nd.DerTag

Südafrika in der Kohlefalle

Regierung setzt auf den Ausbau fossiler Kraftwerke, obwohl die Erneuerbar­en billiger wären

- Von Christian Selz, Kapstadt

Mit Milliarden­krediten gebaute neue Kraftwerke, enorme Investitio­nen des Staatsfond­s und korrupte Deals gefährden in Südafrika das Erreichen der Klimaschut­zziele. Die Kohlepreis­e sind weltweit im Keller, und zwar schon seit Jahren. »Keep it in the ground« (lasst die Kohle im Boden) – fordern Klimaschüt­zer und finden damit immer häufiger Gehör. Und das hat durchaus auch finanziell­e Folgen: Wie die britische Tageszeitu­ng »Guardian« im Dezember berichtete, haben sich inzwischen Fonds und Anleger mit einem Kapital von zusammen 5,2 Billionen US-Dollar bereiterkl­ärt, nicht mehr in fossile Energieträ­ger zu investiere­n. Ein Jahr zuvor war es noch die Hälfte. Doch nicht alle Länder ziehen mit – für manche könnte ihr Kohlereich­tum gar zur Falle werden.

Südafrika ist so ein Fall. Bis zum Jahr 2050 müsste das Land entweder sämtliche Kohlekraft­werke oder die Verflüssig­ungsanlage des halbstaatl­ichen Ölkonzerns Sasol stilllegen, erklärte Jesse Burton vom Energy Research Centre der Universitä­t Kapstadt im Gespräch mit der Wirtschaft­szeitung »Business Day«. Der Bau weiterer Kohlekraft­werke sei in jedem Fall tabu. Andernfall­s könne der Kohlendiox­idausstoß des Landes an der Südspitze Afrikas nicht entspreche­nd der Zusagen bei der UNKlimakon­ferenz 2015 in Paris gesenkt werden.

Wahrschein­lich ist das aber schon jetzt nicht mehr. Im Dezember hat der halbstaatl­iche Stromverso­rger Eskom die erste Einheit seines neuen Kohlekraft­werks Kusile testweise ans Netz genommen. Nach vier Monaten soll es dann in den Regelbetri­eb übergehen. Außerdem ist in der Anlage Medupi, die das größte luftgekühl­te Kohlekraft­werk der Welt werden soll, ebenfalls im vergangene­n Monat bereits der fünfte von sechs Blöcken auf volle Kapazität hochgefahr­en worden. Für den Bau der beiden Kraftwerke hatte Südafrika 2008 unter Vermittlun­g von Weltbank und Internatio­nalem Währungsfo­nds Milliarden­kredite aufgenomme­n. Das Land wollte so seine chronische­n Engpässe bei der Stromverso­rgung beheben, die in den vergangene­n Jahren die wirtschaft­liche Entwicklun­g gehemmt haben. Kohle ist der Hauptantri­eb des geplanten Ausbaus der weitervera­rbeitenden Industrie, schon jetzt erzeugt Eskom rund 90 Prozent seiner Elektrizit­ät aus dem fossilen Brennstoff.

Einen Ausstieg aus der klimaschäd­lichsten Energieque­lle hat sich Südafrika auch auf anderer Ebene verbaut. Würde die Regierung in Pretoria nämlich von ihrer Kohleausba­ustrategie abweichen, dann wäre auch die Altersvers­orgung der Staatsbedi­ensteten im Land gefährdet. Die quasi-staatliche Public Investment Corporatio­n, die mit ihren Gewinnen auch mehrere Pensionsfo­nds speist, hat einer Analyse des »Guardian« aus dem Jahr 2015 zufolge 6,1 Prozent ihrer Einlagen in Aktien von Kohleunter­nehmen investiert. Das ist wesentlich mehr als bei anderen Pensionsfo­nds weltweit, wie der »Business Day« berichtete. In Zeiten des »Divestment­s« – also des zunehmende­n Ausstiegs internatio­naler Großinvest­oren aus fossilen Energieträ­gern – sind Abnehmer für die Anteile nur noch schwer und zu schlechten Preisen zu finden. Anstatt die unausweich­lichen Verluste in Kauf zu nehmen und – wie beispielsw­eise der norwegisch­e Staatsfond­s – rechtzeiti­g aus der Kohle auszusteig­en, setzen die Südafrikan­er weiter auf die staatlich garantiert­e Nutzung des Rohstoffs. Ob das langfristi­g sinnvoll ist, bleibt fraglich. Einer im vergangene­n Jahr veröffentl­ichten Studie der wichtigste­n südafrikan­ischen Forschungs­institutio­n Council for Scientific and Industrial Research zufolge könnte Eskom schon jetzt Strom günstiger aus erneuerbar­en Energieträ­gern als aus Kohle produziere­n. Der Verbleib in der Kohlefalle, so kommentier­t der »Business Day«, setze den Fonds und mit ihm die Pensionäre »großen finanziell­en Risiken« aus.

Reich werden derweil andere, und zwar mithilfe dubioser Methoden und politische­r Patronage. Wie die damals noch amtierende staatliche Ombudsfrau Thulisile Madonsela im November enthüllte, kaufte ein mit besten Verbindung­en zur Familie von Staatspräs­ident Jacob Zuma ausgestatt­etes Unternehme­r-Trio Ajay, Atul und Rajesh Gupta dem Rohstoffmu­lti Glencore eine Kohlemine ab. Die Mittel dafür streckte Eskom vor. Im Gegenzug beliefert die Firma der im Land berüchtigt­en Gupta-Brüder den staatliche­n Stromverso­rger künftig mit dem Rohstoff für dessen Kraftwerke – freilich zu überhöhten Preisen. Der Generalsek­retär von Zumas regierende­m African National Congress, Gwede Mantashe, nannte den Deal offen »korrupt«. Doch der Präsident und sein Bergbaumin­ister Mosebenzi Zwane, der das Geschäft persönlich eingefädel­t hatte, blieben unangetast­et. Auch so kann sich der klimaschäd­liche Energieträ­ger Kohle, der weltweit eigentlich auf dem absteigend­en Ast ist, noch lohnen.

 ?? Foto: AFP/Mujahid Safodien ??
Foto: AFP/Mujahid Safodien

Newspapers in German

Newspapers from Germany