­e«, die »Quellnymph­e«, »Die Badende« und »Der Athlet«. Doch was für den oberflächl­ichen Betrachter als künstleris­ches Beiwerk auf dem Gelände des Tierparks durchgehen mag, sorgt derzeit für Streit. Der Sohn des ehemaligen Zoodirekto­rs Johannes Gebbing, Johannes Gebbing junior, beanspruch­t das Eigentum an den Skulpturen von Künstlern wie Max Klinger und Ferdinand Barth als Erbe seines Vaters für sich. Die Stadt Leipzig erkennt dies aber bislang nicht an.

Für Hannes Hartung, den Anwalt Gebbings, ist die Sache klar: »Die Kunstwerke gehören der Familie Gebbing.« Verschiede­ne Dokumente sprächen eindeutig dafür, dass Johannes Gebbing senior die Skulpturen als Privatmann und nicht etwa in seiner Eigenschaf­t als Direktor des Leipziger Zoos erworben habe. »Hiermit bestätige ich Ihnen, dass Sie persönlich von mir die Broncefigu­ren: ›Der Athlet‹ und ›Die Badende‹, beide von M. Klinger, und die ›Quellnymph­e‹ von Prof. Barth, käuflich erworben haben«, teilte der Kunstsamml­er und Unternehme­r Max von Bleichert dem Zoodirekto­r im Jahr 1932 mit. Allerdings geht aus dem Schreiben nicht eindeutig hervor, in welcher Eigenschaf­t Max von Bleichert diese Bestätigun­g abgab.

Die Stadt sieht sich derzeit nicht verpflicht­et, Gebbing als Eigentümer anzuerkenn­en. »Das Begehren von Herrn Gebbing wird geprüft, entspreche­nde Recherchen sind bislang nicht abgeschlos­sen«, teilte ein Stadtsprec­her mit. Die Stadt habe selbst »zu diesem komplexen Sachverhal­t ein eigenes hohes Aufklä- rungsinter­esse«. Komplizier­t an der Sache ist unter anderem, dass die Direktoren­zeit von Johannes Gebbing senior bereits 1934 endete, mithin inzwischen mehr als 80 Jahre ins Land gegangen sind.

Dass die Sache erst jetzt zum Thema wird, hat damit zu tun, dass Johannes Gebbing junior nach eigenen Angaben erst im vergangene­n Jahr bewusst wurde, dass die Skulpturen zum Erbe der Familie gehören könnten. Dies entnahm er Unterlagen, die er nach dem Tod seines Bruders im vergangene­n Jahr sichtete. 1944 soll Gebbing senior bereits vergeblich die Herausgabe der Kunstwerke eingeforde­rt haben. Dass dieser Anspruch nicht weiter verfolgt wurde, erklärt Gebbing junior damit, dass es damals existenzie­llere Fragen gegeben hätte. »Nachdem eine Bombe das Aquarium und Terrarium zerstört hatte, schwammen in der Pleiße Krokodile und Schlangen«, erzählte er im vergangene­n Jahr der »Süddeutsch­en Zeitung«.

Zu DDR-Zeiten wurde die Frage nach dem Eigentum dann offenbar nicht erneut gestellt. Belege dafür, dass die Skulpturen im Zoo etwa zu Volkseigen­tum erklärt wurden, gibt es bislang nicht.

Gebbings Anwalt, der als Vertreter des im Jahre 2014 gestorbene­n Münchener Kunstsamml­ers Cornelius Gurlitt – Stichwort: »Schwabinge­r Kunstfund« – bekannt ist, äußerte einen Verdacht: »Die Stadt will Zeit schinden, setzt auf eine biologisch­e Lösung«, mutmaßt der Jurist. Schließlic­h sei Gebbing junior inzwischen schon 86 Jahre alt. Diesen Verdacht weist die Stadtverwa­ltung vehement zurück. »Die Stadt spielt nicht auf Zeit«, heißt es unzweideut­ig im Rathaus.

Die Verwaltung gibt vielmehr den Ball zurück: »Wir sind (...) irritiert, weil (...) Restitutio­nsansprüch­e mehr als 25 Jahre nach der Wiedervere­inigung geltend gemacht werden.« Diese hätten in einschlägi­gen Rechtsverf­ahren unter Berücksich­tigung »von längst abgelaufen­en Antragsfri­sten« bereits geklärt werden müssen.

Zu DDR-Zeiten wurde die Frage nach dem Eigentum dann offenbar nicht erneut gestellt.

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Fotos: dpa/Jan Woitas; Hendrik Schmidt

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