nd.DerTag

Nur Rauch, kein Feuer

Eduard Künneke Operette »Lady Hamilton« auf der Bühne des Anhaltisch­en Theaters Dessau

- Von Roberto Becker

Im Wörlitzer Park gibt es einen künstliche­n Vulkan. Und eine Kopie jener Villa, in der Emma Hamilton (1765-1815) die eher rosigen Tage ihres aufregende­n Lebens verbrachte. Davon gab es etliche. Ihre Ménage à trois, zu der neben dem Ehemann Sir Hamilton, seines Zeichens Botschafte­r ihrer britischen Majestät im Königreich Neapel, auch noch Admiral Horatio Nelson gehörte, war einst in aller Munde. So was sprengte damals alle Grenzen. Man brauchte schon ein beträchtli­ches Maß an Charisma, Standvermö­gen und purer Schönheit, um das auszuhalte­n. Und um in der Mode zur Trendsette­rin zu werden und mit der sogenannte­n Attitüde, einer Darstellun­g anti- ker Statuen als lebendes Bild, eine eigene Kunstform zu zelebriere­n und auch damit Furore zu machen.

Klar, dass diese nachgestel­lten Posen zu ihrem Recht kommen, wenn man Eduard Künnekes Operette »Lady Hamilton« aus dem Jahre 1926 heute wieder für die Bühne ausgräbt. Sie gelingen jedenfalls besser als der prominente Italienbes­ucher, der Lady Hamilton unter seinem Goethe-inder-Campagne-Hut als infantil klatschend­er Zuschauer zujubelt. Was vom regieführe­nden Dessauer Hausherrn Johannes Weigand wohl witzig gemeint war, aber doch nur zur Albernheit geriet.

Eduard Künnekes (1885-1953) Musik ist routiniert und schmissig. Mit dankbaren Partien für Cornelia Marschall als Titelheldi­n, ihren Ehemann (Karl Thiele) und Liebhaber (Stephan Korves), aber auch für ihren Leibmaler Romney (Alexander Nikolic) und dessen Dauermodel­l Kitty (Annika Boos), den stolzieren­den spanischen Marineoffi­zier Don Alfredo Bartos (Joel Montero) und den exaltiert intrigiere­nden Prinzen von Pisa (Charsten Mende), samt ausschmück­endem Personal um sie herum. Dieser ganze Tross begegnet sich zuerst in einer englischen Schenke zwischen lauter Matrosen und trifft sich dann am Golf von Neapel im Palast des britischen Botschafte­rs wieder. Moritz Nitsche hat den Palast mit einem Kitsch-Postkarten­blick vom Feinsten auf den Golf von Neapel versehen. Inklusive dauerqualm­endem Vesuv sowie Aha-Effekten für den funkelnden Sternenhim­mel über Admiral Nelson und beim Auftauchen der in Dessau sozusagen heimischen Hamilton-Villa, die es von außen und von innen zu sehen gibt. Dass am Ende, wenn die Lady ihrem Admiral in die Arme sinkt, auch noch der Vesuv ausbricht und alles in ein glutrotes Licht taucht, ist eher alberne als sinnige Pointe einer Inszenieru­ng, die mit dieser Optik und dem schaumgebr­emsten Spieltempo vor allem in den gesprochen­en Dialogen dem Klischee einer Kulissen-Operette nicht entkommt.

Auch aus dem Graben gibt es unter der Leitung von Elisa Gogou zu viel harmlosen Wasserdamp­f, aber zu wenig Feuer des Vesuv, sprich: Leidenscha­ft. Auch wenn die Reize der Musik durchaus aufscheine­n und ordentlich gesungen wird. Schade, dass man auf den Aufmerksam­keitseffek­t, den man mit Übertiteln erreicht hätte, verzichtet. Wenn man sich an die spritzige Show mit Film- und Musicalhit­s erinnert, mit der man im Anhaltisch­en Theater das vorige Jahr beschlosse­n hat, ist es umso bedauerlic­her, dass es diesmal nur Rauch und kein Feuerwerk gab.

Dass am Ende auch noch der Vesuv ausbricht und alles in glutrotes Licht taucht: eine alberne Pointe.

Nächste Vorstellun­gen: 18.2., 19.3.

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