Südafrika in der Kohlefalle
Regierung setzt auf den Ausbau fossiler Kraftwerke, obwohl die Erneuerbaren billiger wären
Mit Milliardenkrediten gebaute neue Kraftwerke, enorme Investitionen des Staatsfonds und korrupte Deals gefährden in Südafrika das Erreichen der Klimaschutzziele. Die Kohlepreise sind weltweit im Keller, und zwar schon seit Jahren. »Keep it in the ground« (lasst die Kohle im Boden) – fordern Klimaschützer und finden damit immer häufiger Gehör. Und das hat durchaus auch finanzielle Folgen: Wie die britische Tageszeitung »Guardian« im Dezember berichtete, haben sich inzwischen Fonds und Anleger mit einem Kapital von zusammen 5,2 Billionen US-Dollar bereiterklärt, nicht mehr in fossile Energieträger zu investieren. Ein Jahr zuvor war es noch die Hälfte. Doch nicht alle Länder ziehen mit – für manche könnte ihr Kohlereichtum gar zur Falle werden.
Südafrika ist so ein Fall. Bis zum Jahr 2050 müsste das Land entweder sämtliche Kohlekraftwerke oder die Verflüssigungsanlage des halbstaatlichen Ölkonzerns Sasol stilllegen, erklärte Jesse Burton vom Energy Research Centre der Universität Kapstadt im Gespräch mit der Wirtschaftszeitung »Business Day«. Der Bau weiterer Kohlekraftwerke sei in jedem Fall tabu. Andernfalls könne der Kohlendioxidausstoß des Landes an der Südspitze Afrikas nicht entsprechend der Zusagen bei der UNKlimakonferenz 2015 in Paris gesenkt werden.
Wahrscheinlich ist das aber schon jetzt nicht mehr. Im Dezember hat der halbstaatliche Stromversorger Eskom die erste Einheit seines neuen Kohlekraftwerks Kusile testweise ans Netz genommen. Nach vier Monaten soll es dann in den Regelbetrieb übergehen. Außerdem ist in der Anlage Medupi, die das größte luftgekühlte Kohlekraftwerk der Welt werden soll, ebenfalls im vergangenen Monat bereits der fünfte von sechs Blöcken auf volle Kapazität hochgefahren worden. Für den Bau der beiden Kraftwerke hatte Südafrika 2008 unter Vermittlung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds Milliardenkredite aufgenommen. Das Land wollte so seine chronischen Engpässe bei der Stromversorgung beheben, die in den vergangenen Jahren die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt haben. Kohle ist der Hauptantrieb des geplanten Ausbaus der weiterverarbeitenden Industrie, schon jetzt erzeugt Eskom rund 90 Prozent seiner Elektrizität aus dem fossilen Brennstoff.
Einen Ausstieg aus der klimaschädlichsten Energiequelle hat sich Südafrika auch auf anderer Ebene verbaut. Würde die Regierung in Pretoria nämlich von ihrer Kohleausbaustrategie abweichen, dann wäre auch die Altersversorgung der Staatsbediensteten im Land gefährdet. Die quasi-staatliche Public Investment Corporation, die mit ihren Gewinnen auch mehrere Pensionsfonds speist, hat einer Analyse des »Guardian« aus dem Jahr 2015 zufolge 6,1 Prozent ihrer Einlagen in Aktien von Kohleunternehmen investiert. Das ist wesentlich mehr als bei anderen Pensionsfonds weltweit, wie der »Business Day« berichtete. In Zeiten des »Divestments« – also des zunehmenden Ausstiegs internationaler Großinvestoren aus fossilen Energieträgern – sind Abnehmer für die Anteile nur noch schwer und zu schlechten Preisen zu finden. Anstatt die unausweichlichen Verluste in Kauf zu nehmen und – wie beispielsweise der norwegische Staatsfonds – rechtzeitig aus der Kohle auszusteigen, setzen die Südafrikaner weiter auf die staatlich garantierte Nutzung des Rohstoffs. Ob das langfristig sinnvoll ist, bleibt fraglich. Einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie der wichtigsten südafrikanischen Forschungsinstitution Council for Scientific and Industrial Research zufolge könnte Eskom schon jetzt Strom günstiger aus erneuerbaren Energieträgern als aus Kohle produzieren. Der Verbleib in der Kohlefalle, so kommentiert der »Business Day«, setze den Fonds und mit ihm die Pensionäre »großen finanziellen Risiken« aus.
Reich werden derweil andere, und zwar mithilfe dubioser Methoden und politischer Patronage. Wie die damals noch amtierende staatliche Ombudsfrau Thulisile Madonsela im November enthüllte, kaufte ein mit besten Verbindungen zur Familie von Staatspräsident Jacob Zuma ausgestattetes Unternehmer-Trio Ajay, Atul und Rajesh Gupta dem Rohstoffmulti Glencore eine Kohlemine ab. Die Mittel dafür streckte Eskom vor. Im Gegenzug beliefert die Firma der im Land berüchtigten Gupta-Brüder den staatlichen Stromversorger künftig mit dem Rohstoff für dessen Kraftwerke – freilich zu überhöhten Preisen. Der Generalsekretär von Zumas regierendem African National Congress, Gwede Mantashe, nannte den Deal offen »korrupt«. Doch der Präsident und sein Bergbauminister Mosebenzi Zwane, der das Geschäft persönlich eingefädelt hatte, blieben unangetastet. Auch so kann sich der klimaschädliche Energieträger Kohle, der weltweit eigentlich auf dem absteigenden Ast ist, noch lohnen.