Export geht vor
Studie: Menschenrechte spielen in EU-Handelsverträgen nur untergeordnete Rolle
In der kommenden Woche entscheidet das EU-Parlament über das Freihandelsabkommen CETA. Laut einer Studie stehen Menschenrechte hier ebenso wenig im Fokus wie in anderen EU-Handelsverträgen. Menschenrechte sowie Arbeits- und Sozialstandards spielen beim Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU laut einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie kaum eine Rolle. Das gelte nicht nur bei CETA. Auch in anderen Handelsverträgen habe es die EU versäumt, eine menschenrechtsbasierte und nachhaltige Handelspolitik festzuschreiben, heißt es in der Untersuchung »Menschenrechte als uneingelöstes Versprechen. Nachhaltigkeit, Umwelt- und Sozialstandards in EU-Handelsabkommen«, die im Auftrag des evangelischen Hilfswerks »Brot für die Welt«, des Forums Umwelt und Entwicklung, des Unternehmensverbands »UnternehmensGrün« sowie der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erstellt wurde.
Untersucht wurden bilaterale EUHandelsverträge der vergangenen 25 Jahre. Etwa seit Beginn der 1990er Jahre finden sich darin Formulierungen wie »Respekt für demokratische Prinzipien und Menschenrechte«, 2009 hat sich die EU im Lissabon-Vertrag grundsätzlich verpflichtet, Handelsabkommen menschenrechtskonform auszurichten.
Im »Praxistext«, wie Sven Hilbig, Welthandelsexperte bei »Brot für die Welt«, die Untersuchung bezeichnet, seien die Ergebnisse »ernüchternd«. So wurde eine verankerte Menschenrechtsklausel tatsächlich bisher nur in 23 Fällen angewendet, ausschließlich bei schweren Ereignissen wie Staatsstreichen. Menschenrechtsverletzungen, die Folge der Handelsverträge sind, blieben laut Studie in den ganzen Jahren unberücksichtigt – dazu gehören etwa die Folgen, wenn durch Exporte heimische Märkte der Handelspartner kaputt gemacht werden.
Die Abkommen dienten eben in erster Linie dazu, die Exportpolitik der Staaten zu sichern, sagte Hilbig. Die Interessen von Großkonzernen und Investoren würden stärker berücksichtigt als etwa der Schutz guter Arbeitsbedingungen.
Das gelte ebenso für CETA, auch wenn es beim Handelsabkommen mit Kanada »oberflächliche Verbesserungen« gebe, so Michael Fischer, Leiter Politik und Planung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. »Arbeits- und Sozialstandards erhalten zwar inzwischen sogar eigene Kapitel, aber es mangelt weiterhin an Mechanismen, die verhindern, dass sie durch Liberalisierungsverpflichtungen direkt oder indirekt unter Druck geraten.« So fehlten auch bei CETA ausreichende Sanktionsmöglichkeiten sowie ein geeignetes Monitoring.
Das gilt laut Studie auch für die in Handelsverträgen verankerten Nachhaltigkeitsklauseln, die für Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Unternehmerverbandes »UnternehmensGrün« im »krassen Widerspruch« zu den UN-Nachhaltigkeitszielen stehen. Die Staatengemeinschaft hatte sich auf gemeinsame Ziele für eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene geeinigt. Echte Nachhaltigkeit sei zu einer rhetorischen Hülse geworden, sagte Reuter.
Eine Woche vor der Abstimmung in Straßburg warnt auch die Wirtschaftsinitiative »Unternehmen für gerechten Handel« vor negativen Auswirkungen. »Das Handelsabkommen benachteiligt kleine Unternehmen gegenüber großen Konzernen, gefährdet unser Vorsorgeprinzip und zeigt keinerlei Konzept auf, wie besonders sensible Branchen, wie die europäische Agrarwirtschaft, geschützt werden sollen«, erklärte Frank Immendorf, Mitinitiator der Unternehmensinitiative.
Der CETA-Vertragstext mache zudem deutlich, dass Umweltstandards »für die EU zweitrangig sind«, kriti- siert Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung und verweist auf den in CETA vorgesehenen Regulatorischen Rat. In dem Gremium sollen Vertreter der EU und Kanada geplante Gesetzesabkommen im Bezug auf das Freihandelsabkommen überprüfen. Rückblickend wäre etwa die Einführung des Katalysators vor 30 Jahren im US-Staat Kalifornien sicher als Handelshemmnis eingestuft worden, so Maier. »Unverbindliche Umwelt- und Sozialkapitel, aber harte Klagerechte für Investoren – nichts zeigt deutlicher, wo die Prioritäten der EU-Handelspolitik liegen und warum so viele Menschen sie ablehnen.«